75 Jahre DLRG Reichenbach Wie der Ort zu einer Hochburg der Rettungsschwimmer wurde

Generationen von Rettungsschwimmern wurden in Reichenbach ausgebildet – bis heute. Foto: DLRG

Die Reichenbacher Ortsgruppe der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft ist 75 Jahre alt – und erstaunlich jung. Dass der Rettungssport in dem Ort einen so hohen Stellenwert hat und dass es dort seit Jahrzehnten ein Freibad gibt, ist einem Umzug zu verdanken.

Ob im „Gumpen“ an der Fils, im Webereikanal oder im kleinen Privatfreibad der Firma Electrostar: In Reichenbach wurde schon vor 80 Jahren viel geschwommen. 1948 haben in besagtem Gumpen sogar die ersten Rettungsschwimmkurse stattgefunden, mit zehn erfolgreichen Absolventen. Das hatte den Hintergrund, dass Franz Kuberski, der Bezirksvorsitzende der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), mit seiner Familie nach Reichenbach gezogen war. 1949 gab er den Anstoß für die Gründung einer Ortsgruppe, sein Sohn Günter wurde deren Vorsitzender – für 43 Jahre.

 

Einen Gedanken hatten die Gründungsmitglieder schon im Kopf: Reichenbach braucht ein Schwimmbad. Sie starteten eine Werbe- und Spendenaktion – und tatsächlich begannen bereits im Folgejahr die Bauarbeiten für das erste Freibad der Gemeinde. Auf dieses Tempo kann man heute, beim 75-Jahr-Jubiläum der DLRG Reichenbach, nur mit Staunen blicken.

1951 wurde das Freibad eröffnet

Ein wenig staunen lässt auch der von Anfang an beachtliche Frauenanteil. „Wir waren eine starke Mädchengruppe“, erzählt Margit Schloz, die 1951 Mitglied wurde. Eine Handvoll junger Frauen setzte sportliche Akzente, unter anderem als Filstal-Nixen im Kunstschwimmen. Aber der Rettungssport war den Mädchen lieber, sie brachten Titel nach Hause und weitere Männer in den Verein. „Die musste man locken“, sagt Schloz.

Mit der Eröffnung des Freibads 1951 stieg die Mitgliederzahl rapide an, 1968 waren es schon mehr als 500. Im Becken mit den acht 50-Meter-Bahnen konnte bestens trainiert werden. Das war die Grundlage dafür, dass der Rettungssport zu einem Schwerpunkt der Ortsgruppe wurde. Hinzu kam die Eröffnung des Plochinger Hallenbades 1959. Auch dort hatte die DLRG Reichenbach dank der Kooperation mit den Schwimmern des Turnvereins Plochingen gute Trainingsmöglichkeiten. Dass das Bad 2015 geschlossen wurde, bedauern daher nach wie vor viele. Derzeit kann man zwar nach Wernau ausweichen, hat aber deutlich weniger Wasserzeiten. Das bremst den Verein ein bisschen aus.

Aber das Rettungsschwimmen hat eine gute Basis in Reichenbach, über die Jahre wurde es immer weiter ausgebaut. Schwimmkurse fanden schon in den 1960er Jahren statt, ab den 70ern in Kooperation mit den örtlichen Grundschulen, sodass abends bis zu 100 Kinder zum Schwimmen kamen. Die Kooperation lief solange, „wie das Freibad beheizt war“, sagt die heutige Vorsitzende Petra Sträter: bis 2001. Schwimmkurse gibt es aber auch heute noch, meist seien sie „in zwei bis drei Minuten ausgebucht“, sagt Sträter. Mit ihren Wachdiensten hat die DLRG zudem vom ersten Freibad bis heute entscheidend dazu beigetragen, dass es ein Freibad in Reichenbach gibt.

Im Rettungssport wurden über die Jahrzehnte viele Erfolge eingefahren: Den ersten Titel auf Bundesebene machte 1975 die Mädchenmannschaft der B-Jugend. Gabi Strohmayer erinnert sich noch stolz an den Wettkampf in Stetten am Kalten Markt; die Tochter von Günter Kuberski gehörte zu dem siegreichen Team. Viele weitere Erfolge kamen dazu, bis hin zu sieben deutschen Meistertiteln, die die Schwimmerinnen und Schwimmer allein in einem Jahr – 1997 – errangen. „Wir als Ortsgruppe hatten auch die erste Tauchergruppe im Landesverband“, erzählt Sträter. Von 1966 an trainierten Rettungs- und Bergetaucher im Freibad. Dies endete allerdings, als die Bestimmungen verschärft wurden. „Da hätten wir die gleichen sportärztlichen Untersuchungen gebraucht wie Berufstaucher“, erklärt Bernhard Winter, der zu der Gruppe gehörte. „Das wäre sehr teuer geworden.“

Im Lauf der Jahre gab’s Veranstaltungen wie „Volksschwimmen“ und „Jedermannschwimmen“. Und die Schwimmfeste, die schon seit der Eröffnung des ersten Freibads gefeiert wurden. „Die waren legendär“, sagt Wolfgang Pursch, der in 55 Jahren verschiedenste Funktionen im Verein hatte. 2010 fand das letzte Schwimmfest statt – das Konzept war überholt und rentierte sich finanziell nicht mehr. Alternativ dazu starteten junge DLRG-Aktive 2012 in Kooperation mit der „Halle“ den Freibadschwoof. Er war bei der Jugend in der ganzen Region ausgesprochen beliebt, führte allerdings zu Beschwerden von Bürgern. 2019 bekam der Verein deshalb keine Genehmigung mehr. „Das war schon eine Zäsur“, sagt Sträter.

Corona und reduzierte Trainingsmöglichkeiten haben die Mitgliederzahl mittlerweile etwas gedrückt: Ende 2023 hatte die DLRG 560 Mitglieder, derzeit sind es 452. Aber der Vorstand der Ortsgruppe weist ein Durchschnittsalter von rund 35 Jahren auf, und auch die Übungsleiter fangen häufig schon als Jugendliche an. Trotz ihrer 75 Jahre ist die Ortsgruppe damit „ein sehr junger Verein“, wie Petra Sträter sagt.

Festwochenende im Reichenbacher Freibad

Jubiläumsfest
Am Wochenende 13. und 14. Juli wird im Reichenbacher Freibad im Grünen das 75-Jahr-Jubiläum gefeiert. Am Samstag findet mit einem DLRG-Freundschaftswettkampf ab 16 Uhr und Rettungsvorführungen der sportliche Teil statt. Am Sonntag, 14. Juli, ist der Eintritt ins Freibad frei. Um 10 Uhr gibt es einen Frühschoppen mit Weißwürsten, Fassbier und Livemusik von Volker Klenner. Um 11 Uhr folgt der offizielle Festakt, um 11.30 Uhr beginnt der „Playday“, bei dem man bis 14 Uhr flexibel starten kann. Dabei treten Dreier- und Vierergruppen an verschiedenen Stationen im Wasser und an Land gegeneinander an. Dieses Spiel eignet sich für jeden und jede, auch für Familien, es gibt Preise für alle.

Statistik
Im Lauf ihrer 75 Jahre hat die Reichenbacher DLRG 350 Anfänger-Schwimmkurse gegeben und damit ungefähr 4500 Kinder erreicht. Sie hat rund 25 000 Schwimmabzeichen und etwa 4000 Rettungsschwimmabzeichen abgenommen. Die geleisteten Rettungswacht-Stunden im Reichenbacher und seit einigen Jahren auch im Wernauer Freibad sowie in Meersburg am Bodensee summieren sich auf circa 20 000. 

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