Eigentlich wird im Augustinum nicht nur die gelungene Ausstellung „750 Jahre Sillenbuch – Blicke in die Vergangenheit“ feierlich eröffnet. Doch dass auch das Jubiläum des Ortes begangen wird, ist an dem Nachmittag nur selten spürbar.

Sillenbuch - Das bin doch ich!“, sagt Edith Wörner gerührt. Die 88-Jährige deutet auf das Foto, das als eines von mehr als 130 Exponaten in der Ausstellung „750 Jahre Sillenbuch – Blicke in die Vergangenheit“ im Augustinum zu sehen ist.

 

Das Schwarz-Weiß-Foto zeigt eine Hochzeitsgesellschaft im Jahr 1927. Es ist die Hochzeit ihres Onkels und Edith Wörner ein einjähriges Mädchen auf dem Arm seines Vaters.

Edith Wörner. Foto: Blohmer

Es ist einer dieser Momente, in denen deutlich wird, dass hinter Geschichte Menschen stecken und dass diese Menschen einen Ort ausmachen. In der Ausstellung werden sich an diesem Spätnachmittag, an dem sich die erste urkundliche Erwähnung Sillenbuchs zum 750. Mal jährt, noch einige waschechte „Sillebicher“ auf den Fotos wiedererkennen oder zumindest Verwandte und Bekannte entdecken.

Erste Erwähnung im Jahre 1264

Doch für einen Gutteil der ausgestellten Bilder und Dokumente finden sich sicher keine Zeitzeugen mehr, denn Achim Zwierzynsky, der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins (OGV), und der Historiker Hans-Georg Müller haben für das Stadtteiljubiläum weit ausgeholt – eben just bis zu jenem Dokument vom 16. Dezember 1264, das „Sillenbuch“ erstmals beim Namen nennt.

„Mit Sicherheit gab es hier aber schon viel früher eine Siedlung. Die Forschung geht davon aus, dass das Gebiet bereits um 800 herum besiedelt war“, sagt Hans-Georg Müller. Mehr als ein Jahr ist er in verschiedenen Archiven der Geschichte des ehemaligen Weilers „Sillobuch“, wie die Siedlung auch genannt wurde, auf den Grund gegangen. Dabei beförderte er Tragisches ans Licht der Gegenwart, wie beispielsweise die Folterung einer Sillenbucherin wegen vermeintlicher Hexerei im 16. Jahrhundert oder den Tod von 27 Sillenbuchern im Ersten Weltkrieg und den von 16 Bombenopfern im Zweiten. Aus den Tiefen der Geschichte holte Müller aber auch Amüsantes wie die Teilung des Ortes in ein nasses und ein trockenes Lager bei einem Streit über eine Wasserleitung. „Viele Ereignisse können nicht sichtbar gemacht werden“, sagt Müller.

Das Interesse ist groß – zu groß

Deutlich sichtbar ist bei der Eröffnung der Schau das große Interesse der Einwohner an ihrem Stadtbezirk: Längst nicht alle finden Platz im Augustinussaal. Das Augustinum muss sich an Brandschutzauflagen halten. Die Diskussion, die es – wie berichtet – im Vorfeld um die Örtlichkeit der Jubiläumsfeier gab, erweist sich als berechtigt. Wegen des großen Andrangs ist Zwierzynsky gar nicht so unglücklich darüber, dass der Ausstellungskatalog nicht rechtzeitig geliefert worden ist. Den Verkauf hätte der OGV nicht auch noch stemmen können.

Denjenigen, die nicht mehr in den Saal passen, entgehen die musikalischen Einlagen des Handharmonika-Clubs Flottweg und die künstlerischen des Literatur-Performers Gerald Friese. Außerdem verpassen sie die Worte Zwierzynskys, Müllers und die des Bezirksvorstehers Peter-Alexander Schreck, der die Ausstellung als schönstes Geschenk zum Jubiläum bezeichnet und ihre Eröffnung als „Top-Act“ der Jubiläumsfeier. Einer der wenigen Momente, in denen deutlich wird, dass es sich an diesem Nachmittag nicht nur um die Eröffnung einer – wohlgemerkt sehr gelungenen – Ausstellung, sondern um eine Jubiläumsfeier handelt.

Bis 6. März ist die Ausstellung in der Galerie im Augustinum, Florentiner Straße 20, zu sehen. Der Katalog ist für sieben Euro an der Poststelle im Augustinum und in der Papyrus Buchhandlung, Kirchheimer Straße 32, erhältlich.