Groß gefeiert wird der 200. Geburtstag von Christian Friedrich Hermann, Adlerwirt und Pionier der Landwirtschaft: mit allen Facetten seines Schaffens – von der Viehhaltung bis zum Weinbau.
Auf einem Hügel oberhalb der Ortsmitte platziert, überragt die Pfarrkirche St. Hippolyt den Besigheimer Stadtteil Ottmarsheim auf sehr spezielle Weise. Zum Staunen ist auch der Innenraum, der in singulärer Weise den spätgotischen Chor mit astreinem Rokoko des Kirchenschiffs verbindet, was den Blick zur Orgelempore lenkt, die ein kleines, feines Instrument mit ebenso feinem Orgelprospekt fast ein wenig verbirgt: das Werk Nr. 54 aus der berühmten Ludwigsburger Orgelbau-Werkstatt E. F. Walcker.
Erst recht die Augen reiben dürften sich Erstbesucher des Kirchfriedhofes, wo ein Grabmal ebenfalls alles überragt: die Grabstätte von „Adlerwirt“ Christian Friedrich Hermann, am 16. Januar 1825 „morgens um 5 Uhr“ in Ottmarsheim zur Welt gekommen, dort verstorben am 6. April 1891. Das Grabmal gleicht einem kapitalen Denkmal in antiker Form, mit zwei dorischen Säulen und Querfries rund vier Meter aufragend. Es ist das Familiengrab Hermann, in dem auch Jakobine Hermann ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, die 1915 im Alter von 84 Jahren verstorbene Ehefrau des Adlerwirts. Nebst zwei Verwandten sind hier auch die Gebeine der Eltern von Christian Friedrich begraben, deren Grabtafeln aber zerfallen sind.
Dieses Grab-Denkmal gibt eine Ahnung von der Bedeutung des einstigen Adlerwirts, der ein weithin bekannter Pionier der Landwirtschaft war und an dessen 200. Geburtstag nun groß erinnert wird. Handfest wird diese Ahnung aber nur noch an einem Punkt in Ottmarsheim: am Adler-Gebäude selbst – und dies auch nur vorübergehend. Es ist schon ein Glücksfall, dass dieses nahe unterhalb der Kirche befindliche Gebäude, das in seinem Ost-Giebel Elemente aus dem 17. Jahrhundert enthält, nach einem halben Jahrhundert Leerstand nicht niedergegangen ist – und auch im Jahr 1996 beim Brand des nahestehenden Ökonomiegebäudes unversehrt blieb.
Stadtführerin forscht ausführlich zu Hermann
Hinzu kommt, dass ein Einheimischer das unter Denkmalschutz stehende Haus erworben hat und wieder bewohnbar machen will. Zwecks Gebäudeanalyse wurde nun auf der Ostseite der Putz abgehauen – und dabei kam zum Vorschein, was von der Tatkraft, wenn nicht Kühnheit des C. F. Hermann kündet: Als er das Haus Mitte des 19. Jahrhunderts überschrieben bekam, hat er es „gründlich auf Vordermann gebracht“, wie Katrin Held sagt. Die preisgekrönte Stadtführerin forscht zu „C. F.“, wie sie ihn nennt, und das Material wächst sich so langsam auf Buchgröße aus. Held weiß nun, wie C. F. in den reinen Fachwerkbau eingegriffen hat: Er hat die Holzständerkonstruktion des Erdgeschosses durch ein Mauerwerk aus Quaderstein ersetzt. Allein, dass C. F. ein solches Vorhaben für technisch realisierbar hielt, spricht Bände. Erst recht, dass er das dann ins Werk setzt.
Für Viehhaltung und Weinbau Neues entwickelt
Ähnlich scheint er auch alles Sonstige in seinem Leben angepackt zu haben. Dort, wo die abgebrannte Scheune stand, hielt C. F. das Vieh in einem Laufstall! Völlig atypisch für die Zeit. Ihm war sowohl am Tierwohl gelegen, wie man heute sagen würde, wie auch an effizienter Bewirtschaftung, wofür er Innovationen für Fütterung und Tränke einführte. Als er beim Getreideanbau von Dinkel auf ertragreicheren Weizen umstellen wollte, ging das zunächst schief, wie Held weiß: „Er hat sich Saatgut von der landwirtschaftlichen Schule in Hohenheim besorgt, mit der er eine enge Zusammenarbeit pflegte, und probierte es noch einmal. Er publiziert das Ergebnis, analysiert die Fehler und beschreibt, wie es richtig zu machen ist, einschließlich des effektiven Einsatzes von Unkrautbekämpfungsmitteln“, erzählt Held. Und noch etwas sei wichtig: „Er ermutigt die Leute, es selbst auch nochmals zu versuchen.“
Dass Hermann sein Wissen offen teilt, etwa übers Landwirtschaftliche Wochenblatt oder Betriebsführungen, sei typisch für ihn. Von seiner Obstplantage etwa verschickte er Edelreiser, mit der Nutzung für vorteilhafte Drahtanlagen im Weinbau war er Avantgarde und verfertigte dazu präzise Beschreibungen. Mit einem eigenen Rotwein wagte er sich 1867 auf die Messe nach Paris – und gewann prompt eine goldene Preismünze. Sein musterhafter Betrieb wurde „Klein Hohenheim“ genannt: von der Keimzelle der heutigen Universität ein Ritterschlag erster Güte.
Mit seinem „breit aufgestellten landwirtschaftlichen Betrieb“ betreibt er auch Hopfenbau en gros, war zudem Imker und Jagdpächter. Für das von seiner Frau Jakobine vorzüglich zubereitete Wildbret war die Wirtschaft bekannt: „Beide waren ungeheuer tüchtig, das Denkmal auf dem Friedhof gilt beiden“, stellt Held fest. Dass ein Netzwerk aus privaten Akteuren mehrere Events zum Geburtstag von „C. F.“ stemmt, bei dem fast alle Facetten „unseres Stars“ zum Tragen kommen, bringt Held so auf den Punkt: „Der Geist von Christian Friedrich Hermann lebt, und er schwebt über dieser Gemeinde.“