Das Freiburger Barockorchester hat seinen Geburtstag mit einem Festkonzert in der Stuttgarter Liederhalle gefeiert. Beethovens neunte Sinfonie war auch dabei.

Stuttgart - Wer hätte 1988 gedacht, dass die Handvoll junger Wilder, die in Freiburg auf die aberwitzige Idee gekommen waren, ein Ensemble mit alten Instrumenten zu gründen, dreißig Jahre später in Anwesenheit des baden-württembergischen Ministerpräsidenten sowie etlicher Prominenz der Landespolitik mit einer halben Hundertschaft von Musikern plus Chor die neunte Sinfonie Beethovens aufführen würden? Also ausgerechnet jenes Stück, das einerseits spätestens seit nationalsozialistischen Zeiten zum Jubel- und Repräsentationsstück verkommen ist, andererseits aber eine doppelte Utopie darstellt – in der Art, wie hier die globale Umarmung gefordert (also etwa Horst Seehofers Ideen zur Flüchtlingspolitik ausgehebelt) werden und wie das für Musiker Mögliche immer wieder überschritten wird?

 

Mit dem „Freude, schöner Götterfunken“ endete am Dienstagabend in Stuttgart vor dem im Parkett gut gefüllten Hegelsaal ein Festkonzert, das zwei sehr unterschiedliche Teile hatte. Der zweite – Beethoven – war problematisch. Der Konzertmeister des Freiburger Barockorchesters, Gottfried von der Goltz, dirigierte zwar auswendig, kam aber über die solide Organisation eines gut durchhörbaren Geschehens nicht hinaus – von etlichen modernen Klangkörpern hat man schon Aufregenderes gehört. Dass die dynamische Balance im Orchester oft zugunsten der Bläser ausfiel, führte zu interessanten Wahrnehmungs-Verschiebungen, aber auch zu Momenten, in denen sich (etwa im Presto-Scherzo) die intonatorischen Probleme der ventillosen Hörner nervend in den Vordergrund drängten. Der Schlusssatz schließlich krankte einerseits an einem – wie fast immer Aufführungen der Neunten – schlecht homogenisierten Solistenensemble und an einem Chor (Rias-Kammerchor), den man durchaus darauf hätte hinweisen können, dass Schreien neben historischem Instrumentarium nicht immer und unbedingt erforderlich ist.

Im ersten Teil gab es unter Petra Müllejans als Konzertmeisterindie detailreich ausgestaltete e-Moll-Suite aus Telemanns „Tafelmusik“ – schade indes, dass der Saal nur wenig von der hohen Energie der Aufführung und von den zahlreichen spannenden und filigranen Dialogen zwischen Flöten, Geigen und Cello zurückspiegelte. Und bei dem stürmenden und drängenden Carl Philipp Emanuel Bach (Klavierkonzert C-Dur Wq. 20) konnte man nicht nur eine Art doppelten Konzertmeistertums (zwischen dem wundervoll beweglich und farbsensibel spielenden Kristian Bezuidenhout als leitendem Solisten) und der Konzertmeisterin Anne Katharina Schreiber bewundern, sondern auch genießen, wie nahe sich die Tonproduktion von Hammerflügel und Streichern kommen können. Trotz sehr frei genommener Tempi umgab das Orchester den Pianisten wie ein dichtes, weiches Gewand. Ein reiner Genuss. So kann es weitergehen: Dreißig Jahre sind wirklich kein Alter.