Seit dem 16. Juli 1945 ist die Welt eine andere. Vor 79 Jahren explodierte in der Wüste von New Mexico die erste Atombombe. Drei Wochen später wurden die japanischen Großstädte Hiroshima und Nagasaki durch zwei nukleare Bomben komplett zerstört. Und heute? Die Angst vor einem Atomkrieg ist zurück.
Im japanischen Nagasaki wird am Freitag des Atombomben-Abwurfs auf die Stadt durch die USA vor 79 Jahren gedacht. Am 9. August 1945 um 11.02 Uhr – drei Tage nach dem Einsatz der ersten Atombombe über der Stadt Hiroshima – warf ein amerikanischer B-29 Bomber die „Fat Man“ genannte Kernwaffe über der Mitsubishi-Waffenfabrik ab, als sich gerade eine Wolkenlücke auftat. Unmittelbar danach und in der Folgezeit durch die radioaktive Strahlung starben schätzungsweise 74 000 Menschen.
Um die Gedenkfeier in Nagasaki hatte es in diesem Jahr diplomatische Irritationen gegeben. Grund dafür ist die ausgebliebene Einladung Israels, die der Bürgermeister der Stadt mit dem Bemühen begründete, vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges jegliche Störung der Zeremonie zu vermeiden. Die Botschafter der USA und zahlreicher weiterer westlicher Länder kündigten an, der Veranstaltung wegen der nicht erfolgten Einladung Israels fernzubleiben.
Trinity: Erster Atombombentest
Wenige Wochen zuvor, am 16. Juli 1945 um exakt 5:29:45 Uhr Ortszeit, begann mit dem Trinity-Test das Zeitalter der Atomwaffen. In der Wüste des US-Bundesstaates New Mexico, auf dem weiträumig abgesperrten Gelände von Alamogordo, zündeten die Amerikaner die erste Atombombe. Trinity (englisch für Trinität – Dreifaltigkeit) war der Codename des US-Militärs für diese erste jemals erfolgte Kernwaffenexplosion. Der Codename der Waffe war The Gadget („Das Gerät“).
Bis zur letzten Sekunde konnte niemand wissen, ob alle Berechnungen stimmten, ob das Ganze in einer lächerlichen Fehlzündung, oder in einer gigantischen Weltkatastrophe enden würde. 1945, nach Hiroshima und Nagasaki, bekannte der amerikanische Präsident Harry Truman: „Wir haben zwei Milliarden Dollar für das größte wissenschaftliche Spiel in der Geschichte gewagt, und wir haben gewonnen.“
Manhattan Project
Unter dem Decknamen Manhattan Project forcierten die USA in den 1940er Jahren die geheime Entwicklung einer eigenen nuklearen Bombe. Damit wollten die Amerikaner Nazi-Deutschland zuvorkommen und den Zweiten Weltkrieg so rasch wie möglich siegreich beenden. Den Beschluss zum Bau der Bombe fasste Präsident Franklin D. Roosevelt im Dezember 1941. Damit kam das Waffenprojekt richtig in Gang.
Wichtige Vorleistungen waren bereits an der Columbia University im New Yorker Stadtteil Manhattan und anderswo erbracht worden. Im November 1942 wurde das Zentrum der Forschungen nach Los Alamos im US-Wüstenstaat New Mexico verlegt, wo Tausende Wissenschaftler und Techniker arbeiteten. Militärischer Chef war General Leslie R. Groves. Als „Vater der Atombombe“ gilt J. Robert Oppenheimer, US-Physiker und Forschungsdirektor von Los Alamos.
Hiroshima und Nagasaki
Die erste Testbombe explodierte am 16. Juli auf einem stählernen Turm in der Wüste. Drei Wochen danach warfen US-Flugzeuge Bomben auf japanische Städte – „Little Boy“ am 6. August 1945 auf Hiroshima und „Fat Man“ am 9. August 1945 auf Nagasaki. Unter dem Eindruck der Zerstörungen distanzierte sich Oppenheimer von Atomwaffen.
