IG-Metall-Chef Jörg Hofmann demonstriert Durchhaltewillen bei den 24-Stunden-Streiks. Doch schon Anfang kommender Woche soll in Baden-Württemberg wieder verhandelt werden. Derweil zieht der Arbeitgeberverband Südwestmetall vor Gericht.

Stuttgart - Die IG Metall Baden-Württemberg hat ihre Welle an Ganztagesstreiks gestartet, von der bis Freitag an die 70 Betriebe betroffen sein sollen. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann rief die Arbeitgeber bei einer Kundgebung in Esslingen zum Einlenken auf. Am Rande mahnte er mit Blick auf ein Angebot von Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger, rasch wieder zu verhandeln: „Die Arbeitgeberseite muss große Schritte machen, damit auch wir wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.“ Wenn die IG Metall diese nicht erkenne, „werden wir uns überlegen, ob wir nächste Woche die Warnstreiks weiterführen oder zur Urabstimmung rufen“.

 

Tatsächlich planen die Kontrahenten nach Informationen unserer Zeitung einen neuen Verhandlungstermin für den Beginn der kommenden Woche: Voraussichtlich an diesem Donnerstag kann ein Resultat der Absprachen bekanntgegeben werden. Am Wochenende finde noch nichts statt.

Klage auf Unterlassung und Schadenersatz

Vorerst drehen die Arbeitgeber noch an der juristischen Eskalationsschraube: Am Mittwoch hat der Verband Südwestmetall beim Arbeitsgericht Stuttgart eine Klage gegen die Streiks eingereicht. „Die IG Metall hat trotz mehrfacher Hinweise unsererseits an ihrer rechtswidrigen Forderung nach einem Lohnzuschlag für bestimmte Beschäftigtengruppen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, festgehalten“, erläuterte Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. „Weil sich daraus auch die Rechtswidrigkeit aller Streikmaßnahmen, die diese Forderung erzwingen wollen, ergibt, sehen wir uns veranlasst, nun ein Hauptsacheverfahren anzustrengen.“ Die Klage bezieht sich neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit auf eine Unterlassung der Streiks und der Feststellung von Schadenersatzansprüchen. „Darauf können sich auch Unternehmen, denen durch Streik und Produktionsausfall Schäden entstehen, in einem späteren eigenen Klageverfahren berufen“, sagte Dick. Folglich sollen die Streiks nicht mit einstweiligen Verfügungen gestoppt werden.

Ein Sprecher des Arbeitsgerichts bestätigte den Eingang der Klage. Demnach werde der zuständige Richter Mitte Februar einen Gütetermin anberaumen. Komme es zwischen den Parteien dort zu keiner gütlichen Einigung, werde zwei bis drei Monate danach ein Kammertermin bestimmt.

Mehrere Arbeitsgerichte eingeschaltet

Auch andere Arbeitgeberverbände haben am Mittwoch eine Klage auf den Weg gebracht: NRW Metall sowie Nordmetall allerdings beim Arbeitsgericht in Frankfurt, weil dort die IG Metall ihren Sitz hat, und der Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (vbm) in München.

In Esslingen sind die Streikenden dennoch voll auf Kampf gestimmt: „Wir machen gute Arbeit, wir machten gute Produkte“, ruft Mario Taccogna, Betriebsratschef des Maschinenbauers Index, in die Menge. Rund 1600 Beschäftigte haben am Stammsitz in Esslingen und an den zwei Niederlassungen in Deizisau und Reichenbach (Kreis Esslingen) die Arbeit niedergelegt. Mehrere Hundert von ihnen nehmen an der Kundgebung teil. Der oberste Streikführer Jörg Hofmann, der in Esslingen wohnt, verurteilt das letzte Lohnangebot der Arbeitgeber von insgesamt 3,5 Prozent für 27 Monate in der Lohntabelle. Es decke aufs Jahr gerechnet nicht einmal den Inflationsausgleich ab. „Auch das Gesamtvolumen von 6,8 Prozent ist gerade drei Prozent im Jahr und völlig inakzeptabel.“

Es geht aber nicht nur um die Gehälter, sondern auch um die Möglichkeit, für zwei Jahre befristet in Teilzeit zu gehen. Beschäftigte mit Kindern unter 14 Jahren und pflegebedürftigen Angehörigen sollen einen Lohnzuschuss bekommen – dies halten die Arbeitgeber für eine Diskriminierung der anderen Teilzeitkräfte, weshalb sie dagegen klagen. Hofmann nerven derlei „juristische Nebelkerzen“: „Wie kann man so heruntergekommen sein, um eine Entscheidung für einen Interessenkonflikt vor Gericht zu suchen?“, schimpft der Vorsitzende auf der Lkw-Ladefläche. „Lasst den Unsinn, kümmert euch lieber um eine Lösung!“

„Raus aus der Teilzeit-Falle“

Gerhard Wick, der erste Bevollmächtigte der IG Metall Esslingen, sitzt in der Verhandlungskommission. „Wir haben den Arbeitgebern verschiedene kreative Lösungen angeboten“, schildert er. „Sie sind nicht darauf eingegangen.“ Warum der Zuschuss wichtig ist, erklärt Jürgen Groß, zweiter Mann der Esslinger Metaller: „Bei pflegenden Angehörigen heißt es nicht, ,ich will verkürzen‘, sondern ,ich muss verkürzen‘.“ Und weil man in der Pflege oder Familienphase das Geld dringend brauche, sei der Zuschuss unverzichtbar. An den Rand des Platzes mit den Streikenden in ihren roten Westen, den Fahnen und den Würstchengrills hat die Gewerkschafterin Sabine Welsch ein Plakat hingepflanzt mit der Botschaft „Raus aus der Teilzeit-Falle“. Viele Frauen würden trotz Kinder nicht in Teilzeit gehen, weil sie danach kaum die Chance hätten, wieder in Vollzeit zu kommen, erklärt sie. Auch sie hat ihre Kinder großgezogen und nebenher in Vollzeit gearbeitet. Das möchte sie anderen Frauen ersparen.