Die Björn Steiger Stiftung hat am Sonntagabend in Winnenden ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert – mit rund 450 geladenen Gästen. Beim Festakt hat der Stiftungspräsident Pierre-Enric Steiger eine gründliche Reform des Rettungsdienstes in Deutschland angemahnt.

Winnenden - Roter Teppich und Blaulicht vom Baby-Notarztwagen Felix zum Empfang der Gäste vor dem Kärcher Auditorium, stürmischer Stehbeifall für die Familie Steiger: Am Sonntagabend hat Letztere anlässlich des 50. Geburtstags der Björn Steiger Stiftung mit einem von den Journalisten Dunja Hayali und Jörg Thadeusz moderierten Festakt und rund 450 geladenen Gästen das Jubiläum in Winnenden gefeiert. In kurzen Filmbeiträgen, Gesprächen und Festreden ist dabei die Entstehung und Arbeit der Björn Steiger Stiftung erzählt und gewürdigt worden. Diese habe, so betonte der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in seiner Rede, „den Grundstein für ein flächendeckendes Rettungswesen in Deutschland gelegt“.

 

Dass ein solches im Jahr 1969 noch nicht existierte, haben Ute und Siegfried Steiger leidvoll erfahren müssen. Ihr achtjähriger Sohn Björn verstarb nach einem Unfall, der sich nur wenige hundert Meter von seinem Zuhause ereignet hatte – an einem Schock. Die „Rückspiegelrettung“, also der Blick in den Rückspiegel zum Patienten, sei das Einzige gewesen, was ein Krankenwagenfahrer damals für Verletzte habe tun können, berichtete Schäuble. Denn die Krankenwagen waren weder mit Funkgeräten ausgestattet, noch befanden sich ein Notarzt, Infusionen oder Defibrillatoren an Bord. Auch die Berufe des Rettungssanitäters und -assistenten seien erst dank der Arbeit der Stiftung entstanden, sagte Schäuble: „Der Tod von Björn hat unser Land verändert.“

Gegen die Rettungswüste gearbeitet

„Viele Eltern wären in Trauer versteinert angesichts dieser traumatisierenden Situation, aber nicht Ute und Siegfried Steiger“, würdigte Jürgen Gramke, der Vorsitzende des Präsidialrats der Björn Steiger Stiftung, den Entschluss von Björns Eltern, das Rettungswesen aufzubauen. Viel Arbeit, denn: „Wir waren eine Rettungswüste.“ Was anfangs unvorstellbar gewesen sei, habe sich dank des selbstlosen Einsatzes der Steigers zu einem Erfolgsprojekt entwickelt, betonte Gramke.

Um seine Stiftung handlungsfähig zu machen, habe das Paar anfangs sogar Hypotheken auf sein Wohnhaus aufgenommen. „Erst sechs Jahre nach der Gründung wurde der erste Mitarbeiter eingestellt“, berichtete Jürgen Gramke: „Das war ein Monteur für die Notruftelefone.“ Auch Hartmut Jenner, Vorstandsvorsitzender der Firma Kärcher und somit Hausherr im Auditorium, würdigte die Lebensleistung der Steigers und zog Parallelen: die Steiger Stiftung und die Firma Kärcher seien „seelenverwandte Unternehmen“, denn sie verträten ganz ähnliche Ziele und Werte.

Eisenmann fordert harte Strafen für Gaffer

Werte waren auch das Thema der Kultusministerin Susanne Eisenmann als Vertreterin der Landesregierung. Sie sagte, sie verbinde mit der Björn Steiger Stiftung Werte wie „Mitmenschlichkeit, Achtsamkeit und Respekt vor jedem einzelnen“ – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Hautfarbe. „Das Bilden einer Rettungsgasse scheint für die Deutschen eine große Herausforderung zu sein“, übte Eisenmann Kritik – und sagte, die Strafe für Gaffer, die Lust am Leid anderer hätten, könne gar nicht hart genug sein. Gemeinsam mit der Stiftung als Partner müsse man „möglichst allen Schülern vermitteln, wie man hilft“.

Der Stiftungspräsident Pierre-Enric Steiger betonte, es gebe auch nach 50 Jahren Stiftungsarbeit viel zu tun. Der Rettungsdienst im Land sei nicht mehr zeitgemäß, denn er beruhe noch auf der Struktur der 1970er Jahre, die sein Vater entwickelt habe. „Wir müssen ihn neu erfinden und schauen, was im Ausland besser ist.“ Dringend nötig seien einheitliche Standards in allen Bundesländern: „Es kann nicht sein, dass es von Ort und Uhrzeit abhängt, wie ich gerettet werde.“

Ein wichtiges Projekt der nahen Zukunft sei da das Ausbildungszentrum, welches seine Stiftung südlich von Berlin errichten werde. Dort sollen künftig „alle Aspekte der Rettung durchsimuliert werden können“.

Wie alles begonnen hat

Geschichte
: Die Björn Steiger Stiftung haben Ute und Siegfried Steiger am 7. Juli 1969 aus einem traurigen Anlass gegründet: Am 3. Mai war ihr achtjähriger Sohn Björn in Winnenden von einem Auto erfasst worden. Es dauerte fast eine Stunde, bis ein Krankenwagen eintraf. Björn starb – am Schock, nicht an seinen Verletzungen.

Stiftung:
Ziel der neuen Stiftung war es, in Deutschland eine Notfallhilfe aufzubauen. Ein Meilenstein war von Juli 1971 an die Ausstattung der Bundesstraßen mit Notruftelefonen. Die Stiftung engagierte sich auch für den münzfreien Notruf aus Telefonzellen, der 1984 wahr wurde, und forcierte die bundesweit einheitlichen, bis heute geltenden Notrufnummern 110 und 112.

Preis:
Beim Festakt hat die Björn Steiger Stiftung ihren Lebensretterpreis verliehen. Ausgezeichnet wurden Simone Simchen, die Spenden für Defibrillatoren sammelte, sowie Alexandra Lenk-Schiede und Tobias Gehrlein, die als Ersthelfer Leben retteten.