Theoretische Grundlagen hatte Albert Einstein Jahrzehnte vorher gelegt. Er empfahl 1941 den Bau der Waffe, nahm aber an den Arbeiten nicht teil und sagte später, seine Empfehlung sei ein „großer Fehler seines Lebens“ gewesen.
Globaler Atomkrieg und die Folgen
Bei einem Atomkrieg gibt es keine Gewinner. Dieses Credo aus dem Kalten Krieg hat bisher nukleare Waffengänge verhindert. Bereits in 1950er Jahren prophezeiten Wissenschaftler, dass ein atomarer Konflikt zwischen den Supermächten verheerende Folgen für die gesamte Menschheit hätte. Rauch und Aerosole der thermonuklearen Explosionen würden die Sonne verdunkeln und das Weltklima über viele Jahre abkühlen. Die Folge: ein nuklearer Winter.
Regionaler Konflikt – globale Folgen
Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, des Nasa Goddard Institute for Space Studies und der Universität Chicago haben die Auswirkungen eines nuklearen Konflikts auf die weltweite Ernährungssicherheit in einer auf Computersimulationen basierenden Studie untersucht. Demnach könnte selbst ein begrenzter Atomkrieg gefährliche Auswirkungen weit über die tödlich getroffene Region hinaus haben.
Ein solcher Krieg würde zu einer globalen Abkühlung führen, welche die landwirtschaftliche Produktion in den wichtigsten Kornkammern der Welt – von den USA bis nach Europa, Russland und China – erheblich reduzieren würde.
„Wir wissen jetzt, dass ein Atomkonflikt nicht nur eine schreckliche Tragödie in der Region wäre, in der er passiert. Er ist auch ein unterschätztes Risiko für die globale Ernährungssicherheit“, sagt der Klimawissenschaftler Jonas Jägermeyr vom Potsdam Institute for Climate Impact Reserach.
Klimatische Auswirkungen
„So schrecklich die direkten Auswirkungen von Atomwaffen auch wären, es könnten mehr Menschen außerhalb der Zielgebiete sterben – durch Unterernährung, einfach wegen der indirekten klimatischen Auswirkungen“, erklärt der Klimatologe Alan Robock von der Rutgers University (US-Bundesstaat New Jersey). Er hat in mehreren Studien die Folgen eines atomaren Konflikts untersucht.
Auch der US-Klimawissenschaftler Owen Toon von der University of Colorado in Boulder ist in einer Studie der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen ein regionaler nuklearer Krieg für die gesamte Welt haben könnte.
„Unser Szenario beginnt mit einem Terrorangriff auf die indische Regierung“, erläutert Toon. Daraufhin startet Indien zunächst einen konventionellen Vergeltungsangriff auf die pakistanische Grenzregion Kaschmir. Pakistan beschießt indische Städte mit Atomwaffen, Indien reagiert mit Gegenangriffen. „Dies wäre ein in der Geschichte der Menschheit beispielloser Krieg“, erklärt Owen Toon.
Durch Explosionen und Brände würden gewaltige Mengen an Rauch freigesetzt. Eine radioaktive Wolke aus 16 bis 36 Milliarden Kilogramm Ruß würde sich innerhalb weniger Wochen über den gesamten Globus verteilen. Toon: „Dadurch wird die Sonneneinstrahlung um 20 bis 35 Prozent verringert und die Erdoberfläche kühlt sich ab.“
Missernten, Hungersnöte, Temperaturabfall
Die globalen Temperaturen würden um zwei bis fünf Grad und die Niederschläge um 15 bis 30 Prozent sinken. Die Folgen wären Missernten und weltweite Hungersnöte.
