Am 20. November wird das Stahlunternehmen Thyssen-Krupp 200 Jahre alt. Krupp war früher der umsatzstärkste Industriekonzern im Land.  

Essen - Gegründet hat es Friedrich Krupp, der Spross einer reichen Essener Kaufmannsfamilie. Er brachte damit sein Erbe durch und hinterließ seiner Witwe und ihren vier Kindern, als er mit nur 39 Jahren starb, Schulden und eine Fabrik für Gussstahl, die kaum noch etwas produzierte. Mit Hilfe der Frauen in der Familie wurde das Unternehmen über die wechselhaften Zeiten gerettet.

 

Angefangen hat es mit der Großmutter von Friedrich, Helene Amalie Krupp. Sie war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die mit dem Gewinn aus einem Kolonialwarenhandel ihr Vermögen vermehrte. Unter anderem ersteigerte sie damit die Eisenhütte "Gute Hoffnung" in Sterkrade bei Oberhausen, die sie Friedrich als Verlobungsgeschenk und vorzeitiges Erbe überließ. Da war er noch keine 20 Jahre alt. Als sein Vater starb, war er sieben.

Mit 14 verließ er die Schule, um bei der Großmutter Kaufmann zu lernen, interessierte sich aber mehr für die Hütte als für den Laden am Flachsmarkt, im Zentrum Essens. Friedrich habe das Selbstbewusstsein des reichen Bürgersohnes und frühe Entschlusskraft besessen, schreibt der Krupp-Biograf Wilhelm Berdrow, aber eine Abneigung gehabt, sich von anderen beraten zu lassen. So entließ er den erfahrenen Hüttenfaktor, der heute wohl Betriebsleiter hieße.

Das trug dazu bei, dass die Geschäfte schlecht gingen und die Großmutter ihm die Hütte wieder wegnahm und an die Herren Jacobi, Huyssen und Haniel verkaufte. Daraus entstand 1810 der Vorläufer der Gute-Hoffnungs-Hütte (GHH). Friedrich Krupp aber war zum ersten Mal gescheitert.

Krupp setzte auf die falschen Partner

Nach dem Tod der Großmutter erbte er das Vermögen für einen zweiten Anfang als Industrieller. Am 20. November 1811 schloss er mit den Brüdern Georg und Wilhelm von Kechel aus Ansbach den Vertrag zur Gründung einer Fabrik. Dieses Datum gilt heute als die Gründung des Krupp-Konzerns. Die Partner wollten Gussstahl erzeugen, der so gut war wie der englische. Das Rheinland war zu der Zeit von Napoleon I. besetzt, der die Kontinentalsperre verhängt und den Handel mit England unterbunden hatte.

Um trotzdem zu gutem Stahl zu kommen, hatte Napoleon für die Herstellung von Gussstahl einen Preis von 4000 Franken ausgesetzt. Friedrich investierte ein Mehrfaches dieser Summe in seine erste Fabrik mit Schmelzofen und Schmiedehammer, die nach heutigen Maßstäben nicht mehr als ein Handwerksbetrieb war. Er kaufte Rohmaterial, ließ Preislisten drucken und plante Lieferungen in alle deutschen Fürstentümer, nach Frankreich, Holland und in die Schweiz. Die Herren von Kechel, zwei pensionierte Offiziere, konnten aber keinen Stahl in hinreichender Menge und Qualität herstellen.

Friedrich hatte die falschen Partner ausgewählt, trennte sich 1814 von ihnen und tat 1815 erneut einen Missgriff. Friedrich Nicolai, ein ehemaliger Rittmeister der Husaren, bewegte ihn mit einem preußischen Patent für die Herstellung von Gussstahl zu einer neuen Partnerschaft, die wenig später scheiterte, weil auch Nicolai mehr versprochen hatte, als er halten konnte.

Die Krankheit war der Beginn der Verschuldung

Krupp gelang es danach aber selbst, brauchbaren Stahl herzustellen, allerdings nicht mit gleichbleibender Güte. Er bot verschiedene Werkzeuge sowie Stempel und Walzen für die Münzherstellung an und baute, zum Teil mit dem Geld, das seine Mutter geerbt hatte, eine zweite Fabrik. Als Stadtrat von Essen kümmerte er sich zeitweise aber mehr um die Einquartierung französischer Soldaten als um sein Unternehmen.

Krankheit warf ihn zurück. Sein Geburtshaus am Flachsmarkt musste verkauft werden, und Krupp zog mit seiner Familie in das kleine Haus, das er eigentlich für den Aufseher seiner neuen Fabrik hatte bauen lassen. Später wurde der ärmliche Kotten zum "Stammhaus" des Konzerns erklärt. Dort starb Friedrich, verarmt und überschuldet, im Oktober 1826.

Patrizier von Essen

Wenn er kein Krupp gewesen wäre und vormals nicht zu den angesehenen Patriziern von Essen gehört hätte, wäre die Geschichte des Unternehmens mit dem traurigen Ausflug des Kaufmanns Friedrich in die Stahlindustrie nach 15 Jahren wohl beendet gewesen, vermutet der Autor Bernt Engelmann. So aber schrieb seine Witwe Therese, unterstützt von ihren Schwägern, an die Kunden, mit dem Hinscheiden ihres Gatten sei das Geheimnis der Gussstahlherstellung nicht verloren gegangen.

