Endlich wieder ein Live-Festival: In Cannes herrscht Jubel, Marion Cotillard steht im Fotoblitzgewitter. Der Jury-Präsident Spike Lee wird trotzdem grimmig.

Cannes - Helen Mirren kommt im gelben Abendkleid, Andie MacDowell trägt ihre lange, graue Lockenmähne offen und Jodie Foster begrüßt Spike Lee. Ihnen allen merkt man an, dass sie sich freuen, sich wiederzusehen, sich zu zeigen und feiern zu lassen. Es ist die Eröffnungsgala für die 74. Internationalen Filmfestspiele Cannes und die internationale Filmszene trifft sich an diesem Abend zum ersten Mal nach langer Zeit wieder zu einer großen Feier. Dazu passt auch der Eröffnungsfilm „Annette“, in dem Marion Cotillard und Adam Driver auf der Leinwand tanzen und singen.

 

Cotillard, die einst einen Oscar gewann als Edith Piaf in „La vie en rose“, und Driver, nicht erst seit seiner Rolle als Kylo Ren in „Star Wars“ ein Star, spielen ein ungleiches Liebespaar. Sie ist eine zarte Sopranistin, er ein Komiker, der sein Publikum gern provoziert. Die beiden verlieben sich, heiraten und bekommen eine Tochter: Annette. Doch ihr Glück währt nicht lange.

Auch eine Puppe singt

Der Regisseur dieses Musicals ist Leos Carax, der gern auch als Enfant terrible des französischen Kinos bezeichnet wird. Immerhin legte er so markante Werke wie „Die Liebenden von Pont-Neuf“ und „Holy Motors“ vor. Dass dies kein gewöhnliches Musical werden würde, konnte man also schon vorab ahnen. Und tatsächlich legt der 60-Jährige ein sehr eigenwilliges Werk vor, eines, bei dem die Leinwand flackert, eine Puppe singt, die Tonspur mal orchestral-wuchtig bebt, mal zärtlich-sanft daherkommt.

Jodie Foster gehörte zwar nicht zu den Stars dieses Films. Dennoch ließ sich die 58-Jährige bei der Gala feiern. Denn die US-Schauspielerin, Regisseurin und zweifache Oscar-Preisträgerin wurde in Cannes mit einer Ehrenpalme für ihr Lebenswerk geehrt, zu dem unter anderem „Taxi Driver“ und „Das Schweigen der Lämmer“ zählen.

Spike Lee wird wütend

Auf die Hauptpreise des Festivals wird man dagegen noch etwas warten müssen. Die werden erst Ende nächster Woche von einer Jury um Spike Lee vergeben. Der Regisseur ist der erste Afroamerikaner, der Präsident einer Cannes-Hauptjury ist. Wie wichtig ihm politische Themen sind, macht Lee mit seinen Werken wie „Malcolm X“ und „BlacKkKlansman“ immer wieder deutlich. In Südfrankreich fand er ebenfalls klare Worte.

Bei einer Pressekonferenz vor der Premiere am Abend war schon seine Mütze ein Statement: „1619“ stand da und sollte an den Beginn der Sklaverei in den heutigen USA erinnern. Wenig später sprach Lee von George Floyd und anderen Schwarzen, die von Polizisten „umgebracht, gelyncht“ wurden. Wütend sagte er, man könnte doch eigentlich hoffen, „dass schwarze Menschen nicht mehr wie Tiere gejagt werden“. Mit Aussagen wie diesen machte der 64-Jährige zugleich eines klar: Bei allem Glamour, der zu Cannes dazugehört - reine Unterhaltung wird dieses Festivaljahr wohl nicht.