6000 Stellen will T-Systems in den kommenden zweieinhalb Jahren in Deutschland abbauen, allein 2000 Beschäftigte in der Region Stuttgart bangen um ihren Job. Meistern Unternehmen und Betriebsräte die Radikalkur ohne Kündigungen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart - Die Telekom-Tochter T-Systems will in den kommenden zweieinhalb Jahren 6000 Stellen in Deutschland abbauen. Damit wäre jeder dritte der 17 800 Mitarbeiter betroffen, allein 2000 Beschäftigte in der Region Stuttgart bangen um ihren Job. Außerdem sollen weltweit 600 Millionen Euro eingespart werden – vor allem in Deutschland. Das Unternehmen und die Betriebsräte wollen den wohl ehrgeizigsten Umbau der Firmengeschichte ohne Entlassungen meistern, die Verhandlungen dazu laufen. Doch ist das überhaupt zu schaffen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

 

Wie viele Standorte fallen weg? T-Systems bietet Unternehmen aus vielen Branchen IT-Dienstleistungen an. Derzeit ist T-Systems mit 230 Büros in 100 Städten vertreten. Künftig sollen es weniger als 20 Büros in acht Städten sein. Das habe Geschäftsführer Adel al-Saleh gefordert, sagte der Gesamtbetriebsratschef des Unternehmens, Thomas Schneegans, unserer Zeitung. Das trage man aber nicht mit. Es müssten mehr Standorte erhalten bleiben.

Wie viele Mitarbeiter in der Region Stuttgart und im Südwesten sind betroffen? In Baden-Württemberg arbeiten laut der Gewerkschaft Verdi derzeit 2600 Menschen in zehn Städten. Da es Einsparungen in allen Geschäftsbereichen und auf fast allen Führungsebenen geben soll, sind potenziell viele Mitarbeiter betroffen. Mit knapp 2000 Beschäftigten arbeitet das Gros in der Region Stuttgart – 1700 sind es in Leinfelden und 260 in Stuttgart. Weitere Standorte befinden sich in Karlsruhe (200 Mitarbeiter) sowie in Göppingen, Mannheim, Weingarten und Ulm, wo es im Schnitt 60 bis 80 Beschäftigte gebe, so Verdi. Der Rest der Beschäftigten arbeite in Freiburg, Offenburg und Schwäbisch-Hall.

Welcher Standort bleibt in Baden-Württemberg erhalten? Leinfelden als Hauptstandort ist wohl sicher. Ob noch zumindest in einer weiteren Stadt Büros bleiben könnten, wird derzeit verhandelt. Dabei gehe es nicht nur um die Zahl von Büros an einem Standort, sondern auch „welche Kompetenz wo gebraucht“ werde, so ein Unternehmenssprecher. Auch die Kundennähe spiele dabei eine Rolle. Klar ist auch: Selbst wenn Mitarbeitern anderer Südwest-Standorte Jobs in Leinfelden oder anderswo angeboten würden, müssten viele umziehen oder mit teils sehr langen Fahrten zum Arbeitsplatz rechnen.

Was ist das aktuellste Angebot? T-Systems hat angeboten, auf Entlassungen bis 2020 zu verzichten, falls die angestrebten Einsparungen in Deutschland Schritt für Schritt erreicht würden. Sonst ende der Verzicht auf Entlassungen automatisch. Die Kontrolle soll zu festgelegten Terminen erfolgen. Bis wann wie viel als Zwischenziel eingespart werden soll, wird gerade in einem Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelt. Bis Ende August solle der Fahrplan stehen, sagt ein T-Systems-Sprecher.

Kommt ein Kündigungsschutz? Zurzeit laufen auch die Tarifverhandlungen zwischen T-Systems und der Gewerkschaft Verdi über mehr Gehalt. Die nächste Tarifrunde ist für den 3. und 4. September geplant. Formal hat die Verhandlungsrunde nichts mit den Gesprächen zwischen T-Systems und Betriebsrat zu tun, so kann es nur wegen der Tarifverhandlungen Streiks geben. Aber zwischen Verdi und T-Systems könnte Anfang September der Verzicht auf Kündigungen beraten werden – unter Berücksichtigung der vom Betriebsrat ausgehandelten Zwischenziele.

Warum will T-Systems Entlassungen vermeiden? Das Unternehmen befürchtet einen Imageschaden ebenso wie eine Sozialauswahl, bei der es nicht mehr selbst steuern könnte, welche Mitarbeiter ihren Job behalten. Chef al-Saleh möchte das Programm möglichst rasch umsetzen, wovon die Arbeitnehmervertreter profitieren können. „Wir können auf Zeit spielen, um möglichst gute Angebote für freiwillige Abbauinstrumente zu erhalten“, sagt Manfred Kuntze, der T-Systems für die Gewerkschaft Verdi betreut.

Ist es überhaupt realistisch, dass 6000 Mitarbeiter freiwillig gehen? T-Systems will Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen anbieten, um Entlassungen zu vermeiden. Man wolle Mitarbeiter in andere Jobs innerhalb und außerhalb der Deutschen Telekom vermitteln. Außerdem sollen Mitarbeiter jene Jobs übernehmen, die derzeit noch externe Dienstleister besetzen. Dafür sollen Schulungen angeboten werden. Der Gesamtbetriebsrat hält den Jobabbau auf freiwilliger Basis für „mehr als ambitioniert“. Innerhalb der Telekom gebe es zu wenige Stellenausschreibungen. Insbesondere die Vermittlung von Mitarbeitern im Controlling, Marketing oder im Assistenzbereich werde „enorm schwer“, so Schneegans.

Warum baut T-Systems so radikal um? T-Systems ist das Sorgenkind im Konzern. Der Umsatz wächst nicht, Konkurrenten wie IBM schneiden besser ab. Dass sich etwas tun muss, ist allen Seiten bewusst. Adel al-Saleh, seit Jahresbeginn neuer Chef, will das Unternehmen deshalb radikal umbauen. Unter anderem will er in der Verwaltung und im Management einsparen und die Zahl der Führungsebenen von derzeit fünf bis acht auf bis zu drei senken. Prozesse sollen viel stärker automatisiert werden. Schwache Geschäftsfelder wie die Wartung von PC-Plätzen sollen abgestoßen werden, 300 Millionen Euro sollen in Wachstumsfelder wie Sicherheitslösungen oder das Internet der Dinge fließen. „Es bleibt nicht ein Stein auf dem anderen. Das Unternehmen wird komplett umgebaut“, sagt Schneegans.