Vor 50 Jahren eröffnete der Moskauer Vertrag die sozialliberale Ostpolitik. Ausgleich statt nackter Eigennutz – der Unterschied zu heute könnte nicht größer sein.

Stuttgart - Am 12. August 1970 unterzeichneten Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und der sowjetische Regierungschef Alexej Kosygin im Katharinensaal des Kreml den Moskauer Vertrag. In fünf Artikeln und einer Präambel verpflichteten sich beide Staaten, „den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten und die Entspannung zu erreichen“. Zugleich erklärten sie die Grenzen in Europa als „unverletzlich“, was die Oder-Neiße-Grenze zwischen der DDR und Polen ebenso einschloss wie die innerdeutsche Grenze. Das Wort „unverletzlich“ war nicht zufällig gewählt: Eine mit friedlichen Mitteln herbeigeführte Vereinigung beider deutschen Staaten sollte nicht als vertragsbrüchige Verletzung, sondern durfte als statthafte Korrektur verstanden werden. In einem „Brief zur deutschen Einheit“ betonte die Bundesregierung, dass die Bundesrepublik auf eine Zustand des Friedens in Europa hinwirke, „in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit in wiedererlangt“.