24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 16 und 17 Uhr treffen sich Spaziergänger, Hundebesitzer, Jogger und Pendler im Salonwald.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Ludwigsburg - Die Sonne steht tief, die Bäume werfen lange Schatten. Vögel zwitschern, ein Hund bellt. Das Dröhnen der Autos auf den Hauptstraße ist indes nicht zu überhören, es stört ein wenig die Idylle im Salonwald.

 

Ein Winternachmittag im Forst. Gegen 16 Uhr, ein kurzer Schwatz mit einer Joggerin. Die Frau, Anfang 30, sagt, sie komme oft in das Wäldchen, das zu Zeiten des Herzogs Eberhard Ludwigs angelegt wurde, also vor rund 300 Jahren. Sie wohne ganz in der Nähe. Außer den Wegen in Salonwald gebe es in Ludwigsburg leider kaum andere schöne Joggingstrecken. Sagt’s und ist auch schon wieder weg.

Ein paar Schritte weiter, der nächste Passant. Er sei 59 Jahre alt und arbeite bei der Karlshöhe, sagt der Mann, der auf dem Fußweg ist von seinem Büro bei der diakonischen Einrichtung zum Bus. Der Salonwald habe zu jeder Jahreszeit seine Reize. Er komme regelmäßig auch während der Mittagspause her. Kürzlich hätten Waldarbeiter viele Bäume gefällt. Er habe die Männer beobachtet, wie sie dicke Stämme mit einem Häcksler im Nu zerkleinerten. Er selbst bevorzuge aber Handarbeit, fälle und spalte sein Brennholz mit Muskelkraft.

Ärger wegen der vielen frisch gefällten Bäume

Benjamin Wawzyniak, ein 16-jähriger Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums Ludwigsburg, geht mit Delilah Gassi, seiner fünfjährigen Hundedame. Jeden Tag sei er im Salonwald, etwa eine halbe Stunde lang.

Auf einen der Mülleimer am Wegrand haben Politaktivisten ein paar Aufkleber mit Parolen hinterlassen. „No Nazis“ ist zu lesen, „1. Maidemo 2015“ und „Blockupy 18. März 2015“. Vermutlich ein anderer Besucher des Wäldchens hat einen Panini-Aufkleber mit einem Foto des belgischen Fußballnationalspielers Radja Nainggolan dazu gebäppt. Wer genau hinschaut, kann nachlesen, dass der Kicker 1,76 Meter groß ist und 65 Kilogramm wiegt.

Ein Jogger, der gerade seine Laufrunde beendet, hat auch aufmerksam hingesehen, ihm indes sind die vielen frisch gefällten Bäume aufgefallen. „Auch meine Lieblingsbuche ist weg“, klagt der Mann. Der 54-jährige Sportler erzählt, dass er einmal in der Woche durch den Salonwald renne. Er wohne seit knapp 20 Jahren in Ludwigsburg, genieße die Natur, das Zwitschern der Vögel. Niemals würde er auf die Idee kommen, mit einem Kopfhörer und lauter Musik zu rennen, sagt der Grafikdesigner. Es sei schade, dass der Kreis Ludwigsburg die waldärmste Region weit und breit ist, umso wichtiger sei ihm der Salonwald. Im Sommer, sagt der Mann, dämpften die Blätter der Bäume den Lärm der ständig vorbei fahrenden Autos und Lastwagen.

Der Ludwigsburger 300-Minuten-Weg

An einigen Baumstämmen hängen Hinweisschilder mit der Aufschrift „Ludwigsburger 300-Minuten-Weg“. Dieser Weg, eine Kombination aus Stadtführung und Wanderung, wurde anlässlich des 300. Geburtstages des Stadt ausgewiesen. Der Herr, der eben an so einem Schildchen im Stechschritt vorbei marschiert, ist vermutlich nicht auf dem 300-Minuten-Weg unterwegs, sondern – wie so viele andere – auf dem Weg nach Hause.

Ein Radfahrer saust vorbei. Am Waldrand tippelt eine alte Frau mit ihren Rollator in Richtung Stadtmitte. An einem Ast hängt eine Sporttasche, die vom Besitzer offensichtlich vergessen wurde.

Eva und Jürgen Zoller sind eben mit ihrer betagten Hundedame Sandy aus dem Auto gestiegen. Das Ehepaar im Rentenalter kommt täglich in den Salonwald. „Mein Vater und meine Großvater sind hier schon gelaufen“, erzählt Herr Zoller. Seine Gattin ärgert sich mitunter über die „Biomüllhalde“ mitten im Forst. Sie vermute, dass ein paar Anwohner Sträucher und Büsche im Salonwald entsorgen. Ihr Mann sagt zu diesem Thema nur so viel: „Da sollte man nix sagen, die betuchten Anwohner bezahlen schließlich viel Steuern.“

„Ich genieße alle Jahreszeiten im Salonwald.“

Gegen 17 Uhr sind immer mehr Hundebesitzer, Jogger und Spaziergänger im Salonwald unterwegs. An einer Wegkreuzung kniet einsam eine Frau. Sie komme – seit ihre 96-jährige Mutter im Pflegeheim der Karlshöhe wohne – mehrmals wöchentlich her. Auf dem Heimweg in Richtung Oststadt suche dann immer noch nach Exponaten für Zuhause. Diesmal hat die 68-jährige Dame ein annähernd pyramidenförmiges Stück Holz gefunden, vermutlich ein Ausschussteil der Forstarbeiter. Das gute Stück werde sie mit Zweigen dekorieren und im Wohnzimmer aufstellen. „Ich genieße alle Jahreszeiten im Salonwald“, sagt die Dame. Der Forst sei ihr Lebenselixier. Aufgewachsen in einem bayerischen Dorf am Waldrand, habe sie vor dem Umzug nach Ludwigsburg vor rund 35 Jahren festgelegt: „Hier kommen nur zwei Wohngebiete für uns in Frage: am Salonwald oder am Favoritepark.“ Der Salonwald hat das Rennen gemacht.

Ein junger Mann – er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „DJK Ludwigsburg“ – trainiert an einer Klimmstange seine Muskeln. Allmählich wird es dunkel, aber er schwitzt weiter. Auf einem Grundstück am Waldrand läuten ein paar Damen und Herren gemütlich den Feierabend ein: mit Boule spielen. Und noch immer rauschen permanent die Autos vorbei am Salonwald, dem Refugium mitten in Ludwigsburg.