Der Stadtteilmanager Torsten von Appen überzeugt den Bezirksbeirat Stuttgart-Mitte von der Konzeption gegen den Coffee-to-Go-Müll. Mitte nächsten Jahres soll es an den Start gehen.

S-Mitte - Wer sich vergegenwärtigt, dass in Stuttgart täglich 80 000 Einwegbecher verbraucht werden, wird den Unmut des Bezirksbeirates Mitte verstehen. Denn Ralph Schelle (SÖS/Linke-plus) hatte bereits vor zweieinhalb Jahren eine Lösung dieses Problems als einer der Ersten in der Stadt im Bezirksbeirat angemahnt. Passiert ist seitdem scheinbar nichts. Im Gegenteil, die Räte hatten gar den Eichdruck, die Stadt verschlafe das Thema. Während andere Städte in Deutschland längst Konzepte eines Mehrwegbecher-Pfandsystem auf den Weg gebracht haben, wachsen und wachsen die Müllberge aus Papp oder Plastikbechern. Diesem Vorwurf sah sich Torsten von Appen als Vertreter der Wirtschaftsförderung in der vergangenen Bezirksbeiratssitzung ausgesetzt. Doch der Hanseat blieb seiner Art treu und konterte die Kritiker mit Fakten gelassen aus. Dazu holte der Stadtteilmanager weit aus, um zu zeigen: „Gut Dinge will Weile haben. Das Stuttgarter Modell soll so gut werden, dass es andere nachmachen.“ Denn der Schnellschuss, wie ihn Freiburg und anschließend etwa 130 weitere Städte machten, traf das eigentliche Ziel nicht. „Überall dort wurden die Becher nicht wie gewünscht in den Kreislauf zurückgegeben.“

 

Also recherchierte von Appen weltweit. Nicht nur das: Er sammelte Daten und Fakten, initiierte eine Umfrage, gründete einen Expertenkreis und holte alle an einen Tisch. Eines der Ergebnisse lautet: Hauptverursacher des Kaffeebechers sind Studenten – auf ihr Konto gehen 70 Prozent. Von der Universität in Hohenheim kam die Rückmeldung, dass dort jährlich 100 000 Becher im Müll landen. Vom Studierendenwerk aus Stuttgart kam die Kunde, dass dort eine Million Becher über die Theken gehen. Zusammen mit den Bäckerei-Ketten, Mc Donald’s und Yormas kommt so die stattliche Zahl von täglich 80 000 Coffee-to-go-Bechern zusammen.

Wirtschaftsförderung arbeitet am großen Wurf

Große Zahlen, so der Anspruch von Torsten von Appen, erfordern einen „großen Wurf“, an dem alle beteiligt sind: Die Ketten, die Wissenschaft, die Citymanagerin Bettina Fuchs, Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle und das Gesundheitsamt. „Wir sind alleine mit den Bäckereien fünf Monate im Austausch gewesen“, bericht der Stadtteilmanager von seiner Detailarbeit an „einem einheitlichen Pfandsystem“. Und das soll Mitte des kommenden Jahres in die „Umsetzung eines Mehrwegbecher-Pfandsystems mit Kreislauflogistik durch einen privaten Dienstleister“ (von Appen) geben.

Dieser Dienstleister wird im Januar per internationaler Ausschreibung gesucht und soll bereits im Februar den Zuschlag bekommen. Am liebsten wäre es dem Mitarbeiter von Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht, wenn aus diesem Ausschreibungs-Prozess eine ganz neue Firma entstünde, die aus vielen Einzelunternehmen besteht. So könnte beispielsweise die SBR-gGmbH (Schulung und berufliche Reintegration) ihre gastronomische Kompetenz in der Spültechnik in eine solche Firma einbringen. Der Fahrradkurier Velocarrier könnte dagegen die Becher von den Pfandstationen zum Spülen und zurück an die Ausgabestellen bringen. Im Hintergrund laufen angeblich Gespräch zwischen den unterschiedlichen Firmen über eine Zusammenarbeit. Der neue Dienstleister, der von der Stadt 300 000 Euro zur Anschubfinanzierung bekommt, wird von der Stadt durch eine Marketingkampagne im Wert von 100 000 Euro unterstützt. Ziel ist es, den Verbraucher auf das Pfandsystem aufmerksam zu machen und ihn für die Notwenigkeit zu sensibilisieren.

Unklar ist derzeit nur noch, wie hoch das Pfand pro Becher sein soll und wo die Pfandstationen stehen sollen. Der Inhaber des Clubs White Noise an der Eberhardstraße gab bereits seine Empfehlung zu Höhe des Pfands ab: „Wenn es beispielsweise nur 70 Cent ausmacht, besteht die Gefahr, dass die Leute den Becher wegwerfen. Daher plädiere ich für zwei Euro Pfand.“ Ein Betrag, den sich auch Torsten von Appen vorstellen kann. Gleichzeitig warnt er davor, den Pfandbetrag zu hoch anzusetzen: „Wenn es zu wertig ist, nehmen die Leute den Becher mit nach Hause statt ihn in den Kreislauf zurückzugeben.“ Die Umfrage unter Passanten habe zudem ergeben, dass die Leute bereits sind, zwischen einen und zwei Euro Pfand zu zahlen.

Gut Ding will Weile haben

Fazit des Stadtteilmanagers Torsten von Appen: „Wir sind sind nicht zu spät dran. Und Städte wie Karlsruhe oder Heilbronn haben bereits signalisiert: Wenn die Sache bei euch läuft, machen wir es genauso.“ Davon ließ sich schlussendlich auch Ralph Schelle überzeugen: „Diese Vorarbeit zum Stuttgarter Modell hat jetzt zwar fast drei Jahre gedauert, aber dafür ist es eine sehr solide Arbeit.“ Seine Kollegen und Kolleginnen inklusive Veronika Kienzle haben ihm nicht widersprochen.