Die Fantastischen Vier werden 25 Jahre alt. Der Sänger und Texter Smudo erzählt, was es mit dem an diesem Freitag erscheinenden neuen Album und der im Winter anstehenden Tour auf sich hat.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Mein lieber Herr Gesangsverein, schaut auf diese Herren vom Gesangsverein namens Fantastische Vier! Am zwölften Juli 1991 erschien, als echte Weltpremiere, in der Stuttgarter Zeitung ein Text über die Fantastischen Vier. „Bei der Begeisterung, die die Fantastischen Vier auf die Bühne bringen, könnte vielleicht sogar bald der Traum von der großen Karriere wahr werden“, orakelte der Berichterstatter des Konzerts, das seinerzeit in der Diskothek Musicland stattfand, wo die junge Band „gegen Mitternacht ihre Show abzog“ und dabei unter anderem ihre erste Maxisingle „Hausmeister Thomas D“ vorstellte. Mit dabei war auch ein gewisser „Smudo Schmidt“, wie es in der Konzertkritik hieß. Die Sache mit der großen Karriere hat sich für die Stuttgarter Rap- und Popband bekanntlich tatsächlich erfüllt. Smudo ist ein Vierteljahrhundert nach Bandgründung noch immer dabei. Und als wir ihn vor einigen Tagen auf diesen prophetischen ersten Zeitungstext über die Fantastischen Vier ansprachen, zeigte er sich ebenso überrascht wie auch verzückt.

 

„Meine Güte. Das ist ja krass. Damals hatte ich mir überlegt, ob ich nicht etwas komplett anderes machen sollte. Musikfernsehen oder so etwas. Aber solche Sender gibt’s heutzutage ja schon gar nicht mehr.“

Wir kommen am Ende darauf zurück, was der gebürtige Offenbacher, seinerzeitige Gerlinger und jetzige Hamburger Michael Bernd Schmidt alias Smudo alias LeSmou alias der Mikrofonprofessor sonst noch so alles auf dem Schirm hatte, als Fernsehsender wie MTV oder Viva sich noch mit Musik beschäftigten. Aber zunächst gilt: wir müssen reden. Über das neue Album des Quartetts etwa, das pünktlich zum 25-jährigen Bandbestehen von diesem Freitag an in den Regalen der Stores und Downloadstores stehen wird. Und darauf freut sich Smudo, selbstverständlich routiniert und abgeklärt, aber dennoch mit einer ehrfürchtigen Prise Nervosität.

„Natürlich gibt es Vorschusslorbeeren und eine Fanbasis, die sich mit uns freut und das wahrscheinlich auch nach der Veröffentlichung tut. Aber die Lorbeeren von gestern sind die eine Sache, wie das Album tatsächlich ankommt, wissen wir natürlich nicht. Ich selber finde es super, aber das darfst du mich ja auch nicht fragen. Aber ernsthaft: ich finde es kräftiger als unser letztes, ,Für dich immer noch Fanta Sie‘ von vor vier Jahren. Auch wenn das wiederum schwer zu sagen ist, denn wenn ein Album schon länger draußen ist, siehst du es immer auch mit anderen Augen.“

Wie doch die Zeit vergeht, seit dem Debüt „Jetzt geht’s ab“ vom August 1991. Sieben Studio-, sechs Live und ein Best-of-Album liegen zwischen „Jetzt geht’s ab“ und der aktuellen Platte „Rekord“. Hunderte von Konzerten, mal im intimen Rahmen wie beim ersten Konzert im Juli 1989 vor vierzig Menschen auf einer aus Europaletten selbstgezimmerten Bühne in einem Kindergarten in Stuttgart-Wangen, mal im vornehmen (im Stuttgarter Beethovensaal), mal im gigantischen wie beim „Heimspiel“ auf dem Cannstatter Wasen. Nicht nur in ihrer Heimatstadt, der mittlerweile nur noch And Ypsilon die Treue hält, auch in London oder zuletzt vor gut zwei Monaten beim Sziget-Festival in Ungarn, einem Auftritt, den Smudo „als das zweitschönste Erlebnis mit den Fantas“ beschreibt, das er in ihrer langen Karriere hatte. Jede Menge Routine haben die Hip-Hop-Pioniere also. Und dennoch: das neue Album war zwar keine schwere, aber doch eine langwierige Geburt, berichtet Smudo. Es war sogar eine Niederkunft, an der sie besonders lange schuften mussten.