Klimaforscher Toon geht davon aus, dass die Nahrungsmittelproduktion über mehrere Jahre um 15 bis 30 Prozent sinken könnte.„Zum ersten Mal in der Geschichte könnte dadurch ein regionaler Krieg mehr Menschenopfer fordern als weltweit in einem Jahr aus natürlichen Gründen sterben.“
Nuklearkonflikt führt zu Klimakollaps
Eine Studie der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) zeigt: Rauch und Staub eines regional begrenzten Atomkriegs hätten einen plötzlichen Abfall der globalen Temperaturen und der Niederschlagsmenge zufolge, da bis zu zehn Prozent weniger Sonnenlicht zur Erdoberfläche durchdringen würden.
Die plötzliche Abkühlung würde die Wachstumsperioden verkürzen und die Landwirtschaft auf der ganzen Welt bedrohen. Ansteigende Lebensmittelpreise würden Lebensmittel für Hunderte Millionen der ärmsten Menschen unerschwinglich machen.
Für diejenigen, die bereits chronisch unterernährt sind, würde eine Verminderung der Nahrungsaufnahme um nur zehn Prozent zum Hungertod führen. Infektionskrankheiten würden sich epidemisch ausbreiten und Konflikte über knappe Ressourcen würden überhand nehmen.
Info: Kernwaffen-Technik
Atombombe
Als ihr „Vater“ gilt der Amerikaner Robert Oppenheimer. Die Atombombenabwürfe am 6. und 9. August 1945 auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki beendeten den Zweiten Weltkrieg in Asien. Atomwaffen werden mit radioaktivem Plutonium oder Uran hergestellt.
Wasserstoffbombe
Die Wasserstoffbombe, auch H-Bombe (Hydrogen Bomb)genannt, wurde unter Leitung von Edward Teller in den USA entwickelt und erstmals 1952 auf einem Atoll im Pazifik gezündet. Die Sprengkraft ist um ein Vielfaches größer als bei einer Atombombe. Sie setzt Energie aus einer Kernverschmelzung frei. Bei dieser Fusion verschmelzen unter anderem die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zu Helium. Zur Zündung des Gemischs sind mehr als 100 Millionen Grad erforderlich. Deshalb enthält eine H-Bombe als Zünder eine Atombombe.
Neutronenbombe
Neutronenwaffen vernichten Lebewesen bei geringen Materialschäden. Beruht die Wirkung herkömmlicher Atomwaffen vor allem auf der Druck- und Hitzewelle, geben Neutronenwaffen die meiste Energie in Form harter Neutronenstrahlung ab. Sie führt je nach Intensität innerhalb von Minuten oder Wochen zum Tod. Gebäude bleiben unversehrt. Der Fallout der 1958 von dem Amerikaner Samuel Cohen entwickelten Waffe ist gering: Einen Tag nach der Explosion kann das betroffene Gebiet gefahrlos betreten werden.
Kobaltbombe
Bei einer Kobaltbombe werden große Mengen eines stabilen Isotops 59Co (Co steht für englisch Cobalt) im Mantel einer Kernspaltungs- oder Fusionsbombe (Atombombe beziehungsweise Wasserstoffbombe) verbaut. Durch die bei der Explosion freigesetzten Neutronen wird das 59Co in das radioaktive 60Co umgewandelt. Die radioaktive Verseuchung ist so stark und dauerhaft, dass menschliches Überleben außerhalb von Bunkern unmöglich ist. Die Strahlung einer solchen Bombe würde die einer herkömmlichen Wasserstoffbombe in den ersten fünf Jahren nach der Explosion um das 150-fache übertreffen.
Schmutzige Bombe
Die Bezeichnung „schmutzige“ oder „radiologische Bombe“ (englisch: Dirty Bomb) bezieht sich auf die Wirkweise dieser Nuklearwaffe. Radioaktives Material soll mittels konventioneller Sprengstoffe am Explosionsort verbreitet werden, um die Umgebung zu kontaminieren. Eine Kernreaktion findet nicht statt, weil diese Bombe nicht genügend spaltbares Material für die kritische Masse oder keinen geeigneten Zündmechanismus besitzt. Ziel ist, eine Gegend für lange Zeit radioaktiv zu verseuchen und unbewohnbar zu machen.