Viele Mitarbeiter von ATB Welzheim sind am Dienstag auf die Straße gegangen. Sie fordern den Erhalt ihrer bedrohten Arbeitsplätze.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Welzheim - Rote Fahnen wehen unter dem grauen Himmel, während sich vor dem Welzheimer Werk des Industriemotorenherstellers ATB ein Demonstrationszug sammelt. Manche Gesichter in der Runde sind bedrückt, andere grimmig entschlossen: Es geht um 200 der 280 Jobs bei ATB in Welzheim. Diese würden wegfallen, wenn die Produktion nach China verlagert wird, wie es die Konzernleitung wünscht.

 

„Zur Standortsicherung habe ich jeden Monat auf gut 60 Euro verzichtet“, erzählt ein Elektriker, der seit mehr als 40 Jahren bei ATB arbeitet. Genutzt habe dies offenbar kaum etwas. Mehr als die Hälfte der ATB-Belegschaft ist älter als 50 Jahre, entsprechend groß ist die Angst, in der Arbeitslosigkeit zu landen. Mit Trillerpfeifen und selbstgemachten Plakaten machen die Beschäftigten ihrem Ärger Luft: „Melkkuh des ATB-Konzerns“ steht auf einem Transparent, „Der Fisch stinkt vom Kopf“ auf einem anderen.

Nicht nur Mitarbeiter des Motorenbauers laufen mit, auch Beschäftigte anderer Metallbetriebe aus der Region zeigen sich solidarisch. Der jüngste Demonstrationsteilnehmer heißt Alina, ist gerade einmal drei Monate alt und verschläft im Kinderwagen großteils, wie der Papa für seine ehemaligen Kollegen auf die Straße geht.

Rückendeckung vom Welzheimer Bürgermeister

Am Dienstag, direkt nach der Demonstration, war eigentlich ein Termin vor dem Arbeitsgericht anberaumt. Der ist auf den 9. Juni verschoben worden – „weil der Arbeitgeber wusste, dass er eine Niederlage erleiden wird“, glaubt Christian Friedrich, Gewerkschaftssekretär der IG Metall. Er marschiert in der ersten Reihe mit, als sich der Demozug im Dieselduft eines alten Traktors zum Rathaus in Bewegung setzt. Dort erhalten die Metaller Unterstützung vom Welzheimer Bürgermeister Thomas Bernlöhr. Der Rathauschef erinnert daran, dass im Welzheimer Stammsitz von ATB einst zehnmal so viele Menschen arbeiteten und kritisiert die Konzernführung: Diese habe noch vor wenigen Jahren versichert, hinter dem Standort zu stehen. Investitionen seien jedoch ausgeblieben: „Erklärt wurde immer nur, warum etwas in Welzheim nicht möglich sei.“

Betriebsrat arbeitet an Zukunftskonzept

Laut den Plänen, die die Konzernleitung Mitte April vorgestellt hatte, soll die Produktion aus Welzheim teilweise nach China verlegt werden; Entwicklung und Vertrieb könnten mit rund 60 Arbeitsplätzen in Welzheim bleiben. Vom ATB-Vorstand ist am Dienstag keine Stellungnahme zu bekommen: Der Geschäftsführer in Welzheim darf nicht mit der Presse reden, in der Wiener Zentrale ist niemand erreichbar.

Der Welzheimer Betriebsratsvorsitzende Marco Hogh lässt kein gutes Haar an dem Sparprogramm: „Es beinhaltet die wirtschaftliche Selbstzerstörung“, ruft er ins Mikrofon. Die Verlegung der Produktion würde Monate dauern – und ATB sei in dieser Zeit nicht lieferfähig. Dass es angesichts der Schräglage des ganzen Konzerns nicht weitergehen kann wie bisher, räumt Hogh ein: „Natürlich werden wir Federn lassen müssen.“ Der Betriebsrat arbeitet derzeit an einem Konzept, das den sozial verträglichen Abbau von 50 Jobs und die Verbesserung von Unternehmensstruktur und Arbeitsabläufen vorsieht. Sobald die Vertrauensleute zugestimmt haben, soll es der Belegschaft vorgestellt werden.