Es sei vielmehr auf den ältesten Sohn übergegangen, der der Fabrik unter Leitung des Vaters schon einige Zeit vorgestanden habe. Mit ihm wolle sie das Geschäft fortsetzen. Dieser Sohn war Alfred, der spätere "Kanonenkönig". Dass der Junior erst 14 Jahre alt war und die verbliebenen sieben Arbeiter nur gelegentlich beschäftigen konnte, schrieb die Witwe wohlweislich nicht.

Besteck, nahtlose Radreifen und Kanonen brachten den Aufschwung

Alfred musste 22 Jahre als Angestellter seiner Mutter arbeiten. Erst 1848, mit 36 Jahren, wurde er Alleininhaber des Unternehmens. Da hatte die Gussstahlfabrik 70 Arbeiter, die Löffelwalzen, Maschinenteile und Stahlfedern herstellten. Es gab wenig Aufträge und nicht genügend Betriebskapital. Er habe "ein Wrack" übernommen, klagte Alfred. In Deutschland brach die Revolution aus. Alfred verbot seinen Arbeitern, daran teilzunehmen.

Ein Auftrag aus Russland für die Ausrüstung einer Besteckfabrik hielt Krupp über Wasser. Die Eisenbahn brachte Aufträge für Achsen und Federn, und die Erfindung des nahtlosen Radreifens belebte das Geschäft. Drei davon wurden später, ineinander verschlungen, zum Firmenzeichen. Um die Qualität seines Stahls zu demonstrieren und neue Märkte zu erschließen, hatte Alfred damit begonnen, Gewehrläufe zu schmieden und Geschützrohre herzustellen.

1851 schickte er eine Kanone zur Weltausstellung nach London und schenkte sie danach dem König von Preußen. Dessen Bruder, der die deutsche Revolution niedergeschlagen hatte und später Kaiser Wilhelm I. wurde, bewunderte sie, wollte den Erbauer kennenlernen, besuchte die Krupp'sche Fabrik, erklärte sie zur "vaterländischen Anstalt" und bestellte, als er seinen kranken Bruder als Regent abgelöst hatte, 300 Kanonen bei Krupp. Das waren viermal so viele, wie seine Generäle vorgeschlagen hatten.

Krupp fiel erneut in die Hand der Frauen

Der Auftrag ging am 10. Mai 1859 in Essen ein. Das sei der Geburtstag der Firma Krupp als Geschützfabrik gewesen, schreibt Berdrow. Als Alfred 1887 starb und sein einziger Sohn Friedrich Alfred das Unternehmen übernahm, beschäftigte es rund 20.000 Mitarbeiter. Unter Fritz, wie der Sohn genannt wurde, kaufte Krupp die Konkurrenzfirma Gruson in Magdeburg auf, erwarb die Germaniawerft in Kiel und baute dort Kriegsschiffe, schloss sich dem internationalen Kartell an, das die Hersteller von Panzerplatten gegründet hatten, und baute das Hüttenwerk Rheinhausen.

1902 berichtete das SPD-Parteiorgan "Vorwärts" über angebliche homosexuelle Neigungen des Unternehmers. Eine Woche nach dem Bericht war er tot. Über die Umstände gibt es abweichende Berichte. Zur Beerdigung kam auch Wilhelm II., der Enkel von Alfreds Gönner, und sagte, er wolle den Schild des Deutschen Kaisers über das Haus und das Andenken des Verstorbenen halten.

Wieder übernahmen Frauen das Unternehmen. Bertha, die älteste der beiden Töchter, erbte die Firma. Bis sie volljährig war, wurde sie von Mutter Margarethe vertreten. 1906 heiratete Bertha den Diplomaten Gustav von Bohlen und Halbach, der sich danach Krupp nennen durfte. Der Kaiser, der das Paar zu Hochzeit beehrt hatte, gestattete es ihm. Gustav wurde Vorsitzender des Aufsichtsrates, Bertha blieb die Inhaberin. Von ihren acht Kindern wurde Alfried 1943 Alleininhaber, mitten im Zweiten Weltkrieg. Das Unternehmen war seit 1939 Wehrmachtsbetrieb und auf Kriegsproduktion umgestellt worden.

Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung erbt Krupp's Vermögen

Nach dem Krieg verurteilten die Sieger Alfried zu zwölf Jahren Haft, weil er Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zur Arbeit in seinen Betrieben gezwungen und Wirtschaftsgüter im besetzten Ausland "geplündert" hatte. Vom Vorwurf, einen Angriffskrieg vorbereitet zu haben, wurde er freigesprochen. Der Hohe Kommissar John McCloy begnadigte ihn nach 30 Monaten. Sein Vermögen erhielt Alfried unter der Auflage zurück, das Unternehmen zu entflechten.

Mit Hilfe von Berthold Beitz, den er 1953 zum Generalbevollmächtigten machte, konnte er das verzögern und weitgehend verhindern. Beitz überzeugte Alfrieds Sohn Arndt, gegen eine millionenschwere Abfindung auf sein Milliardenerbe zu verzichten. Nachdem Alfried kurz vor seinem 60. Geburtstag gestorben war, ging das Vermögen der Firma an die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung über. Die Auflage zur Entflechtung wurde aufgehoben. Heute ist die Stiftung der größte Einzelaktionär des 1999 fusionierten Konzerns Thyssen-Krupp, der weltweit 177.000 Mitarbeiter beschäftigt.