Nach ungezählten Brüsseler Nachtsitzungen – alle bis zum Morgengrauen abgesessen – musste ich einfach dem Leser erklären, warum man in Politik und Arbeitskampf Nachtsitzungen braucht. Nicht um die Welt oder Europa zu retten oder die Tarifpolitik neu zu erfinden. Nachtsitzungen kreisen um läppischen Kram. Nehmen wir Tarifverhandlungen: Drei Prozent bieten abends die Arbeitgeber (schon), auf 3,5 Prozent pochen die Gewerkschaften (noch). Wenn die Sonne aufgeht, ist die Einigung da: 3,25. Warum braucht man dazu die Nacht? Die Erklärung ist einfach. Wenn die Unterhändler im Morgengrauen müde und grau in die Fernsehkameras stammeln, ist auch dem engagiertesten Zuschauer klar: mehr war nicht drin. Nachtsitzungen sind Argumente. Oder sie ersetzen solche. – Dieser aufklärerische Artikel erschien in der Stuttgarter Zeitung. Der Autor hätte nie den Mut gehabt, ihn für den Theodor-Wolff-Preis einzureichen. Die StZ auch nicht. Die „Hannoversche Allgemeine“, die den Text ebenfalls druckte, legte ihn – mutig und ohne zu fragen – der Jury vor. Glück! Glück! Auch wenn es schwer war, in Stuttgart zu erklären, warum die HAZ den Preis bekam.