Der 24. Stuttgarter Filmwinter will Reibungsprozesse zwischen Alt und Neu auslösen und nutzt dazu die verschiedensten Medien.

Stuttgart - Zwei Stufen, das ist ganz wichtig! Direktoren von Filmfestivals müssen dynamisch zwei Stufen auf einmal treppauf auf die kleine Bühne vor der Leinwand federn, als könnten sie es gar nicht erwarten, ihr eigenes Programm zu sehen. Wenn so ein Direktor dann oben am Mikrofon ist und ein paar Sätze der Begrüßung gesprochen hat, die forsche Selbstanpreisung ins durchsichtige Pergamentpapier der falschen Bescheidenheit wickeln, ist das Filmfest eröffnet.

Der Stuttgarter Filmwinter allerdings funktioniert ganz anders. Er verzichtet nicht nur auf manches starre Ritual, er umfasst nicht nur ein Programm von experimentellem Kurzfilm bis zur Kunstinstallation im realen und virtuellen Raum, das herkömmliche Begrifflichkeiten und Genredenken sprengt. Der 24. Stuttgarter Filmwinter nagt auch, und das noch kräftiger als die Vorgänger, am Begriff des Anfangs und des Endes.

Erstmals auch Onlineabstimmungen


Am 20. Januar startet der Hauptteil des Festivals, unter anderem der Kurzfilmwettbewerb, im Filmhaus an der Friedrichstraße. Schon diesen Donnerstag allerdings beginnt der auch schon traditionelle Warm-up, die Aufwärmphase des Festivals, mit Ausstellungen in Oberwelt und Gedok. Bereits im November aber waren bei einem Previewabend einige Teile des Wettbewerbs zu sehen. Und an einem Teil des Filmwinters, dem Wettbewerb im Bereich Neue Medien, kann man teilnehmen, ohne sich je selbst zum Festivalort zu begeben. Die Online-Projekte kann man nicht nur im Internet begutachten, man kann erstmals auch online seine Stimme für den Publikumspreis in diesem Sektor abgeben.

Die Grenzauflösung ist keine Unentschlossenheit, sondern programmatisch. Das "Festival for Expanded Media", wie der Filmwinter sich im Untertitel nennt, will nicht bloß bekannte Definitionen in Frage stellen, er will am liebsten immer dort sein, wo es die doktrinären Definitionen noch gar nicht gibt, wo Spieltrieb, Neugier, Forscherdrang regieren, wo Neues, Ungeformtes und Altes, halb Vergessenes, aufgegriffen, gekreuzt, zum Kurzschluss gebracht werden. Eine prägende Eigenart des Filmwinters mag man also für einen attraktiven Vorzug oder einen beachtlichen Wettbewerbsnachteil halten: Der Filmwinter lässt sich nicht klar, griffig und mit den beliebten erhellenden Vergleichen beschreiben, also auch so nicht: "Als hätte Quentin Tarantino ein Drehbuch von Salvador Dalí im Auftrag von Opus Dei eines Bettelmönchordens als Oper am Grunde eines Baggersees inszeniert".