Bei der Einführung der D-Mark in der DDR haben in Leipzig 30 Bundesbanker aus dem Südwesten geholfen. Alles hat damals geklappt, berichten sie.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Szene hat sich Herbert Hummel ins Gedächtnis eingebrannt: ein Tisch beladen mit D-Mark-Scheinen – und dahinter ein Mann im Unterhemd, der die Banknoten verteilt. Auf diese Art und Weise wurde das Westgeld am 1. Juli 1990 im Rathaus eines Dorfes an der Grenze zwischen Sachsen und Thüringen unters Volk gebracht. Hummel, von der Bundesbank für die Verwirklichung der Währungsunion von Ulm nach Leipzig abgeordnet, wollte sich auf einer Rundfahrt durch die Region vergewissern, dass alles glatt lief. Das tat es: Der Mann im Unterhemd entpuppte sich als Bürgermeister – „und neben ihm stand eine bewaffnete Polizistin“, berichtet Hummel lachend. Die Sicherheit war also gewährleistet.

 

Wie wachsam die ostdeutsche Volkspolizei die Geldübergabe begleitete, hatte der Leiter der neu eingerichteten Bundesbank-Filiale in Leipzig zuvor am eigenen Leibe zu spüren bekommen: Als er am 1. Juli morgens zur Arbeit fuhr, wurde er an der eigens für die D-Mark-Einführung errichteten Absperrung vor dem Gebäude angehalten. Hummel sagte dem Polizisten: „Entweder Sie lassen mich jetzt hier reinfahren oder es gibt in der DDR keine D-Mark.“ Das wirkte.

Russische Militärfahrzeuge haben Platz gemacht

Der Baden-Württemberger hatte in den Wochen vor der Währungsreform schon einige Erfahrung mit den ostdeutschen Sicherheitskräften gesammelt. Sie mussten schließlich ab der innerdeutschen Grenze die Transporte der D-Mark-Scheine in den Osten sichern. Mit insgesamt sechs Polizeifahrzeugen und einem Hubschrauber wurden die Geldtransporter der Bundesbank nach Leipzig geleitet. „Unsere Chauffeure waren ganz begeistert davon, wie ihnen die Volkspolizei die Autobahn frei gemacht hat – sogar russische Militärfahrzeuge mussten Platz machen“, erzählt Hummel.

Danach fing die Arbeit allerdings erst richtig an, denn von Leipzig aus musste das Westgeld rechtzeitig an Banken und Sparkassen im dazugehörigen Bezirk verteilt werden, der von Torgau an der Grenze zu Brandenburg bis ins thüringische Altenburg reichte. Da auch Behörden und andere Stellen Scheine ausreichen durften, galt es insgesamt 700 Ausgabestellen mit Bargeld zu versorgen – von den rund 2,8 Milliarden D-Mark in der Bundesbankfiliale in Leipzig wurden ungefähr 740 Millionen D-Mark für diese „Erstausstattung“ verwendet .

Innerhalb von 14 Tagen war alles umgestellt

Hummels Problem: da die Geldtransporter der Bundesbank nach Westdeutschland zurückgekehrt waren, standen keine gesicherten Fahrzeuge zur Verfügung. Deshalb mussten die D-Mark-Scheine mit Militärtransportern der Nationalen Volksarmee und mit Polizeischutz zu den Banken geschafft werden. „Wir haben dafür rund 4000 D-Mark bezahlt, das war angemessen“, sagt der Mann, der heute Pensionär ist. „Es hat alles hervorragend funktioniert, nicht ein Pfennig ist abhandengekommen.“ Neben der Verteilung des Bargelds waren noch weitere Vorbereitungen erforderlich: Jede DDR-Bank benötigte ein Konto bei der Bundesbank. Die Staatsbank der DDR arbeitete mit einem gänzlich anderen Kontoführungssystem, das deshalb nicht einfach dem westdeutschen einverleibt werden konnte. „Wir haben in den 14 Tagen vor dem 1. Juli das alles umgestellt“, berichtet der Bundesbank-Mitarbeiter Roland Weber. Auch er ging im Sommer 1990 nach Leipzig, zusammen mit mehr als 30 weiteren Bundesbank-Mitarbeitern allein aus Baden-Württemberg.

Von den DDR-Staatsbankern wurde die Gruppe überwiegend freundlich aufgenommen. „Die haben sich ja alle auf die D-Mark gefreut“, sagt Weber. Gewiss habe es einigen höherrangigen Beamten nicht geschmeckt, dass ihnen Bundesbanker übergeordnet wurden. „Aber insgesamt war die Stimmung ziemlich euphorisch.“

Nach 23 Uhr ging die Arbeit im Hotelzimmer weiter

Zur D-Mark-Einführung hockten Staats- und Bundesbanker in Leipzig gemeinsam am Schalter, um die Abhebungen von Banken und Sparkassen zu bewältigen – von denen einige trotz aller Vorbereitungen noch am großen Tag selbst Bargeld für ihre Filiale besorgen mussten. Da im gleichen Gebäude auch Filialen der Deutschen Kreditbank sowie der Dresdner Bank untergebracht waren, war in der gemeinsamen Schalterhalle regelrecht der Teufel los: „Die Schlange vor der Tür ging um das ganze Gebäude herum“, erinnert sich Weber.

Auch in den folgenden Wochen gab es in der neuen Bundesbank-Filiale viel zu tun, „einmal musste der Kassen- und Girobereich die ganze Nacht durcharbeiten“, sagt Hummel. Er selbst verließ in jener Zeit selten vor 23 Uhr die Bank, ging essen und ackerte danach manchmal noch mit seinen engsten Mitarbeitern auf dem Hotelzimmer weiter. Seine große Sorge galt der Personalsituation. „Die Finanzökonomen der Staatsbank, wie sie offiziell hießen, waren zwar nicht dümmer als wir – aber einfach anders ausgebildet.“ Für bestimmte Aufgaben, wie etwa die Bewertung von Sicherheiten, holte Hummel Verstärkung aus dem Westen und stellte auch neue Mitarbeiter aus der Region ein, obwohl er gleichzeitig einige ehemalige Staatsbanker entlassen musste. „Das war auch für mich sehr belastend, aber wir konnten nicht alle übernehmen.“

Roland Weber ist noch immer in Leipzig

Als großes Problem erwies sich zudem die Technik. „Das Telefonieren beispielsweise war eine Katastrophe. Es konnte Stunden dauern, bis eine Verbindung in den Westen stand“, stöhnt Hummel noch heute bei der Erinnerung. Trotzdem denkt er gern an den insgesamt neunmonatigen Leipzig-Einsatz zurück: „Es war die anstrengendste Zeit meines Berufslebens, aber vielleicht auch die für mich persönlich befriedigendste.“

Hummels Kollege Roland Weber arbeitet bis heute in Leipzig. „Ich habe mich hier schnell wohlgefühlt – und so wurden aus geplanten vier Wochen 25 Jahre.“