Wenn die Wirte branchenfremd sind, kann das spannend sein. Das Ehepaar Bletsas grillt zum Beispiel gerne.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Stuttgart - Liebe Gastronomen, vorneweg eine etwas grundsätzlichere Stilkritik. Restaurantnamen, die auf Hausnummern basieren, braucht kein Mensch. Wenn man schon monatelang an einem Konzept gefeilt hat, sollte ein zumindest halbpfiffiger Name irgendwie möglich sein. Das eigene Lokal, das an der König-Karl-Straße 87 in Bad Cannstatt liegt, 87 zu nennen, gibt also Abzüge in der B-Note. Wird in der Unterzeile dann auch noch von „Restaurant – Lounge – Event“ gesprochen, lässt das Schlimmes erahnen. Zum Glück folgt beim Betreten des 87 ein positiver erster Eindruck: Die Installation alter Edison-Glühbirnen über der Bar ist ein Highlight, die offene Küche ein Hingucker.

 

Hier hat sich jemand die Mühe gemacht, über den Tellerrand zu schauen. Fast hat das 87 etwas von einem Kaffeehaus in San Francisco. Und tatsächlich, das Ehepaar Simone und Alexius Bletsas ist nach London, Amsterdam und Berlin gereist, um sich für sein erstes eigenes Restaurant inspirieren zu lassen. Beide waren vorher in anderen Berufen tätig – sie im Marketing, er in der Baubranche. Das Konzept ihres Lokals mit schickem Gewölbekeller, den man für Feiern mieten kann: die Karte ist klein, setzt auf Grillgerichte und wechselt alle zwei Monate. Innenarchitektonisch wurden Jahrhundertwende und Industrialisierung gekonnt in Szene gesetzt.

„250 000 Jahre Cannstatter Geschichte“

Unser Lieblingseinrichtungsdetail: ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „250 000 Jahre Cannstatter Geschichte“. Zeit, das Werk bei einem Moscow Mule als Aperitif (9,80 Euro) in Ruhe zu schmökern, bleibt indes nicht. Stattdessen gibt es an dieser Stelle einen Longdrink-Exkurs: der Moscow Mule war das Trendgetränk des Sommers. Im 87 besteht er aus Finlandia Wodka, Spicy Ginger von Thomas Henry und einer Gurke zur Erfrischung. Das stimmt wunderbar auf die Gerichte ein, die das 87 zu bieten hat. Der Manouri-Käse als Vorspeise (5 Euro) wurde im Backpapier gegrillt, kann aber weder in der Konsistenz noch im Geschmack überzeugen.

Gleiches gilt für das gegrillte Forellenfilet (6,20 Euro), das etwas zu geschmacksneutral geraten ist. Spannender wird es bei den Hauptgerichten: Das gegrillte Rumpsteak vom Staufenrind (180 Gramm, 18,50 Euro) ist medium-rare wie gewünscht, sehr zart und wird durch ausgezeichnetes Grillgemüse begleitet. Ähnliches gilt für das Lachssteak, das nicht zu Tode gebrutzelt wurde, sondern saftig auf einer schwarzen Platte thront. Das gelungene Finale stellt dann die hausgemachte Schokobar mit Karamelleis dar (6,50 Euro). Die Geschichte vom Schokokuchen mit flüssigem Inhalt ist zwar langsam auch zu Ende erzählt, das Eis und vor allem die Karamellbrösel bewirken aber ein feines Zusammenspiel der Konsistenzen. Fazit: für Bad Cannstatt ein großer Sprung, um dauerhaft Gäste aus anderen Teilen Stuttgarts zu gewinnen, muss sich die Küche eine Spur steigern.

87, König-Karl-Str. 87, Bad Cannstatt, Mo bis Do 17 bis 24, Fr 17 bis 1, Sa 10 bis 1, sonn- und feiertags 10 bis 24 Uhr, Telefon 07 11/93 59 53 33

Die Bewertung:

Küche ***

Service ***

Ambiente ****

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.