Die Ballettschule Pleva besteht seit 70 Jahren: Myriam und Soley Pleva über die Leidenschaft für Ballett und Tanz schon in der vierten Generation – und darüber, ob viele Eltern ihre Kleinen zur Stange schicken.

Stuttgart - Der damalige OB Arnulf Klett holte 1947 Anni-Marks-Pleva nach Stuttgart, um hier eine Ballettschule aufzubauen. Zum 70-jährigen Bestehen stehen mit Enkelin Myriam Pleva und ihrer Tochter Soley die dritte und vierte Generation an der Stange.

 
Frau Pleva, Sie führen die Ballettschule Pleva nach Ihrer Großmutter Anni Marks-Pleva und Ihrer Mutter Doris Pleva in der dritten Generation. Nun steht mit ihrer Tochter Soley schon die vierte Generation im Ballettsaal. Ist das die Erfüllung eines Traumes?
Myriam Pleva: Ja, das ist wirklich ein Traum. Soley ist wie ich auch praktisch im Ballettsaal aufgewachsen und hat, kaum dass sie gehen konnte, mit den ersten Tanzschritten begonnen.
Soley, war es für dich selbstverständlich, eine Ausbildung in klassischem Tanz zu absolvieren? Mit der Aussicht auf eine Bühnenkarriere als Ballerina?
Soley Pleva: Das klassische Ballett bleibt immer die Grundlage. Aber Ballerina zu werden, war nie mein Ziel. Ich habe auch vor ein paar Jahren mit dem klassischen Ballett aufgehört und mich von den Flying Steps aus Berlin zum Breakdance inspirieren lassen. Außerdem nehme ich Schauspielunterricht.
Was ist an Breakdance so spannend?
Soley Pleva: Es bedeutet mehr Freiheit und Unabhängigkeit von festen choreografischen Regeln. Und ich mag die Musik, zum Beispiel von 50 Cent oder Missy Elliott.
Frau Pleva, was sagen Sie als Mutter dazu?
Myriam Pleva: Ich finde es wunderbar. Hauptsache, man tanzt und bewegt sich. Wir unterrichten selbst Hiphop, auch Flamenco und Stepptanz. Auch der Tanz muss mit der Zeit gehen. Es ist doch langweilig, 100 Jahre lang das gleiche zu tanzen.
Anni Marks-Pleva, Ihre Großmutter, soll vom damaligen OB Arnulf Klett geholt worden sein, weil in Stuttgart eine Ballettschule fehlte?
Myriam Pleva: Das ist richtig. Die Menschen sehnten sich nach dem Krieg nach Musik und Tanz und Klett wollte in der zerstörten Stadt dafür sorgen, dass sich die Menschen wieder an Kultur erfreuen konnten.
Anni Marks-Pleva war eine bekannte Tänzerin, aber die Tradition Ihrer Künstlerfamilie reicht noch weiter zurück.
Myriam Pleva: Meine Großmutter wurde 1911 in Berlin geboren. Auch ihr Vater war Ballettmeister und Komödiant, die Mutter Opernsängerin. Die Tochter wurde ebenfalls Tänzerin und Ballettmeisterin, war an der Linden-Oper in Berlin engagiert und gastierte in Russland und in der Tschechoslowakei. In Prag hat sie ihren Mann, den Kapellmeister Ernst Pleva, kennengelernt. Die erste Ballettschule in Stuttgart richtete sie in einem Keller nahe beim Marienplatz ein.
Wer hat damals seine Kinder zum Ballettunterricht geschickt?
Myriam Pleva: Vermutlich Eltern, die sich das leisten konnten. Und solche, die ihren Kindern die Schönheit und den kulturellen Wert von Ballett und Tanz vermitteln wollten. Meine Großmutter war mit Herzblut bei der Sache und trat mit ihren Schülerinnen – es waren und sind heute noch vor allem Mädchen – auch bei Straßenfesten und allen möglichen anderen Veranstaltungen auf.
Warum gehen Kinder heute in die Ballettschule? Stecken dahinter ehrgeizige Mütter?
Myriam Pleva: Die so genannten Eislaufmütter gibt es heute nicht mehr. Die Kinder kommen freiwillig und haben Spaß an Bewegung und Darstellung. Ich will, dass sie glücklich und verschwitzt aus dem Ballettsaal rennen. Streng werde ich nur, wenn sie sie nebenher quatschen. Denn man muss sich auf den Körper, die Spannung und auch den Ausdruck konzentrieren. Wer Ballett gemacht hat, besitzt eine besondere Haltung. Das meine ich auch geistig.