Seit 75 Jahren besteht der Verband der Omnibusunternehmen in Baden-Württemberg (WBO). Zum Jubiläum nennt er die schönsten Strecken – und schildert den Fahreralltag.

Der Nebel liegt im Neckartal, aber die Sonne strahlt auf den Höhen des Odenwalds, taucht Wiesen und Wälder in ein zauberhaftes Licht und lässt die goldenen Zeiger der Kirchturmuhren in den Dörfern glänzen. Für den Busunternehmer und Busfahrer André Mechler ist es eines der schönen Momente seines Berufsalltags. „Hier oben ist die Welt noch in Ordnung“, sagt Mechler und stoppt seinen Bus in Strümpfelbrunn, zwei junge Frauen steigen ein, grüßen höflich und beim Verlassen des Busses später werden sie sich mit „Tschüss“ verabschieden.

 

Blick vom Odenwald bis Stuttgart

Fünf Fahrgäste hat Mechler auf dieser Vormittagstour zwischen Eberbach und Strümpfelbrunn im Neckar-Odenwald-Kreis und retour. Das ist nicht besonders viel, aber wenn er zur Mittagszeit Schüler aus der Steig-Schule in Eberbach abholt, wird der Bus rappelvoll sein. Für 15 Kilometer zahlen die Fahrgäste 3,10 Euro, sagt Mechler, meckern tue keiner darüber. „Für mich ist meine Strecke eine der schönsten Linien in Baden-Württemberg“, sagt der Unternehmer. Und wenn er am Katzenbuckel, der mit 626 höchsten Erhebung des Odenwaldes, vorbeifahre, könne er bei klarer Sicht bis zum Fernsehturm von Stuttgart blicken. Der 49-Jährige hat im Familienbetrieb fünf Busse, sie werden von Familienangehörigen, einem fest angestellten Fahrer und einem Dutzend Aushilfsfahrern gefahren.

Linienverkehr als ein Standbein

Mechler gehört zum Verband der Baden-Württembergischen Omnibusunternehmen, der im November sein 75-jähriges Bestehen gefeiert hat. 1947 war er im Gasthof Adler in Fellbach gegründet worden, um „Mittler“ zwischen Unternehmern und Behörden zu sein. Dass die landesweit 670 privaten Busbetriebe einen gewichtigen Part im öffentlichen Personennahverkehr des Landes tragen, belegt auch das Erscheinen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) bei der Jubiläumsfeier in der Stuttgarter Messe.

Ein Dieselaufschlag in der Krise

„Ich bin sehr froh, dass ich beim WBO ein Mitglied bin“, sagt André Mechler. Seine Firma lebt zur Hälfte von Busreisen – das war in den letzten Wochen beispielsweise zu Weihnachtsmärkten in Stuttgart oder zu „Holiday on Ice“ in Mannheim – und zur anderen Hälfte vom Linienverkehr. Höhen und Tiefen hat Mechler viele miterlebt, zum Beispiel die Neuausschreibungen mit harten Bedingungen vor einigen Jahren, bei denen er drei von einst fünf Linien verlor, ein Unternehmerkollege habe gar neun von einst zehn Linien einbüßen müssen. In den zwei Jahren der Corona-Pandemie sei ja „Essig“ gewesen mit dem Reisegeschäft, und der steigende Dieselpreis seit dem Beginn des Ukraine-Krieges mache allen Busunternehmen zu schaffen. Dass es in der Pandemie Staatshilfe gab, damit er seine Raten zahlen konnte, und dass es jetzt „einen kleinen Dieselaufschlag“ gebe, dass hält Mechler auch der Interessenvertretung des WBO zugute.

Apropos Corona-Pandemie – als es die Lockdowns gab und die Schulen zu waren, da sei es schon mal vorgekommen, dass er 260 Kilometer am Tag gefahren sei und nur drei Fahrgäste hatte,erinnert sich Mechler. Unselige Zeiten, viele Leerfahrten.