„Allerdings, wir haben vor allem in einer mühseligen Anlaufphase sehr lange nachgedacht. Gefühlte anderthalb Jahre hat das gedauert. Wir haben über siebenhundert verschiedene Beats gehabt, die wir dann allesamt weggeschmissen haben. Überdies hatte ich auch lange mit einer Schreibblockade zu kämpfen gehabt. Ich hätte auch gerne noch länger Zeit gehabt. Aber das ist ja das Blöde: wenn der Abgabetermin nicht näher rückt, dauert die Schreibblockade auch länger an.“

So spricht der Cheftexter der Fantastischen Vier, der, wie jeder weiß, der ihn kennt, keineswegs auf den Mund gefallen ist. Weswegen der Schnellreimer Smudo, ehe er dann richtig ausholen und sich allmählich in wasserfallartige Qualitäten hineinsteigern darf, zunächst noch die Frage beantworten muss, ob es eine Art Zwang war, dieses neue Album pünktlich zum 25-jährigen Bandjubiläum draußen zu haben.

„Auf jeden Fall stand der Plan für ein neues Album zumindest in unseren Büchern. Als wir vor zwei Jahren ,Unplugged 2‘ wieder in der Balwer Höhle aufgenommen und veröffentlicht haben, wollten wir eigentlich schon am neuen Album sitzen. Da hatten wir das 25-jährige Jubiläum noch gar nicht so auf der Spur. Aber dann kam plötzlich 2014, wir fühlten uns aber noch nicht reif und sagten: das schaffen wir dieses Jahr nicht. Wir kamen erst darauf, als Bär (der Fanta-4-Manager Andreas Läsker, d. Red.) zu uns sagte: Leute, was machen wir zum Fünfundzwanzigsten? Er hatte sich natürlich ein großes Event vorgestellt. Wir dachten, wir haben das größtmögliche mit dem ,Heimspiel’ auf dem Cannstatter Wasen ja schon zum Zwanzigsten gehabt. Und wollten jetzt nicht schon wieder ein Heimspiel. Wir hatten schon so viel durchdekliniert und wollten auf keinen Fall mit den alten Songs weitermachen, die wir dann womöglich beim Dreißigjährigen abermals aufwärmen. Wir waren einfach reif für neue Sachen. Wir waren ja drei Jahre jede Festivalsaison mit dem alten Programm unterwegs.“

So fiel die Entscheidung für das Album. Doch die Fanta 4 sind auch deshalb alte Hasen, weil sie die Spielregeln der Musikindustrie längst verinnerlicht haben. Die Sätze sprudeln nur so aus dem nunmehr kaum noch bremsbaren Smudo, wenn er über das Geschäft redet. Das alles klingt zwar recht interessant und wirft vor allen Dingen ein bemerkenswertes Licht auf die Produktionsdenkweisen dieser Branche. Aber unser Platz hier ist leider begrenzt, daher hören wir doch mal nur so weit kurz rein:

„Weil unsereins zum Weihnachtsgeschäft veröffentlichen muss, ist der Oktober der entsprechende Monat. Früher im Jahr zu veröffentlichen ist schwierig, aber wir wollten ja ohnehin möglichst viel Zeit gewinnen. Und der November ist zu nahe an Weihnachten dran, da sind die Regale dann schon voll. Dennoch haben wir eine Weile gebraucht, bis wir richtig in Schwung gekommen sind. Da kam uns eine kleine Fingerübung gerade recht, als Bully Herbig uns gebeten hatte, für seinen neuen Film ,Buddy‘, der im Winter in die Kinos kommt, einen Track mitzugestalten. So etwas machen wir eigentlich nicht, aber das war ganz gut zum Reinkommen. Dann kam als erstes Stück ,25 Years‘, das als Kampagnensong im März anlässlich des Musikpreises Echo herauskam. Irgendwann, ich weiß gar nicht mehr wann genau, kam dann die Idee, die Platte ,Rekord‘ zu nennen. Daraus entwickelte sich dann zum ersten Mal ein langfristiges Marketingkonzept. Es ist ja eigentlich nicht unsere Aufgabe, über so etwas nachzudenken, aber unser Manager und die Plattenfirma haben sich herzlich über den Titel gefreut. Für die war das der Zeitpunkt, wo der Schlachtplan entworfen wird. Damit wollen wir ja wiederum ebenfalls nichts zu tun haben, weil uns das ja nur daran erinnert, dass wir etwas abzugeben haben. Diese merkwürdige Beziehung hat uns dann eine Zeit lang begleitet. Naja, und dann mussten wir natürlich Gas geben. Rekord hier, Rekord da, was machen wir alles, hieß die Frage, und so kam dann eins zum anderen.“

So in etwa geht es also zu in der Musikindustrie unserer Tage, wenngleich man natürlich keinem Berufsmusiker neiden möchte, mit seiner Musik auch seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Weswegen umgekehrt nicht unerwähnt bleiben soll, dass bei jedem Weg an die Spitze auch ein paar Steine im Weg liegen. Neben den vielen schönen Erfolgen säumten auch Pech und Pannen ein Stück der 25 Jahre Bandgeschichte, wie Smudo feixend zu berichten weiß.

„Pleiten gab es einige, besonders am Anfang. Ich weiß noch, wie wir mal 1990 oder 1991 in Augsburg gespielt haben. Im Ostwerk, einem Laden, in den bestimmt tausend Leute reinpassten. Und es kam genau einer. Und der kam auch nur deshalb, weil er bei einem Radiosender eine Freikarte gewonnen hatte. Wir haben gesagt: egal, wir spielen trotzdem. Aber er wollte dann nicht. Der hat dann einfach in Ruhe ein Bier getrunken, und wir sind unverrichteter Dinge nach Hause gefahren.“

Neues Album heißt neue Tour, auch das ist eine der ehernen Spielregeln der Branche. Bleibt das auch für die Fantastischen Vier, für die aktuell wieder die größten Hallen der Republik gebucht worden sind, ein unumstößliches Gesetz?

„Mal davon abgesehen, dass man ja immer etwas Neues machen will und sich dafür als Künstler auch ein bisschen quälen muss, glaube ich schon, dass das dazugehört. Wir wollen auf keinen Fall zu einer Band werden, die auf Tour nur noch ihre eigenen Evergreens spielt. Das Publikum mag das vielleicht so hören, aber ich finde, dass es schon immer noch ein bisschen drauf ankommt, was wir wollen.“

Das Ende soll der Anfang sein. Smudo hat zu Beginn seiner Karriere und dieses Textes gezweifelt, ob das alles irgendwie, irgendwo und irgendwann etwas werden wird. Sieben Millionen verkaufte Platten und 25 Jahre Bandgeschichte (mit unverändertem Personal übrigens, auch das ist ja nicht unbedingt die Regel) später sagt er:

„Ich hatte damals das Gefühl, dass ich irgendwann mal etwas Gescheites machen muss. Das war als kleine Gedankenwolke im Hintergrund auch immer anwesend. Aber in der Rückschau muss ich feststellen: das mit den Fantastischen Vier ist das gescheiteste, was ich jemals gemacht habe. Immerhin: zumindest was das Durchhaltevermögen betrifft, haben wir mehr drauf als die Beatles.“