Mehr als 1,2 Milliarden Euro hat die Robert Bosch Stiftung in den letzten fünfzig Jahren in gemeinnützige Arbeit investiert. Sie hat sich damit viel Anerkennung erworben – aber auch eine Verpflichtung für die Zukunft.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Der Anfang war nüchtern. Es gab keine großen Reden, keine musikalische Umrahmung, kein illustres Publikum. Am 26. Juni 1964 trafen sich lediglich Erben und Testamentsvollstrecker des Unternehmers Robert Bosch, der 22 Jahre zuvor verstorben war, zum Mittagessen in einem Stuttgarter Restaurant. Anschließend kamen sie in der damaligen Geschäftszentrale der Robert Bosch GmbH in der Breitscheidstraße 4 zusammen und ließen sich vom Notar einen „Geschäftsanteilekauf – und Übertragungsvertrag“ beglaubigen.

 

Mit diesem trockenen Rechtsakt ging vor fünfzig Jahren eines der größten deutschen Unternehmen in eine Stiftung über. Die Familie Bosch verzichtete bis auf einen kleinen Rest auf ihre Firmenanteile. Folgerichtig floss auch der übergroße Teil des im Konzern verdienten Geldes fortan nicht mehr an sie, sondern an die nun begründete Stiftung. „Bosch-Gewinn dient künftig überwiegend der Allgemeinheit“, hieß es auf Sonderaushängen an den Schwarzen Brettern, mit denen die Mitarbeiter des Bosch-Konzerns über die neuen Eigentümerverhältnisse informiert wurden.

Die Zeremonie fällt gewollt unspektakulär aus

Wenn die Robert Bosch Stiftung am Donnerstag ihr Fünfzig-Jahr-Jubiläum feiert, geht es nicht mehr so schmucklos zu wie am Gründungstag. Zweihundert Gäste sind in das frühere Wohnhaus von Robert Bosch auf der Stuttgarter Gänsheide eingeladen, wo die Stiftung inzwischen ihren Sitz hat. Lesungen und musikalische Einsprengsel begleiten den Abend. Reden werden gleich mehrere gehalten – auch eine vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Aber gemessen an der Bedeutung der Stiftung und heutigen Feier-Gewohnheiten fällt auch diese Zeremonie eher zurückhaltend aus.

„Meine Absicht geht dahin, neben der Linderung von allerlei Not vor allem auf die Hebung der sittlichen, gesundheitlichen und geistigen Kräfte des Volkes hinzuwirken“, hatte Robert Bosch einst als sein Credo formuliert. Dieses philanthropische Erbe versucht die Stiftung zu wahren. „Wir kümmern uns insbesondere um Bildung, Gesundheit und internationale Verständigung“, sagt Ingrid Hamm, seit 2003 in der Geschäftsführung der Stiftung. „Wir glauben, dass Menschen die Welt verändern. Wir investieren deshalb mehr als andere in vor allem junge Menschen, von denen wir uns erhoffen, dass sie dazu beitragen, die Welt zum Besseren zu entwickeln.“

Mit einer Spende von einer Million Goldmark für die Technische Hochschule Stuttgart hatte Robert Bosch im Jahr 1910 sein „schier unvergleichliches Mäzenatentum“ (Theodor Heuss) begründet. Mehr als 1,2 Milliarden Euro investierte die Robert Bosch Stiftung in einem halben Jahrhundert in gemeinnützige Arbeit. Inzwischen gibt sie rund siebzig Millionen Euro jährlich aus – für rund 800 Projekte. Gemessen an ihren Ausgaben rangiert sie unter den gemeinnützigen Stiftungen privaten Rechts auf Platz zwei in Deutschland, nur die Volkswagen Stiftung fördert mit noch mehr Geld.

Die Stiftung ist gleichzeitig Eignerin eines Unternehmens

Unter den großen deutschen Stiftungen gehört die Robert Bosch Stiftung zu den wenigen, die gleichzeitig Eignerin eines Unternehmens ist. Rund 92 Prozent der Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH hält sie, die Stimmrechte nimmt die Robert Bosch Industrietreuhand KG wahr. Das macht die Stiftung einerseits vom Wohl und Wehe des Unternehmens abhängig. Andererseits ist sie damit unabhängig von der Verzinsung eines festen Kapitalstocks, den ein Stifter bereitstellt – ein Vorteil, wenn es wie heute für risikoarme Geldanlagen nur dürftige Zinsen gibt.

Ein neuer Schwerpunkt ist das Thema Flucht und Asyl

Stiftungen brauchen eine dauerhafte, stabile Finanzierung – gerade wenn sie wie bei Bosch den Anspruch erheben, „mit langem Atem zu arbeiten“ (Hamm). Beispiel Völkerverständigung: Neben dem innereuropäischen Ausgleich und den transatlantischen Beziehungen zu den USA, denen sich die Stiftung seit Jahrzehnten widmet, hat sie sich in letzter Zeit verstärkt Asien, und darin vor allem China, zugewandt. Auch in Afrika engagiert sie sich seit Kurzem. Stand früher oft die Versöhnung nach Kriegen im Mittelpunkt, geht es heute immer mehr um die Förderung von Medienfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerbeteiligung. Ein neuer Schwerpunkt ist das Thema Flucht und Asyl – die Ursachen und Folgen der Zuwanderungs- und Flüchtlingswellen.

Die Bosch-Stiftung hat auf allen diesen Gebieten eine ausgeprägte Tradition der Kooperation mit anderen Institutionen – nicht selten auch anderen Stiftungen. Deren Zahl steigt weltweit in hohem Tempo. In Deutschland gibt es mehr als 20 000 Stiftungen bürgerlichen Rechts, jeden Tag kommen im Schnitt zwei neue dazu.

Die Stiftung orientiert sich an unternehmerischem Denken

Sie alle wirken allerdings winzig gegen die „Bill & Melinda Gates Foundation“. Sie ist mit einem Stiftungskapital von 36 Milliarden US-Dollar und mehr als tausend Mitarbeitern die größte Privatstiftung der Welt. Von ihr und anderen jungen Mammutstiftungen können die deutschen trotz des Größenunterschieds viel lernen. „Das unternehmerische Denken in diesen Stiftungen ist größer als in vielen traditionellen Stiftungen“, sagt Ingrid Hamm. „Auch wir in der Bosch-Stiftung orientieren uns an unternehmerischem Denken, aber diese neuen Stiftungen machen es in durchaus beeindruckender Weise vor.“

Vielfältige Förderung durch die Bosch-Stiftung

Personal
In Stuttgart und Berlin arbeiten zusammen rund 140 Mitarbeiter. Zu den Schwerpunkten der Stiftungsarbeit gehören:

Völkerverständigung
Die Stiftung begann ihr Engagement auf diesem Feld mit den deutsch-französischen Beziehungen, heute ist sie global ausgerichtet.

Bildung
Im September wird in Freiburg das United World College (UWC) eröffnet – eine Schule für 200 Kinder aus aller Welt. Es ist das bisher größte Einzelprojekt in der Geschichte der Stiftung.

Kultur
Fast zweitausend Autoren und Übersetzer förderte die Stiftung bis heute. Mit dem Albert-von-Chamisso-Preis hat sie einen herausragenden Literaturpreis gestiftet.

Gesundheit
Seit 35 Jahren engagiert sich die Stiftung in der Kranken- und Altenpflege. In Stuttgart betreibt sie das Robert-Bosch-Krankenhaus und zwei Forschungsinstitute.