Linie 41 heißt „das blaue Band“

Sich an der Schönheit der Landschaft zu erfreuen, das ist sicher ein Pluspunkt des Busfahrerdaseins. WBO-Sprecherin Ulrike Schäfer hat bei den Betrieben nach ihren „Lieblingsstrecken“ angefragt, und die Rückmeldungen waren zahlreich. Das „Blaue Band“ nennt beispielsweise die Firma Schweizer ihre Buslinie 41 zwischen Freudenstadt und Horb, da gebe es einfach Bilderbuchstationen. Die Linie 53 in Stuttgart vom Stadtteil Mühlhausen nach Feuerbach an den Weinbergen vorbei findet die Knisel-Bus-Reisen-GmbH wunderschön, da treffe sich Großstadt und ländliche Idylle; und bei Kolb-Reisen aus Schwäbisch Gmünd wird die Strecke zwischen Mittelbronn und Rotenhar in der Gemeinde Gschwend (Ostalbkreis) als Idylle empfunden. Als berühmte Busstrecken im Land gelten laut Verkehrsministerium in Stuttgart auch die Regiobus-Verbindungen von Baden-Baden (Linie X45) sowie von Freudenstadt (Linie 100) hinauf zum Ruhestein am Nationalpark Schwarzwald, die über eine Bodenseefähre laufende Südbadenbus-Linie Ravensburg-Konstanz (Linie 700) sowie die Busstrecke 7300 von Titisee über den Feldberg nach Zell im Wiesental.

Es fehlen 2500 Busfahrer

Das ruhige Dahinrollen über Landstraßen in der badischen und schwäbischen Provinz kann die Sorgen der Branche nicht vergessen machen. Der Busunternehmer Mechler fragt sich, wie er sich eines Tages mal einen Elektro-Bus leisten solle. Für seinen jüngsten Bus hatte er 250 000 Euro bezahlt, bei einer Ausstellung war ihm ein Elektrobus von Mercedes vorgestellt worden – der eCitaro für 550 000 Euro – und das sei ja eine ganz andere Nummer. Der habe eine Reichweite von 800 Kilometern, aber wenn er heute auf einer Fernreise mit seinem herkömmlichen Reisebus bei Tempo 120 über die Autobahn gleite, dann schaffe er mit einem vollen 400-Liter-Tank rund 2000 Kilometer. Ein anders Problem, den der WBO nennt, ist der Fahrermangel. „In Baden-Württemberg melden uns unsere Mitgliedsbetriebe in Summe rund 2500 vakante Stellen für Fahrpersonal“, sagt Yvonne Hüneburg, die stellvertretende Geschäftsführerin des WBO, die zum 1. Januar 2023 den seit 13 Jahren amtierenden Geschäftsführer Witgar Weber ablösen wird.

Fahrweise bestimmt Spritverbrauch

André Mechler ist zufrieden mit dem einen fest angestellten Fahrer, den er hat. Der verdiene „in guten Monaten“ mit Zulagen rund 3500 Euro brutto und 2800 Euro netto. Als Unternehmer ist Mechler daran interessiert, möglichst kostengünstig zu fahren. Sanft drückt er aufs Gaspedal, er verbrauche im Durchschnitt auf den bergigen Strecken des Odenwalds rund 24,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer, sagt er. Seine angestellten Kollegen seien bekannt dafür, kräftiger auf die Tube zu drücken und ihr Verbrauch liege in der Region bei 29 bis 30 Litern im Durchschnitt. Nicht schnell, nur pünktlich, will Mechler ans Ziel kommen.

Schwieriger Anfang in 1947: Reifenmangel

Gründung
Schon 1909 hatte es einen „Verband württembergischer Kraftfahrtlinien“ gegeben, am 23. Juli 1947 kam es in Fellbach zur Gründung des Verbandes württembergisch-badischer Omnibusunternehmen (WBO), der sich als Interessenvertretung und „Mittler“ zwischen Mitgliedern und Behörden verstand. Die Anfänge waren geprägt vom Problem der fehlenden Reifen und Ersatzteile, es mangelte auch an Benzin. Im Südwesten gab es damals nur 40.088 fahrbereite Fahrzeuge, die wenigsten waren Busse, schreibt der Historiker Otto Nübel. Die Neuproduktion von Bussen belief sich fürs Land 1947 auf nur 52.

Berufsverkehr
Wegen der Engpässe gaben die Behörden dem Arbeiterberufsverkehr und dem Transport von einer Million Beschäftigten im Monat den Vorrang. „Alle Gelegenheitsfahrten mit Omnibussen zu sportlichen, kulturellen oder religiösen Veranstaltungen wurden nachdrücklich untersagt“, so Nübel. Die Unternehmer behalfen sich „zum Unwillen des WBO“ mit dem lukrativen Transport von Gesangvereinen oder Sportvereinen auf Lastwagen. Bis auch das verboten wurde. Ein Busfahrer hatte damals einen 16-Stunden-Tag. (chl)