24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir, wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 9 und 10 Uhr gibt der britische Erfolgsregisseur Marc Munden den Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg Tipps.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Ludwigsburg - Es ist 9 Uhr an einem schmuddeligen Morgen im inoffiziellen Akademie-Café in Ludwigsburg: Im Bubbles ist gut was los. Die Kunden bestellen Kaffee in den verschiedensten Varianten. Michael Rösel, Dozent der Filmakademie Baden-Württemberg, und der britische Erfolgsregisseur Marc Munden haben eben an einem Tisch ganz hinten im Raum Platz genommen. Bei einem Milchkaffee und einem Stück Trockenkuchen besprechen die beiden Männer den anstehenden Tag. Im Bubbles, sagt Rösel, fänden oft Kreativgespräche statt. Das Café sei „ein Treffpunkt für Kreative, die in den Tag starten“. So auch an diesem Morgen.

 

Marc Munden, sagt Rösel, „hat meine persönlichen Kultserien“ gedreht: „Utopia“ und „National Treasure“. In einer halben Stunde beginnt nebenan, in einem Saal der Filmakademie Ludwigsburg, die Vorlesung – in Form zweier Filmvorführungen und eines Werkgesprächs. Der Gast aus Großbritannien erzählt zuvor im Café, dass er am Vortag aus London nach Stuttgart geflogen sei und dass er erstmals in Ludwigsburg an der Akademie vor Studenten auftrete. Er sei ständig unterwegs, erst kürzlich in Los Angeles gewesen, dann in Frankreich, nun also in Ludwigsburg.

Am Nebentisch sitzen zwei andere Kreative und häkeln

Die beiden Herren vom Film unterhalten sich über den britischen Markt, über Fernsehen in England ganz generell, über Humor und über dunkle Sequenzen im Film sowie über den US-amerikanischen Horrorklassiker „Rosemaries Baby“ von Roman Polanski. Am Nebentisch sitzen zwei andere Kreative: Die eine junge Frau zeigt ihrer Bekannten mit Wolle ein paar Häkelkniffe. Draußen vor der Tür laufen Passanten durch den Nieselregen zur Arbeit oder wohin auch immer.

Michael Rösel hat selbst an der Akademie studiert, Regie und Werbefilm – länger her, von 1998 bis 2003 war er schon mal Ludwigsburger. Seit ein paar Jahren ist er zurück in der Barockstadt. Und sehr zufrieden, mit der Stelle an der Hochschule und mit der Stadt ganz generell. Er hat den Studiengang, in dem es um Serienfilme geht, mit aufgebaut. Zudem dreht er regelmäßig selbst Filme: die Serie „Laible und Frisch“ zum Beispiel, die in dem fiktiven Dorf Schafferdingen am Rande der Schwäbischen Alb spielt.

Ludwigsburg, sagt der 45-Jährige auf Nachfrage, sei für ihn und seine fünfköpfige Familie ein nahezu idealer Wohnort. Ein Häuschen am Salonwald, alles zu Fuß zu erreichen. Dazu „großartige Restaurants“, was wolle man mehr, meint er.

Ein „schöner Kontrast“ zur Großstadt Berlin

Ein paar Minuten später im Vorlesungssaal: geschätzt zwei Dutzend Männer und Frauen warten darauf, den Regisseur aus London zu erleben, zu hören, welche Tipps und Kniffe er auf Lager hat. Die Studenten kommen aus ganz Deutschland nach Ludwigsburg, sogar aus der Filmmetropole Berlin.

Simon Grzesczak ist in der Bundeshauptstadt aufgewachsen und seit vier Jahren in Ludwigsburg. Er ist 28 Jahre alt, hat den Studiengang Produktion belegt und will demnächst seinen Abschluss machen. Sein Ziel, knapp formuliert: „TV-Serien entwickeln.“ Ludwigsburg, sagt er, sei ein „schöner Kontrast“ zur Großstadt Berlin. In Ludwigsburg könne er sich besser auf das Studium konzentrieren. Nach dem Abschluss wolle er aber zurück nach Berlin.

Raphaela Nitz, 31 Jahre, studiert Drehbuch und sagt, sie könne sich sehr gut vorstellen, in Ludwigsburg zu bleiben. „Die Stadt ist toll.“ Sie hat schon in einigen Großstädten gelebt, in München und in Berlin zum Beispiel, auch in den USA. Die Studentin „mag Orte, in denen alles mit dem Fahrrad zu erreichen ist“.

Und dann erzählt Marc Munden in der Akademie – zunächst von seinem eher ungewöhnlichen Weg zum Film. „Ich war nie an einer Filmschule“, sagt er, er habe Philosophie studiert. In den 80er Jahren hat er zunächst Kurzfilme gedreht, war Regieassistent, hat mit vielen unabhängigen Filmemachern gearbeitet.

Dokumentationen für die britische BBC

Die Studenten sitzen in der Vorlesung wie Schüler im Gymnasium. Marc Munden spricht über Improvisationsfilme ohne Skript, über Industriefilme, die er gemacht hat, über Dokumentationen für die britische BBC, etwa den Film über einen Pokerspieler im südenglischen Bournemouth. Jener Spieler habe viel Geld verdient, seine Frau habe die Kohle verprasst. Manche Szenen dieser Dokumentation seien ziemlich grotesk gewesen. Auch deshalb sei im Rückblick eigentlich klar, warum er bei Fictionfilmen gelandet sei.

Dann wird der Hörsaal zum Kino. Die Studenten, der Dozent Rösel und Marc Munden schauen die erste Folge von „Utopia“ an. In der Serie wird erzählt, wie ein Quintett in eine Obsession gerät, das Geheimnis des Utopia-Experiments zu lüften, das angeblich katastrophale Ereignisse voraussagen kann. Die Protagonisten geraten einer Geheimorganisation in die Quere. Mitunter fließt ordentlich Blut.

Während die Studenten im ersten Stock des Akademie-Hauptgebäudes Filme gucken und anschließend die Szenen sezieren und diskutieren, sitzen ein paar andere Filmemacher von morgen nebenan im Erdgeschoss im Blauen Engel. Manche lesen Zeitung, andere bereiten sich auf ihre Vorlesung am Nachmittag vor. Die Gaststätte Blauer Engel, hat Michael Rösel am Morgen beim Milchkaffee im Bubbles erzählt, ist der Treff der Ludwigsburger Akademie für die Mittagszeit. Noch so ein Ort für die Kreativen in der Stadt.