Das Grundgesetz wird 70 Jahre alt. Gefahren erwachsen ihm nicht aus eigenen Leerstellen oder Mängeln, sondern aus der politischen Wirklichkeit. Staatsbürgerliche Tugenden, auf denen es gründet, sind aus der Mode gekommen: Respekt, Toleranz und die Bereitschaft zum Kompromiss.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beginnt mit einem schlichten Wunder. Damit ist nicht das Wirtschaftswunder gemeint, sondern der Umstand, dass aus den Ruinen des Dritten Reiches, aus einem zerstörten Land, dessen Bewohner kurz zuvor noch dem Diktator Adolf Hitler zugejubelt hatten, eine Demokratie entstehen konnte. Schließlich waren nicht wenige Deutsche auch nach Kriegsende noch der Überzeugung, der Nationalsozialismus sei keine völlig schlechte Idee gewesen – nur eben schlecht umgesetzt. Die Demokratie war schon nach dem Ersten Weltkrieg als Staatsform der Siegermächte verschrien, sie bedurfte auch beim zweiten Anlauf ihrer Geburtshilfe. Etliche derer, die dazu berufen waren, eine neue Verfassung zu schreiben, sträubten sich just dagegen. Deshalb trägt diese Verfassung auch einen bescheideneren Titel. Seit nunmehr 70 Jahren gewährleistet sie Stabilität und ein politisches System, dessen Funktionstüchtigkeit inzwischen als beispielhaft gilt.