Von Pink Floyd über Pina Bausch bis Wallace & Gromit: Acht Hymnen an den Mond aus Kunst, Musik, Tanz und Literatur

Stuttgart - „Der Mann im Mond, der hat es schwer, denn man verschont ihn heut’ nicht mehr“, singt Gus Backus acht Jahre bevor Neil Armstrong die Leiter seiner Raumkapsel hinabklettert. Tatsächlich: Armstrong ist nicht der Erste, der die Ruhe des Mondmanns stört. Jules Verne zum Beispiel fliegt schon 1865 auf den Mond, H. G. Wells schickt 1901 eine Expedition, Georges Méliès feuert 1902 mit einer Kanone eine Kapsel ab, die das Mondgesicht arg verunstaltet, und 1912 schließt sich ein Maikäfer namens Herr Sumsemann in „Peterchens Mondfahrt“ einer Reisegesellschaft an.

 

Diese „schweflige Hyäne“ (Morgenstern), diese „nackerte Kugel“ (Jörg Graser) hat schon immer die Fantasie nicht nur Reiselustiger angeregt. Der Mond, der ein Lieblingsmotiv der Romantik war, hüllt Liebende in fahles Licht, gebiert Werwölfe, steht für die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, für den stetigen Wandel, für den Tod. In einer Entfernung von 384 400 Kilometern dreht er sich um die Erde. Ebenso weit ist es vom Mond, den Sting über der Bourbon Street aufgehen lässt, bis zu dem aus Debussys „Clair de lune“, von Creedence Clearwater Revivals „Bad Moon Rising“ zu Herbert Grönemeyers „Vollmond“.

Weil der Mythos Mond auch 50 Jahre nach der Apollo-11-Mission nichts an seiner Faszination eingebüßt hat, erinnern wir hier an acht besonders schöne Mondstücke. (gun)

Matthias Claudius – Der Mond ist aufgegangen

Unzählige Spieluhren klimpern die Melodie, die Johann Abraham Peter Schulz, damals Hofkapellmeister in Kopenhagen, 1790 über das gut ein Jahrzehnt zuvor entstandene „Abendlied“ von Matthias Claudius schrieb. Und unzählige Kinder mögen mit den Naturbildern von „Der Mond ist aufgegangen“ eingeschlafen sein, deren Idylle nur in einem kurzen Satz mit einem „kalten Abendhauch“ die Ahnung einer möglichen Bedrohung durchweht. Astronomen haben sich über die Wahrscheinlichkeit von Claudius’ Mondbeschreibungen den Kopf zerbrochen, Theologen über sein Gottesbild. Am engsten bei der Dichtung selbst blieben aber vielleicht all jene Kinder, die den Text weiterträumten, weil sie ihn nicht verstanden. So wurde aus dem „weißen Nebel wunderbar“ der „weiße Neger Wumbaba“: Welch wunderbare Poesie! (ben)

Wallace & Gromit – Alles Käse

Von all den Legenden, die die Mythenmaschine Mond hervorgebracht hat (Der Mann im Mond! Die Werwölfe! Bei Vollmond abgefülltes Mineralwasser!), ist die, dass der Mond aus Käse sei, die schönste. Der exzentrisch-drollige Wallace und sein treu-stoischer Hund Gromit (die Knetgummi-Helden der britischen Aardman-Studios) bauen sich mal schnell eine Rakete und finden beim Picknick auf dem Mond heraus, dass der Käse dort nicht so gut wie Cheddar schmeckt. (gun)

Caspar David Friedrich – In Betrachtung des Mondes

Hätte Caspar David Friedrich beim Fernsehen gearbeitet, hätte er auf seinem Gemälde „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ sicher einen Vollmond gemalt. Im Film ist die Mondsichel selten, auf dem Gemälde aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wird sie dagegen zum Hauptakteur und ist perfekt in die Komposition eingebettet. Die Öffnung zwischen den zwei Rückenfiguren und dem Baum gemahnt an die Beschränktheit des irdischen Seins, dazwischen aber öffnet sich der weite Kosmos. Aufgabe der Kunst sei, den Geist der Natur „mit ganzem Herzen und Gemüt“ zu durchdringen, meinte der Romantiker Friedrich, der als der Mondmaler schlechthin gilt. (adr)

