1962 kam „Der Schatz im Silbersee“ in die Kinos. Dieses Jubiläum ist in Berlin groß gefeiert worden. Viele Fans und ein paar Stars von damals schwelgten in Erinnerungen. Außerdem wurde geklärt, warum Sam Hawkens aus Plochingen stammt.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Berlin - Der ganze Saal im Hollywood Media Hotel brennt Wunderkerzen ab, um den 93-jährigen Produzenten zu ehren. Artur Brauner hat vor allem die Orientfilme gedreht mit Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi. Die populären Winnetou-Stoffe hatte ihm die Konkurrenz weggeschnappt. Doch sein „Old Shatterhand“ ist der erfolgreichste Karl-May-Film von allen. Das Geld, das er mit diesen Unterhaltungsfilmen verdient hat, steckte er in ambitionierte Filme, die den Faschismus und den Holocaust zum Thema hatten, wie „Hitlerjunge Salomon“.

 

Um die Gala herum hat Michael Petzel vom Karl-May-Archiv in Göttingen vier Tage lang eine Jahrestagung gebastelt. Seit 20 Jahren versammelt der Studienrat die Szene um sich. Die Fans sind mit ihren Helden alt geworden. Die Vorträge haben eher skurrile Themen: Wie Winnetou die Zeitschrift Bravo inspirierte, ihr Maskottchen „Otto“ als Indianerfigur zu gestalten. Warum Sam Hawkens aus Plochingen stammt – und andere offene Fragen.

Reifenspuren zwischen Marterpfählen

Fast wie im Film dürften sich drei betagte Kameraleute gefühlt haben, als sie im Blitzlichtgewitter vom Dreh der Kampfszenen zwischen den Indianerstämmen erzählen. Sie hatten aus sechs Meter langen Baumstämmen einen Schlitten für die Kameras gebaut, die von Traktoren gezogen wurden. Weswegen auch die eine oder andere Reifenspur im Film zu sehen ist.

1962 kam „Der Schatz im Silbersee“ in die Kinos. Damit begann der Erfolg. Die Karl-May-Filme haben sich tief in die deutsche Seele eingebrannt. So tief, dass selbst die Kolportage darauf, „Der Schuh des Manitu“ von Bully Herbig, noch einen Riesenerfolg feierte. Diese Filme der jungen Bundesrepublik waren so bedeutend, dass die DDR-Führung eine eigene Filmreihe mit dem Jugoslawen Gojko Mitic als Oberindianer dagegensetzte.

„Es war die Sehnsucht nach fernen Ländern“, sagt Artur Brauner über das Erfolgsrezept, „die Sehnsucht nach Abenteuern und nach Spannung.“ Damit war es Ende der 60er vorbei. Da wurden dann andere Fragen diskutiert. Brauner fand gar keine Darsteller mehr für neue Folgen.

Wegen Winnetou ins Sauerland

Der Sänger Bill Ramsey ist zur Gala gekommen, um alte Freunde zu treffen wie Chris Howland, der zumeist den spleenigen Briten mimte, und Mitic. Der kantige Jugoslawe machte bei Brauner Karriere, bevor er in den Ost-Western der DDR der ungekrönte König aller Indianer wurde. „Die Zuneigung der Ostdeutschen“, bekennt er ins knackende Mikrofon, „hätte mir der Westen mit Geld nicht bezahlen können.“

Für viele Schauspieler waren die Filme das Karrieresprungbrett. Selbst der später recht exzentrische Klaus Kinski war damals noch eine brave Arbeitsbiene, der anstandslos weiterspielte, obwohl ihm ein Statist aus Versehen einen Pfeil durch den Unterarm geschossen hatte. „Als wir ihn zum Bahnhof brachten, hat er vor Freude geweint, weil er das nicht gewöhnt war“, erzählt ein Kameramann von damals, Heinz Hölscher, der mit 172 Kinofilmen das größte Œuvre hinterlassen hat, das je ein deutscher Kameramann zustande brachte.

Wegen Winnetou ins Sauerland

Die Filmreihe hat nicht nur das Leben der Stars verändert: „Wegen der Karl-May-Filme sind wir ins Sauerland gezogen“, erklärt ein  vierschrötiger Karikaturist aus Duisburg. Und während er mit seinen sechs Jahren noch im Kinosessel schniefte und mit Millionen anderen Deutschen bittere Tränen über den Tod Winnetous vergoss, hatten seine Eltern, die bis dato nur Ruß und Hüttenwerke kannten, zum ersten Mal die Schönheit von Bergen erlebt.

„Die Landschaft, die Darsteller, die Musik, der Edelmut, die Freundschaft, das macht die Filme aus“, sagt der Berliner Franz Wunderlich, der Fotograf geworden ist, weil ihm der Regisseur vom „Schatz im Silbersee“ bei den Karl-May-Festspielen auf die Schulter klopfte und ihn zum Arbeiten hinter die Bühne einlud. Als Set-Fotograf klopfte er dann den Schauspielern auf die Schulter, wenn sie ihm in den Pausen ihre Probleme anvertrauten. Als er das selbst psychisch nicht mehr aushielt, eröffnete er eine Pension.

Könnte man heute einen Karl-May-Film drehen? Der Regisseur Carsten Fiebeler kann nicht. Aber er könnte. Seine Idee heißt „Der letzte Ritt“. Der 82-jährige Winnetou-Darsteller Pierre Brice, der Star des West-Westerns, und der 72-jährige Gojko Mitic, der Star des Ost-Westerns, treffen sich, um gemeinsam noch einmal gegen die Weißen zu Felde zu ziehen, bevor sie in den ewigen Jagdgrüngen vereint werden. Das Projekt kommt nicht voran, weil niemand den Film gegen das Unglück versichern will, sollte einer der Darsteller beim Dreh wegsterben.

Kürzlich soll auch ein baden-württembergischer Regisseur gescheitert sein mit dem Projekt „Im Schatten des Schut“. Und weitere Filme, so wird an diesem Gala-Abend gemunkelt, seien in Vorbereitung.