Dreimal spielten Rammstein in Wangen, auch Nina Hagen und Kurt Cobain waren hier: Seit 40 Jahren schreibt das LKA Longhorn Stuttgarter Musikgeschichte. In der Nacht zum Donnerstag hat der Tanz- und Konzertclub ein „fettes Jubiläum“ gefeiert.
Mit tanzfreudigen US-Amerikanern fing’s an: 1984 hat Thomas Filimonova aus einer früheren Gemüsehalle im Industriegebiet Wangen einen Country-Club für GIs gemacht, die damals im Stuttgarter Nachtleben unerwünscht waren. Seinem gar nicht so kleinen Laden gab er den Namen Longhorn, benannt nach einer nordamerikanischen Rinderrasse. Die Zahl der stationierten US-Soldaten ging immer weiter zurück. Der Chef von einst ist auch der Chef von heute, auch wenn er nun das Rentenalter erreicht hat – nur sein Publikum hat sich ziemlich verändert.
„Tommy“, wie ihn alle nennen, hat es geschafft, junge Leute anzulocken. Einige habe er mal gefragt, warum sie raus aus der Stadt in ein entlegenes Viertel zum Feiern fahren. Ihre Antwort hat ihn überrascht. „Sie sagten“, berichtet der Chef, „die Stuttgarter City ist uns zu kriminell.“ Das LKA nennt sich selbst „Concert Hall und Disco“. Das Wort Disco aus den 70ern und 80ern hat in Wangen überlebt.
Im Tao und Oz fing er an
Filimonova hat seine Nachtkarriere im Tao und Oz begonnen. Mit 66 Jahren ist noch lang noch nicht Schluss, sang einst Udo Jürgens. Der LKA-Chef hat den Vertrag mit den Hausbesitzern um sieben Jahre verlängert. Was ist das schon? Sein Kollege Michael Presinger verlängerte den Mietvertrag im Perkins Park mit der Stadt als Eigentümerin bis ins Jahr 2050 – bis er dann 96 ist.
Da hat der „Tommy“ noch etwas Zeit. Er führt ein großes Haus, das Disco und Konzerthalle in einem ist. Die obere Etage des Longhorn ist der Backstage-Bereich, wenn Bands spielen. Hier sind die Wände und der gesamte Boden mit Plakaten der Künstlerinnen und Künstler beklebt, die in der ehemaligen Gemüsehalle aufgetreten sind. Ein Museum der Popkultur ist das. Man kann sich kaum sattsehen daran.
Die Exponate erzählen etwa von drei Gastspielen von Rammstein, die zuletzt 1997 mit ihrer „Herzeleid-Tour“ hier waren. „Da hat Till Lindemann mit dem Flammenwerfer über die Köpfe des Publikums bis an die Decke gezielt“, erzählt der Chef, „den Schaden sieht man heute noch.“ Der 1994 verstorbene Kurt Cobain ist mit Nirvana im Longhorn ausgepfiffen worden. Nina Hagen hat sich 1987 auf Deutschland-Tour für Wangen entschieden. Wenn die Wände mit den vielen Bildern der Bands nur erzählen könnten!
„Zu mir kommen die Bands zu zwei verschiedenen Phasen“, sagt Tommy Filimonova, „zuerst, wenn sie auf dem Weg nach oben sind,und dann, wenn es wieder abwärts geht.“ Sollten Rammstein mal nicht mehr die Stadien füllen, schauen sie vielleicht wieder in Wangen vorbei – ohne Row Zero.
Die Nacht der Anekdoten
Die Feier des 40. Geburtstags ist die Nacht der Anekdoten. Irgendwann ist der Name verlängert worden, aus dem Longhorn wurde das LKA Longhorn geworden. Die Abkürzung steht – aber nein, nicht für Landeskriminalamt – für „Longhorn Kulturaustausch“. Mit dem Erreichen des Schwabenalters ist der Club in Wangen nach der Boa (Gründung: 1977) und dem Perkins Park (seit 1980) die drittälteste Nachttanzstation von Stuttgart, die es immer noch gibt.
Einer der häufigen LKA-Besucher ist Bär Läsker, einst DJ der Disconächte und heute Fanta-Manager. Im Buch „Wir waren Disco“ des Fotografen Norbert Neon, der vor wenigen Tagen seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, wir der Bär ein bisschen sentimental. „Wir hatten kein Handy, kein Instagram, kein Whatsapp, kein Facebook, kein Internet“, schreibt er, „wir waren Teil eines nie enden wollenden täglichen Abenteuers.“ Seine Generation habe den „Spaß ihres Lebens“ gehabt und „Zeit im Überfluss“, die ausgekostet wurde.
Alles Gute, Longhorn!
„Alles war irgendwie lebenswert“, erinnert sich Läsker, „und hatte ein unglaubliche Qualität.“ Rennt uns heute etwa die Zeit mit den ganzen digitalen Spielereien schneller davon aus früher? Alles Gute, Longhorn, auf die nächsten 40 Jahre! Die kommen schneller, als einem lieb ist.