Pink Floyd – The dark Side of the Moon

Von schwindender Zeit („Time“), Gier („Money“), Konflikt („Us and them“), Tod („The great Gig in the Sky“) und Wahnsinn („Brain Damage“) kündet die Rockband Pink Floyd in den epischen, für die Ewigkeit komponierten Songs ihres Konzeptalbums „The dark Side of the Moon“ (1973). Es hätte auch „The dark Side of the Mind“ heißen können, der Erdtrabant wird hier zum Sinnbild für Licht und Schatten auf der menschlichen Seele; die psychische Erkrankung des ersten Pink-Floyd-Frontmanns Syd Barrett wirkte nach. Diese Platte kann aufwühlen, und sie kann auf wundersame Weise trösten – so wie der Mondschein, der die Sehnsüchte und die Unrast der Schlaflosen illuminiert. (ha)

Joseph von Eichendorff – Mondnacht

Weiter als Eichendorffs „Mondnacht“ kann sich kein Text von der technischen Meisterleistung, als die man die Mondlandung von 1969 betrachten muss, entfernen. „Es war, als hätt der Himmel / die Erde still geküßt, / daß sie im Blütenschimmer / von ihm nun träumen müßt“, heißt es in der ersten Strophe des 1837 geschriebenen Gedichts, das die Stimmung einer sternenklaren Nacht einfängt – oder vielmehr den Zauber, den eine als mystisch erlebte Natur verströmt: Himmel und Erde als Liebespaar, träumend ineinander verschlungen in einem Rausch, der am Ende – dritte und letzte Strophe – den Betrachter selbst mitreißt: „Und meine Seele spannte / weit ihre Flügel aus, / flog durch die stillen Lande, / als flöge sie nach Haus“ – und wo immer dieses „Haus“ sein mag, mit einer bemannten Reise zum Mond erreicht man es nicht. Im Gegenteil: Eichendorffs „Mondnacht“ war und ist ein Einspruch gegen die Entzauberung der Welt, mit oder ohne Nasa. (rm)

Pina Bausch – Vollmond

Viel Wasser ist im Spiel und ein Fels, geheimnisvoll funkelnd wie Mondgestein. Vor allem aber geht es in Pina Bauschs Stück aus dem Jahr 2006, einem der letzten Werke der Tanztheaterlegende, um Zwischenmenschliches. Der Mond bringt auf der Erde nicht nur Wassermassen in Bewegung, er macht Liebende närrisch, lässt Herzen schneller schlagen. Wie dem Sturm, der zwölf Tänzern hart ins Gesicht peitscht, sind Frauen und Männer einander ausgesetzt. Welch schöner Zufall: Pina Bauschs Geschlechterkampf ist vom 28. bis 30. Mai 2020 im Rahmen der Schlossfestspiele zu Gast in Ludwigsburg. (ak)

Max Kruse – Urmel fliegt ins All

Wie groß einst die Begeisterung über die Monderoberung war, kann man auch an diesem Buch ablesen: Bereits als zweiten Teil seiner Urmel-Reihe schenkte Max Kruse 1970 der deutschen Literatur sein bahnbrechendes Werk „Urmel fliegt ins All“. Auf Einladung eines sympathischen Aliens bricht darin die gemischte Tiergruppe von der Insel Titiwu auf zur Expedition in den Weltraum. Eigentlich soll es schnurstracks im Raumschiff zum fernen Planeten Futura gehen. Aber das Urmel besteht auf einem Zwischenstopp auf dem Mond – wo es dann bei seinem eigenen Mondspaziergang fast verloren geht. Aber zum Glück behält seine Pflegemutter, das Hausschwein Wutz, den Überblick: „Urmel! Trödel nicht!“ (schl)

Siouxsie & the Banshees – Lunar Camel

Der Hang zu Düsternis, zum Weltentrückt-Eskapistischen war wohl in keinem Genre so ausgeprägt wie in dem, was früher übelmeinend Gruftiemusik und an und für sich Gothicrock genannt wird. So auch bei Susan Janet Ballion, der Sängerin von Siouxsie & The Banshees. Stets (selbst für eine Engländerin bemerkenswert) leichenblass zeigte sich die ungekrönten Königin dieser Spielart der Independentmusik, verwunschen und sinister klangen die Texte der Songs. „Fly me to the Moon, get me there soon“, singt Siouxsie in „Lunar Camel“. Viel somnambuler Überdruss an der Welt an sich klingt da durch – und viel von der Hoffnung, dass es woanders viel schöner als hier sein könnte. (juw)