Reinhold Würth hat aus einem Zwei-Mann-Unternehmen einen Weltkonzern gemacht. In Künzelsau feierte der Ausnahmeunternehmer 75. Arbeitsjubiläum und Kanzler Olaf Scholz kam persönlich zum Gratulieren. 2025 übergibt Würth den Vorsitz im höchsten Gremium des Konzerns an seinen Enkel. 

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

„Traditionsbewusster Erneuerer und innovativer Traditionalist “ sind zwei der vielen Begriffe, mit denen Bundeskanzler Olaf Scholz den Ausnahme-Unternehmer Reinhold Würth an diesem 1. Oktober beschreibt. Der Anlass ist ein Besonderer: Würth, der zu den Wirtschaftspionieren der Nachkriegszeit zählt, feiert mit rund 400 Gästen im Carmen Würth Forum in Künzelsau (Hohenlohekreis) sein 75. Arbeitsjubiläum – ein Leben fürs Unternehmen.

 

Mit 14 beginnt Reinhold Würth 1949 auf Wunsch des Vaters mit einer Kaufmannslehre in dessen Schraubengroßhandlung. Er lernt sein Handwerk von der Pike auf, schaut zu und ab, gewinnt Einblick in die Praxis. Mit 16 macht er seine erste Verkaufsreise, fährt alleine nach Köln und Düsseldorf und kehrt mit Kundenaufträgen zurück.

Mit 19 Jahren, nach dem plötzlichen Tod des Vaters, übernimmt er 1954 die Firma mit zwei Mitarbeitern und einem damaligen Jahresumsatz von umgerechnet 80 000 Euro. Er entwickelt aus dem kleinen Betrieb einen weltweit tätigen Konzern mit über 400 Gesellschaften, gut 88 000 Beschäftigen und mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz. „Es gibt keinen schöneren Beruf als den des Verkäufers“, ist sich Würth sicher, dessen Bodenständigkeit und Freude am Tun zweifellos mit zu seinen Erfolgsgeheimnissen zählen.

Eine Sonderurkunde zum 75. Arbeitsjubiläum für Würth. Foto: dpa/Uwe Anspach

„Für mich war Arbeiten immer mehr Hobby als Pflicht“, sagt Würth. „Wo kann ich zupacken, was kann ich gestalten“, beschreibt es der 89-Jährige, der an diesem Abend ankündigt, den Vorsitz des Stiftungsaufsichtsrats zum 1. Januar 2025 an seinen Enkel Benjamin Würth zu übergeben. „Ich werde dann wohl Ehrenvorsitzender und aus dem Hintergrund auch ab und zu mal meckern“, sagt Würth. „Aber Benjamin ist die Zukunft des Konzerns.“

Der Abend ist emotional, Würth sichtlich bewegt von den empathischen, wertschätzenden Worten des Kanzlers, der den Ausnahme-Unternehmer gut zu charakterisieren weiß – etwa als „liberal, sozial, sparsam, lebensfroh, störrisch und liebenswert“ oder auch als „kaufmännischen Kunstsammler und kunstliebenden Kaufmann“. Politische Themen spielen keine Rolle. Allerdings dankt Scholz Würth ausdrücklich, „dass Sie klar Stellung gegen Rechtsextremisten bezogen haben“. Würth hatte sich schon früh klar gegen die AfD positioniert.

“Ich bin etwas aus der Fassung“

Firmenpatriarch Würth ist sichtlich bewegt von den Worten des Kanzlers. „Ich bin etwas aus der Fassung“, sagt er, denn das sei eine „Jahrhundertrede“ gewesen, meint er angesichts der vielen Fakten, die Olaf Scholz über ihn vorgetragen hat. „ Das war ich nicht wert“, meint Würth bescheiden und sieht sich auch bei den Gästen in der Schuld, weil sie mit ihrer Anwesenheit mindestens einen halben Arbeitstag verloren hätten – „steuerlich ein Millionenschaden“, sagt Würth, der zweifellos viel Humor hat und geradeheraus ist wie immer.

„Ich bin Demokrat und ich bin auch Wechselwähler. Ich möchte mir die Freiheit nehmen und wähle nach den Parteiprogrammen“, sagt er. Wie es sich dem Anlass entsprechend gehört, spricht er auch seinen Dank aus, den Managern, den Mitarbeitern und seiner Frau Carmen Würth, mit der er seit 1956 verheiratet ist, drei Kinder, fünf Enkel und vier Urenkel hat. „Du bist das Zentrum der Familie“, sagt er.

Seine Tochter Bettina, die den Vorsitz des Beirats der Würth-Gruppe inne hat, ist an diesem Abend nicht dabei, weil sie mit Grippe zuhause ist. Doch drei der fünf Enkel – Benjamin, Sebastian und Maria – übernehmen den Familienpart auf der Bühne. Alle drei sind im Unternehmen aktiv und kommen zusammengerechnet auf 45 Jahre – gut halb so viele wie Würth. „Das Unternehmen saß immer mit am Frühstückstisch“, sagt Sebastian Würth. Das sei absolute Normalität – Familienunternehmen eben.

Dass auch für sie die Maxime von Großvater Reinhold Würth gilt, daran lassen die drei Enkelkinder keinen Zweifel: Dankbarkeit, Demut, Respekt und Ehrlichkeit– gegenüber Kollegen, Kunden und Lieferanten, Arroganz dagegen hat keinen Platz im Unternehmen.

Weltmarktführer Würth

Weltmarktführer
Die Würth-Gruppe ist Weltmarktführer in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Montage- und Befestigungsmaterial. Das weltweit tätige Familienunternehmen mit Hauptsitz in Künzelsau ist in 80 Ländern vertreten und wies 2023 einen Umsatz von 20,4 Milliarden Euro und ein Betriebsergebnis von 1,5 Milliarden Euro aus. Die Eigenkapitalquote beträgt knapp 49 Prozent.

Führungsgremien
Die obersten Führungsgremien der sind der Stiftungsaufsichtsrat mit Reinhold Würth als Vorsitzendem, der Beirat mit seiner Tochter Bettina Würth an der Spitze und die Konzernführung, deren Sprecher Robert Friedmann ist.

Engagement
Die Würth-Gruppe fördert die Bereiche Kunst und Kultur, Soziales, Bildung und Sport. Unter anderem zeigt die Sammlung Würth in 15 Häusern Kunst von Weltrang bei freiem Eintritt.