Mit politischem Sprengstoff kennt Thomas Strobl (CDU) sich bestens aus. Über den echten erfuhr der baden-württembergische Innenminister bei einer Feier zum 70-jährigen Bestehen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes am Dienstag allerhand Neues.

Böblingen - „Respekt“ ist das Wort, das Thomas Strobl an diesem sonnigen Mittag mitten im Böblinger Wald am häufigsten über die Lippen kommt. Der Innenminister staunt über das, was für 33 Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD) Alltag ist: Sprengstoff. Beziehungsweise sehr alter Sprengstoff und die Vernichtung dessen. Tag für Tag suchen, finden, bergen und entschärfen sie das explosive Erbe des Weltkriegs. Patronen und Waffen der Nazis, die einst irgendwo verscharrt oder versenkt wurden, ebenso wie nicht detonierte Bomben und Granaten der Alliierten. Immer noch.

 

Mehr als 70 Jahre nach dem Krieg müsste irgendwann ja mal alles gefunden sein. Sollte man meinen. Dem ist aber beileibe nicht so, wie Strobl berichtet. 850 bis 950 Anfragen Jahr für Jahr aus dem ganzen Land seien ein deutlicher Beleg dafür, dass die Arbeit der Bombenentschärfer ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Menschen in Baden-Württemberg sei. Der KMBD sei unverzichtbar, versicherte Strobl dem Team zum runden Geburtstag. Und: „Dass Sie alle immer wieder gesund zurückkommen, das ist das Wichtigste.“

47.000 Kilogramm Munition vernichtet

Dass sich die Arbeit der Feuerwerker nicht überlebt hat, belegen die reinen Zahlen: Auch in diesem Jahr wurden bis Ende Juli nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart landesweit wieder rund 50 350 Kilogramm Munition gefunden. Mehr als 47 000 Kilogramm wurden von den Experten vernichtet, sagt Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Mit erneut 15 dicken Kriegsbomben von jeweils mindestens 50 Kilo, die entschärft wurden, ist der Durchschnitt der letzten Jahre erreicht, wie Ralf Vendel, Leiter des KMBD, berichtet. Wenn viel gebaut werde, werde immer viel gefunden. Seit Kriegsende wurden mehr als 24 500 Bomben entschärft und vernichtet.

„Wenn Du so im Einsatz bist, da musst Du schon cool sein“, sucht Strobl die Nähe zu den Mitarbeitern. Und immer wieder „Respekt“. Etwa als Vendel ihm die Funktionsweise einer Hydraulikpresse erklärt, mit der die tückischen Langzeitzünder aus amerikanischen Fliegerbomben herausgezogen werden. 2010 waren in Göttingen beim Entschärfen einer solchen Bombe drei Kollegen in den Tod gerissen worden. Diese Bomben waren darauf angelegt, erst Stunden nach dem Abwurf zu explodieren, wenn die Menschen oft schon wieder aus den Bunkern gekommen waren. Nach 70 Jahren unter der Erde habe der chemisch-mechanische Zünder ganz besondere Tücken.

Auch abgegebene Waffen werden verschrottet

Auch rund 200 000 Waffen, die seit dem Amoklauf von Winnenden bei den Behörden abgegeben wurden, sind hier verschrottet worden, wie Reimer berichtet. Hauptsächlich geht es aber um Munition, Patronen und Waffen die deutsche Soldaten zum Kriegsende vor dem Zugriff der Alliierten versteckten, vergruben oder versenkten. Und eben um die Bildgänger. Der KMBD sucht auch anhand von rund 110 000 Luftbildern nach nicht detonierte Bomben und Granaten.

Strobl erfährt auch, wie und womit die Feuerwerker üben, welche Suchgeräte ihnen zur Verfügung stehen oder wie die Bomben dann mit einer Säge endgültig zerlegt werden – überwacht per Video vom Beobachtungsbunker aus. Die Arbeiten von Vendel und seinen Leuten sind nicht selten lebensgefährlich, seit Kriegsende wurden 13 Mitarbeiter tödlich verletzt – der letzte 1955.