Carsharing in Renningen feiert 30-jähriges Bestehen. 1992 taten sich sieben private Nutzer zusammen für ein „nachbarschaftliches Autoteilen“.

Als Elektroautos noch ein Nischenprodukt und Carsharing allenfalls aus Großstädten bekannt war, waren die Renninger ihrer Zeit voraus: Vor genau 30 Jahren haben sich die ersten Carsharer zusammengefunden und benutzten sogar ein E-Auto. Heute gehören zum Fuhrpark des Vereins Ökostadt Renningen fast 30 Autos, davon ist die Hälfte elektrobetrieben.

 

Ins Rollen brachte die Sache einst Jochen Breutner-Menschick, der seit 1989 für die Grünen im Renninger Gemeinderat sitzt. „Es gab einen ganz konkreten Anlass, nämlich, dass bei uns ein Auto kaputtging“, erzählt er. „Zu dritt nur ein Auto – das hat nicht funktioniert.“ Daraus entstand die Idee für ein „nachbarschaftliches Autoteilen“. Er hörte sich also um und fand sieben weitere Interessierte, die sich an dem Konzept beteiligen wollten. Das war 1992.

Das erste Auto ist ein E-Smart

„Angefangen haben wir mit zwei Autos“, erinnert sich Jochen Breutner-Menschick. „Der Buchungskalender war noch auf Papier, die Autoschlüssel befanden sich in einem verschlossenen Kasten, für den jeder Nutzer einen eigenen Schlüssel bekam.“ Eines dieser zwei Fahrzeuge war sogar ein E-Auto – ein E-Smart, um genau zu sein. „Ich bekam einen aus der zweiten Generation aus dem Leonberger Smart-Center“, erzählt Breutner-Menschick.

„Die Anschaffung war teuer, auch wenn ich den genauen Preis nicht mehr weiß. Aber wir wussten, dass das der richtige Weg ist.“ Auf etwa 100 Kilometer schaffte es der kleine E-Smart bei vollem „Tank“. Und selbst wenn der Saft mal auszugehen drohte: „Das ging damals noch über ganz normale Haushaltssteckdosen, das war ganz unkompliziert“, erzählt er schmunzelnd.

Dass sich aus diesem einfachen Nachbarschaftsprojekt eines Tages etwas so Großes entwickeln würde, das sogar über die Grenzen Renningens hinaus seine Kreise zieht, hätte damals wohl niemand erwartet. „Das hat sich alles sehr langsam entwickelt“, erzählt Jochen Breutner-Menschick. „Es hat acht Jahre gedauert, bis wir überhaupt das dritte Auto dazu geholt haben. Und selbst darum gab es heiße Diskussionen, ob wir uns das leisten können.“ Immer mal wieder kam ein neues Gesicht hinzu, alles nur über Mundpropaganda. Den großen Boom, bei dem auf einen Schlag alles Kopf steht, gab es jedoch nie.

Mit mehr Fahrern kommen weitere Autos

„Das kam alles nach und nach“, sagt Jochen Breutner-Menschick. Eine große Veränderung war das Zulassen von Fremden bei den Carsharern. „Da gab es von manchen Mitgliedern natürlich Bedenken. Aber die haben sich nicht durchgesetzt. Alle anderen wollten, dass es vorangeht.“ Für neue Bewerber gab es sogar extra ein Vorsprechen.

Mit mehr Mitfahrern kamen mehr Autos und damit auch mehr Standorte. „Durch die Schlüsselkästen waren wir örtlich gebunden“, erklärt Breutner-Menschick. Die Autos standen daher alle im selben Wohngebiet. „Am Ende waren es sieben Stück, das ging so nicht mehr.“ Es wurden also weitere Standorte gesucht – wovon sich einer in Malmsheim befand. Und vor genau zehn Jahren wurde das Buchungssystem auf eine App umgestellt – unter anderem, weil es immer schwerer wurde, Standorte zu finden, an denen sich gesichert ein Schlüsselkasten anbringen ließ.

Seit 15 Jahren ist auch Weil der Stadt dabei

„Mit dem Wachstum haben wir immer neue Lösungswege gesucht, wenn das alte System nicht mehr funktioniert hat“, erzählt Jochen Breutner-Menschick. Dass das immer so gut und reibungslos funktioniert hat, sei der Begeisterung der aktiven Carsharer zu verdanken und dem Willen, mit den Veränderungen mitzugehen. „Fünf von den sieben einstigen Gründungsmitgliedern sind heute sogar noch dabei.“

Ihr Weg führte die Carsharer schließlich sogar über die Grenzen Renningens hinaus. „Wir hatten ein paar wenige Nutzer aus Weil der Stadt bei uns angemeldet. Die sind so viel gefahren, dass sich allein für sie schon ein halbes Auto gelohnt hätte.“ Die Idee einer Erweiterung nach Weil der Stadt lag daher nahe, das ist etwa 15 Jahre her. Eine Infoveranstaltung später fanden sich zehn Interessierte, die sich beim Carsharing anmeldeten. „Die ersten zwei Fahrzeuge waren richtig gut ausgelastet.“ Mittlerweile gibt es auch Standorte in Merklingen und Schafhausen.

„Manche fahren damit sogar in Urlaub“

Nach 30 Jahren ist aus dem kleinen Projekt unter Nachbarn ein großes und weitreichendes Netzwerk geworden. „Wir haben allein 60 Haushalte dabei, die gar kein eigenes Auto mehr haben. Die nutzen die Wagen für alles, manche fahren damit sogar in Urlaub.“ Nach einer coronabedingten Flaute – bis zu acht Fahrzeuge musste der Verein in dieser Zeit stilllegen – verzeichnete der Verein 2022 ein doppelt so großes Wachstum wie in normalen Jahren.

„Leider sind wir jetzt an einem Punkt, an dem wir für weitere Entwicklungen immer von anderen abhängig sind“, bedauert der überzeugte Carsharer. Das betrifft insbesondere die Ladeinfrastruktur. Ohne Standorte für Ladesäulen keine weiteren E-Autos. Auch die gestiegenen Preise und erhöhten Lieferzeiten für Autos machen dem Verein zu schaffen.

Wenn die Voraussetzungen sich bessern, soll es aber in jedem Fall weiter vorangehen. Unter anderem will der Verein im neuen Baugebiet Schnallenäcker III auf dem Gelände des neuen Mehrgenerationenhauses zukünftig zwei Ladestationen für die Carsharing-Autos betreiben.