Der Schock nach dem ersten Unfall saß noch, da erwischte es erneut einen Audi-Piloten. Kurz vor Mitternacht verunglückte Mike Rockenfeller.  

Berlin/Le Mans - Zwei Horrorunfälle von Audi-Piloten binnen acht Stunden haben das sportliche Geschehen beim Langstreckenklassiker in Le Mans in den Hintergrund gedrängt. Nachdem kurz nach dem Start Allan McNish nach einer Kollision in die Reifenstapel gekracht war und Teile seines Autos durch die Luft geschleudert waren, erwischte es in der 117. Runde und etwa eine Stunde vor Mitternacht Vorjahressieger Mike Rockenfeller. Bei einem Überholmanöver in der Indianapolis-Passage berührte er wie schon McNish bei seinem Crash einen vor ihm fahrenden Ferrari der langsameren GT-Klasse. An dieser Stelle erreichen die Audis eine Spitzengeschwindigkeit von über 300 Stundenkilometern. Der Rockenfeller-Audi krachte in die Leitplanken, Teile des Autos flogen wie Geschosse durch die Nacht. Übrig blieb ein völlig zerstörtes Auto.

 

Fassungslosigkeit und Entsetzen

Nach bangen Minuten gaben die Veranstalter der 24 Stunden von Le Mans dann per Durchsage erste Entwarnung: Rockenfeller schaffte es aus eigener Kraft aus dem zerstörten Audi. Der Neuwieder begab sich direkt ins Medical Car, das an den Unfallort gerast war. Erneut musste das Rennen durch das Safety Car neutralisiert werden. Er sei ansprechbar gewesen, habe geantwortet, sagte Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich. Eine Fleichschwunde am Arm soll die einzige sichtbare Verletzung von Rockenfeller sein. Zur weiteren Untersuchung wurde der Neuwieder ins Krankenhaus von Le Mans gebracht. Der Ferrari konnte das Rennen fortsetzen. In der Audi-Box herrschte nach dem schrecklichen Bildern vom zerstörten zweiten High-Tech-Wagen erneut Fassungslosigkeit und Entsetzen.

Am Nachmittag war ja schon McNish schwer verunglück. Der Schotte krachte mit seinem Wagen mit großer Wucht in die Reifenstapel, der Audi wurde in die Luft geschleudert, drohte sogar über die Barriere zu fliegen. Doch kurz danach stieg McNish unverletzt aus dem Wrack. „Alles in Ordnung“, teilte sein Rennstall rund zwei Stunden nach dem Unfall mit. Angesichts der Schwere des Unfalls, der zu einer Katastrophe wie auf den Tag genau vor 56 Jahren in Le Mans hätte führen können, wurde lediglich eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert. McNish, der beim Überholen mit seinem Audi den Ferrari von Anthony Beltoise berührt hatte und dann von der Strecke abgekommen war, sollte sich sich ein wenig ausruhen. Beltoise kam mit dem Schrecken davon, ebenso wie die unmittelbar am Unfallort stehenden Fotografen und Streckenposten, die vor den umherfliegenden Teilen in Deckung gingen und sich teilweise zum Schutz schnell auf den Boden warfen.

Unfälle rufen schlimme Erinnerungen wach

Nach Rennfahren dürfte spätestens nach dem zweiten schweren Crash, der nach ersten Erkenntnissen ebenfalls noch glimpflich ausging, kaum mehr einem zumute gewesen sein. Schon nach dem Unfall von McNish hatte dessen Teammitstreiter Rinaldo Capello bei „Eurosport“ gesagt: „Ich habe mir Sorgen um die Zuschauer hinter dem Zaun gemacht.“ Natürlich sei es schade, „wenn das Rennen so schnell beendet ist, aber das Wichtigste ist, dass McNish auch nichts passiert ist.“ Unweigerlich riefen die Unfälle die Bilder vom schwersten Unglück im Motorsport ins Bewusstsein. Am 11. Juni 1955 waren nach einem Crash zwischen Mike Hawthorn und Pierre Levegh Teile des Mercedes des Franzosen auf die Haupttribüne geflogen. Über 80 Menschen starben damals, auch Levegh war unter den Opfern. Durch ersten Audi-Ausfall waren bereits die Hoffnungen von Rekordsieger Tom Kristensen auf seinen neunten Le-Mans-Erfolg dahin. Der Däne teilte sich den Wagen mit dem Schotten McNish.

Nach dem Unfall des Autos mit der Startnummer 1 blieb Audi dann mit nur noch einem Wagen im Rennen und den Fahrern Benoît Tréluyer aus Frankreich, André Lotterer aus Duisburg und Marcel Fässler aus der Schweiz. Ursprünglich hatte sich der Hersteller aus Ingolstadt den zehnten Sieg seit 2000 zum Ziel gesetzt. Man werde an der Stratgie nichts ändern, sagte Motorsportchef Ullrich. Nachdem Weltverbandspräsident Jean Todt pünktlich vor über 200 000 Zuschauern, darunter auch Frankreichs Ministerpräsident François Fillon, das Rennen freigegeben hatte, minderten die beiden schweren Unfälle jedoch die Audi-Erfolgsaussichten gegen das Trio des Hauptrivalen Peugeot. Ob der Sieg bei dem gefährlichen Langstrecken-Klassiker an diesem Sonntag im Ziel um 15.00 Uhr aber überhaupt noch das ist, was zählt, ist zu bezweifeln.