Der weltweit erfolgreichste Youtuber heißt „MrBeast“, verbringt 100 Stunden in den Pyramiden von Gizeh und stellt die tödlichen Kinderspiele der erfolgreichen koreanischen Streamingserie Squid Games real nach – mit dem einzigen Unterschied, dass die Teilnehmer nicht umgebracht werden, wenn sie verlieren. Schrill, bunt und zweifellos höchst lukrativ ist die Welt des US-Unternehmers James Stephen „Jimmy“ Donaldson, der als „MrBeast“ auf dem Videoportal Youtube regelmäßig Millionen Nutzer für sich begeistert. 20 Jahre wird Youtube in diesen Tagen alt. Anlass genug, eine Bilanz zu ziehen.
Diese fällt naturgemäß ambivalent aus. Wie auch bei anderen digitalen Plattformen und sozialen Medien, die von der aktiven Teilnahme ihrer Nutzer leben, lassen sich an Youtube Wohl und Wehe der digitalen Revolution seit der Jahrtausendwende nachzeichnen. Auf der dunklen Seite stehen apokalyptische Reiter wie löcheriger Datenschutz, hemmungslose Kommerzialisierung, rudimentärer Jugendschutz und durch Algorithmen verstärkte Echokammern, die demokratiegefährdende Kräfte entwickeln . Alles, was rund um Facebook, Tiktok und Co. diskutiert wird, g ilt auch für Youtube.
Youtube kann sozial sein: Auf die Nutzer kommt es an
Andererseits verbessert Youtube den Alltag der Menschen. Das reicht von Anwendervideos zur winterfesten Autobereifung über Tipps für den richtigen Nudelteig mit der Küchenmaschine bis hin zu Ratgebern rund um die mentale Gesundheit. Als im Corona-Lockdown den Menschen zuhause die Zeit lang wurde, war Youtube eine niederschwellige Plattform, auf der zum Beispiel regionale Weinhändler ihre Kundschaft mit digitalen Weinproben unterhielten und so an sich banden. Musikgiganten wie die Toten Hosen veröffentlichten aktuelle Konzertmitschnitte – soziales Netzwerken in Reinkultur. Aber wie immer gilt bei technischen Plattformen wie Youtube: Ihre Wirkung hängt davon ab, wie die Menschen sie nutzen.
Youtube ist nach 20 Jahren ein tief verwurzeltes Massenmedium. Laut dem Portal Statista liegt Youtube als soziales Netzwerk weltweit mit 2,5 Milliarden Nutzern im Monat auf Platz zwei hinter Facebook (gut drei Milliarden Nutzer im Monat). Als Streamingportal schaffte es Youtube Premium im vergangenen Jahr in Deutschland auf Platz vier hinter den Platzhirschen Amazon Prime, Netflix und Disney Plus. Unter den Nutzern der Generation Z, also den 14- bis 27-Jährigen, hat Youtube in Deutschland einen Anteil von 77 Prozent.
Jüngste Umbrüche lassen die Alarmglocken schrillen
Diese Massenwirkung zieht Verantwortung nach sich, sowohl für die Unternehmen – im Falle von Youtube ist dies Google – als auch für die Politik. Wie es um die Moral von kapitalismusgetriebenen US-Unternehmern steht, lässt sich indes an Elon Musk, dem Besitzer des Kurznachrichtendienstes X, sowie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beobachten. Musk ist auf dem Gaul einer vermeintlichen Meinungsfreiheit, die sich aber nur aus Populismus und Faktenarmut speist, bis ins Weiße Haus geritten, wo er nun in alle Richtungen auskeilt. Und Zuckerberg drehte nach Trumps Wahlsieg sein Fähnchen in den reaktionären Wind und faselt neuerdings von maskuliner Energie in Unternehmen.
Signale wie diese lassen den Ruf nach einer gesellschaftlichen und politischen Kontrolle der sozialen Netzwerke wieder laut werden. Doch der Grat zwischen Kontrolle und Bevormundung ist schmal. Gleichwohl darf eine demokratisch verfasste Zivilgesellschaft den Plattformbetreibern nicht einfach das Feld überlassen. Sie muss sich um aufgeklärte Bürgerinnen und Bürgern bemühen. Das ernüchternde Fazit der aktuellen politischen Umbrüche vor allem in den USA lautet aber: Das geht nur so lange, wie die Politik dafür den Rahmen schafft und zulässt.