Die Wirren der Pubertät, die Faszination Fußball, die Brutalitäten der Drogenkartelle: thematisch hat das Filmfestival Cinelatino viel zu bieten. Vom 13. April an zeigt es in Tübingen und Freiburg Neues aus Spanien und Südamerika, am 14. April startet es auch im Stuttgarter Kino Delphi.

Stuttgart - Ranglisten sind bei Touristik-Managern beliebt: mögliche Reiseziele können dank Charts ihre Vorzüge beweisen. Lateinamerikas Städte aber belegen auf einer Liste Spitzenpositionen, auf der sie viel weiter unten auftauchen möchten: auf der Liste der gefährlichsten Orte der Welt. Anhand der Mordraten hat eine mexikanische Menschenrechtsorganisation das Ranking gerade mal wieder aktualisiert: von den 50 gefährlichsten Städten überhaupt liegen demnach 41 in Lateinamerika.

 

Dass Mexiko mit fünf Orten auf der Liste des Schreckens eher unterrepräsentiert ist, gilt vielen Experten als ausgemacht. Mexikos Drogenkartelle lassen im Kampf gegen die Regierung und gegeneinander zahlreiche Menschen spurlos verschwinden. Diese Fälle fließen nicht in die Mordstatistik ein.

Mexiko ist dieses Jahr Schwerpunktland des 23. Filmfestivals Cinelatino, das in Tübingen und Freiburg am Mittwoch, in Stuttgart im Kino Delphi am Donnerstag startet. Bis 20. April präsentiert es Neues aus Lateinamerika, Spanien und Brasilien. In vielen, aber längst nicht allen der 31 Lang- und 18 Kurzfilme geht es um die Folgen von Gewalt, Terror und Bürgerkrieg. Dass das Schwerpunktland Mexiko nicht eine filmische Kampfansage an die Kartelle nach der anderen liefert, sollte niemanden verwundern. Die Drogenmafia bedroht jeden mit dem Tode, der ihr hinderlich wird, ob Politiker, Polizist, Bauer oder Künstler.

Um so erstaunlicher, dass Ricardo Silvas „Navajazzo – Messerstich“, der allerdings nur in Tübingen (15. April) und Freiburg (16. April) zu sehen sein wird, offen zeigt, wie kaputt der Grenzort Tijuana ist und was das Leben der Menschen dort so schwer macht: das Treiben der Kartelle. Am anderen Ende der Horrorskala liegt gewiss Fernando Eimbckes mexikanisch-französische Co-Produktion „Club Sándwich“ (in Stuttgart am 16. April um 20.30 Uhr), eine auf Festivals von der internationalen Kritik sehr gelobte Pubertätsgeschichte. Der Regisseur wird zum Publikumsgespräch anwesend sein.

Der 15-jährige Héctor macht hier mit seiner Mutter außerhalb der Saison Urlaub in einem fast leer stehenden Hotel. Die wenigen weiteren Gäste aber genügen, um die bisher harmonische Mutter-Sohn-Beziehung aufzumischen. Zu einer anderen urlaubenden Familie gehört die Tochter Jazmin, deren Wirkung auf Héctor nicht lange auf sich warten lässt.

Eröffnet wird der Stuttgarter Arm des Festivals am Donnerstag um 20 Uhr mit Ciro Guerras „El Abrazo de la Serpiente – Der Schamane und die Schlange“ aus Kolumbien, der es dieses Jahr in die Endrunde der Konkurrenz um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film geschafft hatte. Erzählt wird in markanten Schwarzweißbildern die Geschichte des Medizinmannes Karamakate, der zugleich letzter Überlebendes seines Stammes der Amazonas-Indianer ist. Zusammen mit zwei weißen Wissenschaftlern sucht der Geistergläubige eine heilige Pflanze, der in den Legenden seines Volkes enorme Heilkraft zugesprochen wird.

Schon vor diesem offiziellen Auftaktfilm aber gibt es Programm zu sehen. Los geht es am Donnerstag um 16 Uhr mit dem spanisch-brasilianischen Spielfilm „O Futebol“ über einen Vater und seinen Sohn, die sich nach zwei Jahrzehnten erstmals bei einer Fußball-WM wiedersehen und nun entscheiden müssen, ob sie einander wieder näher kommen möchten.

Man kann das auch als frühe Einstimmung auf den Themennachmittag „Fußball-WM und Olympische Spiele in Brasilien“ sehen. Der soll mit dem Dokumentarfilm „The Fighter – The Dark Side of Rio Olympic Games 2016“ sowie zwei Kurzfilmen den Auswirkungen von großen Sportereignissen auf Kinder- und Menschenrechte in Brasilien nachspüren. Die Einführung ins Thema hält Jens Kunischewski, Lateinamerika-Referent bei Terre des Hommes Deutschland.

Das Festivalprogramm im Netz unter www.filmtage-tuebingen.de