„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ wird 25 Jahre alt. Was ist an der Serie so toll? Fans der ersten Stunde erzählen.

Stuttgart - Alter, haben meine Kollegen gesagt, du guckst echt ‚GZSZ’, und das schon seit 25 Jahren? Ist nicht dein Ernst, oder’?“, erzählt Steven und schaut dabei, als habe man ihn dabei ertappt, wie er unter der Dusche Songs von Helene Fischer singt. Er ist 31 Jahre alt, ein Wirtschaftspsychologe, der sonst eigentlich US-Serien wie „House Of Cards“ auf Netflix schaut. Aber „GZSZ“ gehöre einfach dazu. Er guckt das täglich. Und er hat seit 25 Jahren nicht eine einzige Folge verpasst.

 

„GZSZ“ steht für „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Es ist die am längsten laufende fast tägliche Seifenoper im Fernsehen, nur die wöchentliche „Lindenstraße“ (ARD) ist sieben Jahre älter. Die vier Buchstaben stehen für Unterhaltung, die am Fließband produziert wird. Mobbing, Liebe, Inzest, Krankheit, Tod. Das alles muss irgendwie in 25 Minuten passen, die ganz großen Gefühle. Zugeschnitten auf eine Klientel, die noch mit einem Bein im Hotel Mama steht und mit dem anderen schon im Berufsleben.

Der Marktanteil der Soap ist dramatisch gesunken, von 40 auf zehn Prozent. Viele Zuschauer hat RTL an die noch trashigere RTL-2-Soap „Berlin – Tag & Nacht“ verloren. Es sind aber immer noch drei Millionen, die täglich einschalten. Den 17. Mai haben sich viele schon im Kalender angekreuzt. Dann feiert „GZSZ“ seinen 25. Geburtstag. RTL strahlt eine Jubiläumsfolge aus – in Spielfilmlänge.

„GZSZ“ ist eine Cashcow des Senders

Was aber reizt Menschen an einer Serie, die man auch ohne hinzugucken verstehen würde, weil sich die Handlung in erster Linie über Dialoge vermittelt? Steven und Kate haben darauf Antworten. Er ist angestellt bei einem Start-up-Unternehmen in Berlin-Mitte. Sie ist 45 und arbeitet seit ihrem BWL-Studium als PR-Beraterin. Zwei von Millionen Fans. Ihren vollen Namen wollen beide lieber nicht in der Zeitung lesen. Wer weiß, ob das nicht mal gegen sie verwendet werden könnte?

Steven sagt, die Serie gehöre einfach zu seinem Leben. „Es ist meine halbe Stunde am Tag.“ Die ist ihm heilig. Das Handy bleibt aus. Seine Freunde wissen schon, dass sie ihn in dieser Zeit besser nicht anrufen. Steven macht „was mit Medien“, wie viele Figuren in „GZSZ“. Sein Schreibtisch steht in Berlin-Mitte, dort, wo auch die Serie spielt. Dabei werden die Innenaufnahmen alle in Potsdam-Babelsberg gedreht. Berlin blitzt immer nur auf, um das urbane Lebensgefühl zu transportieren.

Heute schauen er und Kate Folge 6243. Noch eine Woche nach der Ausstrahlung kann man die Folgen umsonst aus dem Internet herunterladen, danach kostet es. „GZSZ“, das ist eine Cashcow des Senders. Wie viel RTL damit verdient, erfährt man nicht. Auch zu den Produktionskosten äußert sich der Sender nicht. Branchenkenner bezifferten sie 2004 auf 80 000 Euro pro Folge. Ein Witz, gemessen an den Einnahmen. Schon ein dreißigsekündiger Werbespot kostete damals 61 000 Euro. Inzwischen ist der Preis zwar auf 47 000 Euro gesunken. Doch die Erlöse aus der Internetwerbung dürften den Rückgang kompensieren. Immer mehr Zuschauer gucken die Soap auf dem Handy, und online gibt es noch mehr Werbung als im TV.

41 Figuren starben in 25 Jahren den Serientod.

„Ach“, sagt Kate, „für eine Soap ist das gut gemacht und inhaltlich gar nicht so doof. 70 Prozent sind Alltag, 30 Prozent die ganz große Story.“ Und die, sagt sie, dürfte auch abgedreht sein. Folge 6243 kommt harmlos daher. „Johanna torpediert das Liebesglück von Elena und Jo Gerner.“ Jo Gerner? Den kennt man vielleicht auch, wenn man sich bisher nur aus Versehen in die Sendung gezappt hat. Es ist der Serienfiesling, gespielt von Wolfgang Bahro. „Der ist jetzt aber menschlicher geworden“, sagt Kate.

41 Figuren starben in 25 Jahren den Serientod. Als Karrieresprungbrett taugt „GZSZ“ nicht. Das liegt an der Produktionsweise. Sechs Wochen liegen zwischen der Storyline und dem Schnitt. Das erlaubt es den Serienmachern von der Ufa zwar, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Pro Szene haben die Schauspieler aber nur zwanzig Minuten Zeit. Zu wenig, um eine eigene Handschrift zu entwickeln. Von den meisten ausgestiegenen Darstellern hat man später nie wieder etwas gehört. Nur Jeanette Biedermann und Yvonne Catterfeld wurden den „GZSZ“-Stempel wieder los.

Es ist wohl kein Zufall, dass beide schon zu „GZSZ“-Zeiten als Sängerinnen bekannt waren. Musik spielt eine wichtige Rolle. Sie transportiert das, was vielen Szenen fehlt: Gefühl. „Die Serienmacher haben echt ein Händchen für gute Songs“, sagt Kate. Nach jeder Folge stellt RTL eine Playlist online.

Ein kompliziertes Beziehungsgeflecht verbindet die Darsteller

Aber zurück zu Folge 6243. Die verhandelt den zentralen Konflikt, der in der Jubiläumsfolge gelöst wird: die Hochzeit. Felix Lehmann (Thaddäus Meilinger) liebt Jo Gerners Enkelin Sunny (Valentina Pahde), aber sein Bruder Chris (Eric Stehfest) liebt Sunny noch mehr. Um Chris aus dem Rennen zu werfen, hat Felix mit einem Komplizen eine Lagerhalle angezündet und den Verdacht auf Chris gelenkt. Der hat jetzt Stress mit der Polizei. Aber was hat Johanna Gerner damit zu tun, Gerners 11-jährige Tochter aus der Beziehung mit Katrin? „So eine Prenzlauer-Berg-Göre“, ätzt Kate, und es klingt, als rede sie über eine verzogene Nichte. Sie ist Single, wie Steven. „GZSZ“ ist so etwas wie ihre virtuelle Ersatzfamilie.

Es ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das die Darsteller verbindet. Doch als Fan hat Steven den Durchblick. In der Serie hat jeder mal was mit jedem gehabt. Der Vater mit der Tochter. Die Tochter mit der Mutter ihres Freundes. Und jetzt auch die Schwiegertochter mit dem Schwiegervater. „Ach“, sagt Kate. Das dürfe man nicht so eng sehen. Nur eines sei wichtig. Dass am Ende die Gerechtigkeit siege. Und deshalb, sagt sie, sei doch völlig klar, wer am Ende Sunny bekomme. „Na, Chris natürlich“, sagt Steven. Aber ist das nicht schrecklich, diese Vorhersehbarkeit? Steven grinst. „Ist schon okay“, sagt er und klappt seinen Laptop zu, „wenn ich Crime sehen will, guck ich ,House of Cards’.“