Nein, Luxus ist das wahrlich nicht. „Die Schönheit liegt hier im Detail“, schwärmt Landschaftsarchitekt Daniel Christian Lindemann von dieser kleinen Holzhütte, die rundherum kunstvoll mit Kupferschindeln verkleidet ist. „So schön kann ein Zweckbau eben auch aussehen“, begründet der Jury-Vorsitzende, warum die Architektenkammer Baden-Württemberg den Kiosk an der Burg Hohenneuffen im Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen“ ausgezeichnet hat. „Das Objekt zeigt, dass selbst scheinbar banale Bauten wie ein Kiosk zu einem Blickfang werden können, wenn sie hinreichend mit Liebe gestaltet werden.“
Genau darum geht es in diesem gemeinsam mit dem Landkreis Esslingen initiierten Wettbewerb, erklärt Carmen Munzdorff, die Geschäftsführerin der Architektenkammer des Landes: „Wir wollen Gebäude in den Fokus rücken, die beispielgebend für die Architektur und Stadtgestaltung in unserem Alltag sind, die Positives für das Wohlbefinden und das Zusammenleben von Menschen leisten.“ Die Baukultur erschöpfe sich nämlich nicht in spektakulären Großbauten, betont sie. Gute Architektur habe auch nicht mit mehr Geld zu tun. Sondern mit „einem Mehr an geistigem Aufwand“ und dem Engagement aller Beteiligten.
Alle sechs Jahre begeben sich die fachkundigen Experten im Kreis Esslingen auf die Suche nach gut gestalteter Architektur, die das Prädikat „beispielhaft“ verdient. Daran herrscht hierzulande offenkundig kein Mangel: Zur aktuellen Wettbewerbsrunde, die Neubauten und Sanierungen berücksichtigt, die zwischen den Jahren 2018 und 2024 fertiggestellt wurden, wurden 96 Arbeiten eingereicht – im vorangegangenen Verfahren waren es noch 88. Dabei sind Gebäude von privaten Bauherren, Gewerbetreibenden und der öffentlichen Hand. Insgesamt war das Preisgericht vom hohen Niveau der Arbeiten beeindruckt, betont Lindemann.
Die sieben Juroren fuhren Anfang Juli zwei Tage lang durch den gesamten Kreis, um 34 vorausgewählte Bauten in Augenschein zu nehmen. Dabei ging es ihnen nicht nur darum, die architektonische Schönheit innen und außen zu bewerten, sondern genauso die Nachhaltigkeit des Gebäudes und seinen Bezug zur Umwelt. „Die Objekte müssen nicht nur gut sein, sondern besser als andere“, kennzeichnet Lindemann das Verfahren, an dessen Ende 22 Arbeiten als „rundum beispielhaft“ eingestuft wurden.
Beispielhaft in Umgebung eingefügt
Nicht selten seien sie überrascht gewesen von den Objekten, berichtet der Jury-Vorsitzende. So hätten die Brauereihalle in Kirchheim und das Firmengebäude der Chemoform AG in Wendlingen mit einer ansprechenden Architektur gepunktet, die das Miteinander fördere. Ausdrücklich gelobt wird der Mut der evangelischen Kirchengemeinde Musberg, das marode Pfarrhaus im Ortskern doch nicht abzureißen, sondern es zu sanieren und vielfältig zu nutzen. Laut Lindemann ist das „ein wahrhaft beispielhafter Umgang mit dem Gebäudebestand“. Auch das quasi im Boden eingegrabene Heidengrabenzentrum in Erkenbrechtsweiler gehe „gleichermaßen kraft- und rücksichtsvoll“ auf das historische Umfeld ein.
