Kein deutscher Handballer hat seinen Sport stärker beeinflusst als Bernhard Kempa. Was bisher noch keiner wusste: Kempa ist indirekt auch an der Gründung des Eichenkreuz Stuttgart vor 50 Jahren beteiligt.

Stuttgart - Kein deutscher Handballer hat seinen Sport stärker beeinflusst als Bernhard Kempa. Nicht nur wegen des gleichnamigen Kempa-Tricks. Der Weltmeister und mehrfache Deutsche Meister als Spieler und Trainer von Frisch auf Göppingen konnte Menschen bewegen und begeistern. Was bisher noch keiner wusste: Kempa ist indirekt auch an der Gründung des Eichenkreuz Stuttgart, dem Verein für Sport in der evangelischen Jugend, vor 50 Jahren beteiligt gewesen.

 

Wie es dazu kam, erzählt Franz Urban (83) immer wieder gerne. Voller Begeisterung und sichtlicher Rührung: „Bernhard Kempa war zwischen 1952 und 1954 unser Sportlehrer auf der Höheren Handelsschule in der Rotebühlstraße“, erinnert sich Urban. Schon damals lautete das Motto der Jungs: „Scheiß Geräteturnen, wir spielen lieber Handball.“ Aber so richtig Feuer hat der junge Franz Urban erst durch Kempa gefangen. Nachdem ihn die deutsche Handball-Legende, die 2017 in Bad Boll mit 96 Jahren starb, zu einem Schul-Testspiel eingeladen hatte, war Franz Urban nicht nur im Bann von Bernhard Kempa – die Liebe zum Handballsport ließ ihn spätestens von diesem Moment an nie mehr los.

Damals spielte Franz Urban, der heute in Feuerbach lebt, mit seinen Kumpels aus der Johannesgemeinde Handball. „In die Kirchengemeinde waren wir ohnehin eingebunden“, erinnert er sich, was lag näher als auch dort mit den Freunden Sport zu treiben. „Ich habe elf Leute zusammengetrommelt, um Feldhandball zu spielen“, sagt er und betont: Die Freundschaften aus dieser Zeit der Handballrunden der evangelischen Jungmännerwerke hätten bis heute gehalten, selbst über weite Entfernungen. „Der Zusammenhalt war unser großes Plus.“

Es muss ein besonderer Geist gewesen sein, der die Sportsmänner in der Nachkriegszeit zusammenschweißte. „Es gab nichts Anderes“, sagt Urban, „entweder Filmeschauen im Amerikahaus oder Sport.“ Aber eben Sport mit einem besonderen (Selbst-)Verständnis. „Natürlich waren wir ehrgeizig“, sagt Urban, „aber wir waren und sind ein Sportverein für alle – ohne extremen Leistungsdruck.“ Dies gilt laut Regina Ullrich, Referentin beim Evangelischen Jugendwerk, noch heute bei den knapp 500 Mitgliedern im Eichenkreuz Stuttgart.

Und doch hatten die Verbandsport-Vereine damals einen großen Vorteil: nämlich eigene Spiel- und Trainingsstätten. Franz Urban und seine Mannen spielten mal hier, mal dort. Mal im Ramsbachtal, mal im Weidachtal oder in Birkach, Möhringen und Weilimdorf. Immer nur geduldet, nie richtig integriert. Oft fragten die Hausherren: „Wollt ihr jetzt eigentlich laufend kommen?“ Spätestens da war Urban und seinen Mitstreitern klar: „Wir müssen unseren eigenen Verein gründen. Dann kommen wir auch leichter an Hallen und Plätze.“

Bei der Gründerversammlung des Eichenkreuz Stuttgart und den Anschluss an den Württembergischen Landessportbund (WLSB) am 6. Mai 1970 wird Franz Urban zum Beisitzer in den Vorstand gewählt und prägte die Geschicke lange Jahre auch als Trainer mit.

Ganz im Sinne der Symbolik des Vereins – dem Eichenkreuz. Es sind die Eigenschaften des Baumes: der Stärke des mächtigen Stammes und dem Kreuz der Eichenzweige, die Verbundenheit ausdrücken. Nicht zuletzt liegen hier auch die Verbindungen zum christlichen Kreuz samt dessen moralischer Wertebasis.

„Obwohl viele Jugendliche heute diesen christlichen Hintergrund kaum noch kennen“, sagt EJUS-Referentin Regina Ullrich, würden diese Werte bis heute gelten – natürlich auch in den weiteren Eichenkreuz-Sportangeboten wie Kajak, Klettern und Tischtennis. Genau das schätzt auch OB Fritz Kuhn am Eichenkreuz: „Neben der Vermittlung sozialer Werte führt der Verein Jung und Alt zusammen.“ Was heute gilt, galt offenbar schon in der Gründerzeit. „Wir haben niemanden gefragt, bist du katholisch oder evangelisch?“, sagt Franz Urban, „die christlichen Werte waren wichtig“. Man könnte auch sagen: Es zählte vor allem, was einen Menschen ausmacht. Seine Güte, seine Fairness, sein Teamgedanken und seine Kameradschaft. Wenn man dazu auch noch gemeinsam Erfolge feiern kann, umso schöner. Aber im Eichenkreuz Stuttgart war und ist das nicht das höchste Ziel.