Vor 20 Jahren haben Eltern, Lehrkräfte und der Förderverein der Karl-Georg-Haldenwang-Schule das Integrationsunternehmen „Pfiffikus“ gegründet. Es ist für Menschen mit Handicap ein Trittbrett zum allgemeinen Arbeitsmarkt.

Hört man „Pfiffikus“, denkt man unweigerlich an Schlawiner, Schelm oder Luftikus. Aber er ist auch ein Schlitzohr und ein Schlauberger, der den anderen, die ihm das gar nicht zutrauen, auch mal zeigt, wo es lang geht. Ganz pfiffig stellen sich auch Schulabgänger, ihre Eltern und Lehrer der Leonberger Karl-Georg-Haldenwang-Schule an, wenn es um die berufliche Zukunft der jungen Menschen geht. Seit nunmehr 20 Jahre geschieht das im Integrationsunternehmen „Pfiffikus“.

 

Ziel ist das individuelle Lernen

Für Schulabgänger der Karl-Georg-Haldenwang-Schule (KGHS) einen Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, ist schon immer schwierig gewesen. „Es war beinahe vorgezeichnet, dass sie mangels Alternativen nach der Schule in eine Werkstatt für Behinderte wechseln würden“, sagt Timur Erdem, der Leiter der Schule, die im Amtsdeutsch den Titel „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“ trägt.

Seit vielen Jahren hat sie sich aber dem Ziel des individuellen Lernens verschrieben. Diese Förderung soll die Schüler dazu befähigen, am Leben mitten in der Gesellschaft teilzuhaben. Dazu gehört auch, dass Menschen mit einem Handicap ebenfalls Wahlmöglichkeiten und Perspektiven in beruflicher Hinsicht haben.

Diese Selbstverpflichtung hat auch der Förderverein der Schule aufgegriffen und eine Idee umgesetzt, die Eltern und Lehrer entworfen haben – eine Selbsthilfefirma zu gründen mit dem Ziel, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit einer geistigen Behinderung zu schaffen. So wurde im Jahr 2002 die gemeinnützige Gesellschaft „Pfiffikus – der Service mit Herz“ mit dem Förderverein als alleinigem Gesellschafter gegründet.

Zehn Jahre nach der Gründung kam fast das Aus

Inzwischen, 20 Jahre nach der Gründung, hat sich „die Firma“ auf dem Markt etabliert und kann als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Obwohl es auch Tiefpunkte gab und zehn Jahre nach der Gründung fast das Aus kam. Durch den Ausfall des hauptamtlichen Geschäftsführers und weil die Job-Agentur ihre Förderrichtlinien geändert hatte, war Pfiffikus in Bedrängnis geraten. Doch aus dieser finanziellen Schieflage hat ehrenamtliches Engagement Pfiffikus gerettet.

Inzwischen hat sich „die Firma“ auf dem Markt etabliert. In den Geschäftsfeldern Wäscheservice, Reinigung und Schulmensaverpflegung trägt Pfiffikus mit derzeit 21 Mitarbeiterinnen (davon sieben mit einer wesentlichen Behinderung sowie weiteren mit Schwerbehinderung) zu einem nachgefragten Dienstleistungsangebot in Leonberg und Umgebung bei. So wie etwa in Ditzingen, wo Pfiffikus schon seit 2004 präsent ist.

Integrationsarbeit wird großgeschrieben

„Die Karl-Georg-Haldenwang-Schule ist eine unserer Vorzeigeschulen, hier wird Integrationsarbeit großgeschrieben und seit vielen Jahren muss man die Schule und Pfiffikus zusammendenken“, sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Er hat sich mit Vertretern der Schule, der Geschäftsführung von Pfiffikus und des Fördervereins zu einem Arbeitsgespräch anlässlich des runden Geburtstags in den Werkstatträumen in der Ostertagstraße 25 in Leonberg getroffen.

Gleich zwei „Erfindungen“ stünden für die Innovationskraft der Schule, lobt der Landrat. Da sei die „Kooperative berufliche Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (KoBV)“, eine Maßnahme unter Federführung des Berufsschulzentrums Leonberg. Das ist ein Angebot für Schülerinnen und Schüler, die nach der Orientierungs- und Erprobungsphase ein Langzeitpraktikum bei einem Betrieb gefunden haben.

Ziel ist die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Ein Erfolg sei auch das Modell „Berufsvorbereitende Einrichtungen (BVE)“. Für Schülerinnen und Schüler ist diese Klasse der Berufsschulstufe die Zeit zur beruflichen Orientierung. Während der zwei BVE-Jahre finden der Unterricht und die Praktika am allgemeinen Arbeitsmarkt ergänzend statt. An bis zu drei Tagen in der Woche erproben sich die Schüler in verschiedenen Tätigkeitsbereichen in individuell ausgesuchten Betrieben. Die BVE ist an der Berufsschule verortet.

Talente der Menschen sollen herausgekitzelt werden

Beide „KGHS-Erfindungen“ seien mittlerweile landesweit etablierte Erfolgsmodelle, ist der Landrat stolz. „Als schwäbischer Landrat bin ich davon überzeugt, dass Inklusion am besten bei Arbeit stattfindet, denn Arbeit ist auch Teil der Menschenwürde“, sagt Roland Bernhard. „Wir müssen die Talente der Menschen suchen und herauskitzeln“, formuliert es der Böblinger Landkreischef deutlich.

Deshalb unterstütze die Behörde auch Firmen dieser Art, von denen es viel zu wenige gebe, findet der Landrat. So fördert der Landkreis die Firmen durch eine inklusive Beschaffungsstrategie, indem sie im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vermehrt Aufträge bekommen.

Erfolg nur mit engagierten Eltern möglich

Solche Aufträge sind etwa die Reinigung der Trainingswohnung in der KGHS. Des Weiteren ist Pfiffikus zuständig dafür, dass die Geschirrtücher, die Handtücher und die Tischdecken im Landratsamt und seinen Außenstellen immer sauber sind. Auch für die Reinigung der Dienstkleider der Mitarbeiter des Veterinäramtes und der Straßenmeistereien zeichnet die Firma verantwortlich. Zudem bekommt die Firma als Arbeitgeber, wie andere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch, Lohnkostenzuschüsse für ihre wesentlich behinderten Mitarbeiter. Pfiffikus wird auch vom EU-Sozialfonds gefördert.

„Dieser Erfolg ist auch nur mit interessierten Eltern, die sich eingebracht haben, möglich gewesen“, weiß Timur Erdem, der seinerzeit als Junglehrer bei Pfiffikus eingestiegen ist. „Die Krönung unseres Wirkens und unserer Anstrengungen ist, wenn ein junger Mensch einen Platz im allgemeinen Arbeitsmarkt findet“, sagt er nun als Leiter der Schule.