Das Haus Liselotte der Gradmann-Stiftung in Ostfildern-Ruit beeindruckt die Jury insbesondere durch das soziale Engagement der Bauherren: In dem markanten hellen Eckgebäude werden elf Wohnungen für Pflegekräfte zu subventionierten Konditionen angeboten. Ebenso ist das Johannesforum in Wendlingen aus Sicht der Experten ein besonderes Gebäude: „Das Konzept aus Gemeindezentrum und Wohnprojekt ist beispielgebend für gelebte Inklusion“, erläutert Lindemann.
Erfreulich ist aus Sicht der Architektenkammer, dass immer mehr Kommunen bei ihren Bauprojekten hohe Ansprüche umsetzen. Beleg dafür sind Weilheim mit der Natur-Kita in Hepsisau, Ostfildern mit der Sporthalle 1 in Nellingen, Neuhausen mit der Anton-Walter-Schule und Leinfelden-Echterdingen mit dem Feuerwehrhaus im Stadtteil Stetten. Die Stadt Nürtingen kann sich gleich über drei Preise freuen: für das Hölderlinhaus, das Hölderlin-Gymnasium und den Schillerplatz.
„Qualitätvolles Bauen ist wichtig, da die Gebäude für mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte errichtet werden“, unterstreicht Marion Leuze-Mohr, die Erste Landesbeamtin beim Landratsamt Esslingen. „Sie tragen zu einem positiven Erscheinungsbild unserer Städte und Gemeinden bei.“ Dieser Wettbewerb solle daher „Ansporn sein für all diejenigen, die in künftigen Jahren Gebäude planen“.
Zahl der Baugenehmigungen rückläufig
Die aktuelle Situation verfolgt sie indes mit Sorge. „Derzeit hat es die Baubranche nicht leicht. Die ungünstige Gemengelage aus hohen Zinsen, gestiegenen Baukosten und der in allen Branchen spürbare Fachkräftemangel sorgen für eine gewisse Zurückhaltung beim Bauen.“ In guten Zeiten habe das Esslinger Landratsamt um die 1000 Baugenehmigungen pro Jahr erteilt, jetzt seien es etwa 650.
Wohngebäude, insbesondere Einfamilienhäuser, seien in diesem Wettbewerb recht spärlich vertreten, bestätigt Lindemann. Fünf von 29 eingereichten Arbeiten erhielten eine Auszeichnung. Darunter sind zwei markante Mehrfamilienhäuser im Kirchheimer Steingauquartier sowie die „Häuser im Park“ in Ostfildern-Scharnhausen. Zwei Einfamilienhäuser in Esslingen und Aichtal-Neuenhaus stehen als Beispiele dafür, wie Bauen im Bestand trotz schwieriger Rahmenbedingungen gelingen kann.
Beispielhaftes Bauen im Landkreis Esslingen
Wettbewerb
Um das Bewusstsein für die Baukultur im Alltag zu schärfen, lobt die Architektenkammer Baden-Württemberg seit über 40 Jahren landesweit den Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen“ aus. Das erste Verfahren fand im Kreis Reutlingen unter dem Titel „Vorbildliches Bauen“ statt. In der Regel werden von einer Jury alle sechs Jahre innovative Architektur- und Stadtplanungsprojekte prämiert. Im Landkreis Esslingen gab es bislang vier Auszeichnungsrunden, alle unter der Schirmherrschaft von Landrat Heinz Eininger.
Preisverleihung
Die 22 Auszeichnungen verteilen sich auf Esslingen, Plochingen, Aichtal-Neuenhaus, Leinfelden-Echterdingen, Ostfildern, Neuhausen, Neuffen, Kirchheim, Nürtingen, Weilheim, Wendlingen und Erkenbrechtsweiler. Am 12. November werden die Urkunden und Bronzeplaketten feierlich an die siegreichen Bauherren und Planer überreicht. Die Wanderausstellung zum Wettbewerb wird an verschiedenen Orten im Kreis Station machen. Zudem werden die prämierten Arbeiten in einer Broschüre sowie im Internet der Öffentlichkeit vorgestellt.