24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir, wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 11 und 12 Uhr haben ein paar Spaziergänger, Jogger und Hobbyfotografen die Zugwiesen ganz für sich allein.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Ludwigsburg - Während der Fahrt mit dem Auto von Ludwigsburg-Oßweil hinunter zu den Zugwiesen springen urplötzlich sieben Rehe über die Fahrbahn. Willkommen in der Naturidylle am Stadtrand im Neckartal. Auf der schmalen Straße hinunter zur Schleuse sollte man in jedem Fall möglichst langsam fahren und eventuell mal anhalten – nicht nur wegen der freilaufenden Tiere, die in dem kleinen Wäldchen gleich neben der Verbindungsstraße zum Otto-Konz-Weg leben. Auch wegen der grandiosen Sicht auf den Fluss und auf die Weinberge des Steilhangs am gegenüberliegenden Neckarufer.

 

Es ist 11 Uhr am Vormittag. Ein älteres Ehepaar führt einen Hund aus. Die beiden berichten, dass sie in Schlösslesfeld wohnen und oft hinunterfahren, um in den Zugwiesen spazieren zu gehen. Der späte Vormittag ist ein idealer Zeitpunkt für Menschen ohne arbeitstechnische Verpflichtungen. Man hat die Zugwiesen fast für sich allein. An den Nachmittagen sei speziell samstags und sonntags oft die Hölle los, erzählt ein anderer Ausflügler. Zwei Jogger rennen in Richtung Schießtal. Der kürzlich neu angelegte Wasserlauf neben dem Neckar sprudelt und rauscht. Wer hier für einen Moment die Augen schließt, der könnte sich wegdenken, zum Beispiel in die Berge zu einem Bach, der lautstark ins Tal fließt.

Der Wasserlauf neben dem Neckar sprudelt und rauscht

Tomas und Ina Sickel sind mit ihrer frisch geborenen Tochter Lotta unterwegs auf dem Uferweg. Die kleine Lotta liegt in ihrem Kinderwagen und schläft seelenruhig. Der Papa erzählt, dass die Strecke durch die Zugwiesen seine „Haus-Joggingrunde“ sei. Tomas und Ina Sickel haben länger in Kolumbien gelebt, vor rund sechs Jahren sind die beiden Lehrer nach Ludwigsburg gezogen. Die Entscheidung hätten sie nie bereut, im Gegenteil. Den beiden gefällt die Barockstadt prima, auch wegen des Kontrastprogramms zur Innenstadt unten am Neckar.

Der nächste Mann schlendert mit Hund vorbei. Dieter Schmidgall erzählt, dass er mit seinem Boncuk oft in den Zugwiesen laufe. Boncuk hat er aus einem Tierheim geholt, der Hund habe vorher in einer türkischen Familie gelebt. Boncuk sei türkisch und heiße „Perle“. Diesen tollen Namen könne er doch unmöglich ändern. Herr Schmidgall ist 72 Jahre alt, seit 14 Jahren Rentner und noch topfit. Vermutlich auch, weil er so oft lange Spaziergänge in den Zugwiesen unternimmt.

Wieder läuft ein Jogger vorbei. Was der Mann wohl von Beruf ist? Ob er arbeitslos ist? Oder Student? Jedenfalls hat er an diesem Vormittag Zeit. Fragen stellen ist unmöglich, der Sportler ist blitzschnell wieder verschwunden.

Hobbyfotografen auf der Pirsch

Dieter Schmidgall indes spaziert mit seinem Boncuk ganz gemütlich in Richtung Storchennest, so heißt der Aussichtsturm auf der Neckarinsel. Schmidgall sagt, er freue sich schon auf das Frühjahr, das sei in den Zugwiesen nämlich die schönste Jahreszeit, denn dann blühten überall Blumen. Manchmal zähle er die kleinen Enten, die immer ihrer Mutter folgten. Mitunter fehle eine. Nach seinen gut zweistündigen Ausflügen besucht er gerne eine der Gaststätten in der Nähe, meistens das Gig, das Genuss im Grünen im Otto-Konz-Weg, oder auch mal das Restaurant der Kleintierzüchter in Oßweil.

Am Neckarufer startet ein Fischreiher. Schmidgall schaut zu, dann deutet er in Richtung Poppenweiler: „Die Häuser da oben, eine tolle Lage.“ Die Bewohner schauen direkt hinunter auf das Neckartal und auf die Zugwiesen.

Auf der kleinen Brücke, die zur Neckarinsel führt, stehen Sabine Beyer und Hubert Jelic. Die beiden Hobbyfotografen haben sich bei der Pirsch in den Zugwiesen kennengelernt. Seither verabreden sie sich gelegentlich, so wie an diesem Tag. Besonderes Augenmerk legen die beiden Fotografen auf den Eisvogel. Der kleine Piepmatz ist scheu, schwer zu fotografieren. Deshalb kommen Beyer und Jelic nur her, wenn sich keine Menschenmassen zu Fuß, auf Fahrrädern oder auf Inlinern durch die Zugwiesen schieben.

Eine Kiesbank am Ufer für den Flussregenpfeifer

Hubert Jelic sagt, die Zugwiesen seien „ganz toll“. Was fehlt? „Eine Kiesbank am Ufer“, ist die schnelle Antwort des Naturschützers. Auf so einer Kiesbank, sagt Jelic, würde sich womöglich auch der Flussregenpfeifer ansiedeln. Diese Vogelart lebe auf Schlamm-, Sand- und auf Kiesflächen am Wasser. „Flussregenpfeifer brüten im Kies und sind so gut getarnt, dass man sie kaum sehen kann“, sagt der Fachmann.

Tomas und Ina Sickel sind immer noch unterwegs. Er hat jetzt auch eine Kamera mit Teleobjektiv in den Händen und versucht, einen Eisvogel zu fotografieren. Die kleine Lotta schäft selig. Demnächst wird der Papa vermutlich nicht mehr so viel Zeit haben, um sich der Idylle am Neckarufer oder dem Joggen zu widmen. Bald wird das Töchterchen auf den Wegen in den Zugwiesen herumspringen und seine Eltern ordentlich auf Trab halten.