Was macht die Pornoflut im Internet mit der Jugend? Wie wirkt sich die Dauerdiagnostik in der Schwangerschaft auf die Paare aus? Und was wird in 50 Jahren in der Reproduktionsmedizin möglich sein? Ein Interview mit der Ärztin Marion Janke von Pro Familia Stuttgart anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Beratungsstelle.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)
Stuttgart - In den Anfangsjahren von Pro Familia ist es nur um die Pille gegangen, heute gehören Leihmütter und Eizellenspenden im Ausland zu den Themen in den Beratungen. Marion Janke, Ärztin und künftige Geschäftsführerin von Pro Familia Stuttgart, plädiert dafür, Eizellenspenden auch in Deutschland zu erlauben. Sie hält Pränataldiagnostik für einen modernen Abwehrzauber und sagt allen Paaren, dass es keine Garantie auf ein gesundes Kind geben wird, egal wie viele Untersuchungen sie machen lassen.
Frau Janke, Pro Familia steht für selbstbestimmte Sexualität und Familienplanung. Was hieß das 1965, und was heißt das 2015?
1965 ging es darum, überhaupt über die Zahl der Kinder zu entscheiden und Zugang zu Verhütungsmitteln zu haben. Die Pille war relativ neu auf dem Markt. Sie war das, was interessierte. Sie durfte nur verheirateten Frauen über 30 Jahren mit Kindern verschrieben werden als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden. Heute beschäftigt Frauen vielmehr ihre biologische Uhr und der richtige Zeitpunkt für ein Kind oder neue medizinische Wege, um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen.
In den 60er Jahren war die Pille umstritten, bis vor Kurzem noch war es die Pille danach. Erst seit diesem Jahr gibt es diese in Deutschland ohne Rezept.
Gegen die Pille danach sind exakt die gleichen Argumente angeführt worden wie 1965 bei der Einführung der Pille: die Angst, dass die Frauen nun zügellos ihre Sexualität leben können. Dass sie selbstbestimmt sein können. Das wurde damals genauso als Bedrohung angesehen wie heute. Frankreich hat seit fast fünfzehn Jahren Erfahrung mit der rezeptfreien Vergabe, und man kann sehen, dass sich weder das Verhütungsverhalten verändert hat noch die Geschlechtskrankheiten zugenommen haben. Verhütungspannen sind normal. Wenn ein Paar sich um eine Pille danach bemüht, ist das in höchstem Maße verantwortungsvoll.
Die Zahl der Abtreibungen geht zurück, was mit der Pille danach noch nichts zu tun haben kann. Wie erklären Sie den Rückgang?
Es gibt einfach viel weniger Frauen im gebärfähigen Alter. Der Rückgang ist aber auch ein Erfolg guter Aufklärung. Wir wissen, dass Jugendliche, die immer als Risikogruppe gelten, heute so verantwortungsvoll verhüten wie noch keine Generation zuvor. Die Mehrheit der Frauen, die abtreiben, ist nicht jung, sondern im mittleren Alter und bereits Mutter. Für sie geht es um selbstbestimmte Familienplanung.
Trotz der rückläufigen Zahlen sehen sich die Abtreibungsgegner im Aufwind. Rund um die Schließung der Klinik Stapf gerieten Sie selbst ins Kreuzfeuer.
Schwangerschaftsabbruch ist nach wie vor ein Tabu, das sich gut eignet, um Stimmung zu machen. Als die Abtreibungsklinik Stapf in Stuttgart neue Räume gesucht hat, war ich erschrocken über die vielen Hassmails, die auch an den potenziellen Vermieter gingen. Das ist eine radikale Minderheit, die aber viel Schaden anrichtet. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Mehrheit der Bevölkerung mit dem Schwangerschaftskonfliktgesetz gut leben kann: Abtreibung ist zwar rechtswidrig, aber straffrei, Beratung ist Pflicht.
Fehlt denn die Klinik Stapf jetzt?
Wir nehmen keinen akuten Notstand wahr, können aber auch nicht ausschließen, dass Frauen in andere Bundesländer fahren, um einen Abbruch vornehmen zu lassen. Erst wenn wir die Statistik von 2015 haben, können wir Genaueres sagen.