Über das Wochenende sind viele Regionalzüge proppevoll. Das liegt auch am 9-Euro-Ticket. Eine Bilanz über die Aktion soll zwar erst nach drei Monaten gezogen werden, aber Forderungen für den Nahverkehr gibt es jetzt schon.

Nach dem Boom beim 9-Euro-Monatsticket und der starken Nachfrage im Pfingstverkehr der Bahn fordern Verbraucherschützer, Kommunen sowie Verkehrspolitiker dauerhaft günstige Nahverkehrspreise sowie zusätzliche Milliarden-Zuschüsse. Der Städte- und Gemeindebund sprach sich dafür aus, auch nach Auslaufen des auf drei Monate befristeten 9-Euro-Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein bundesweit unbegrenzt gültiges ÖPNV-Billigticket anzubieten. Die SPD-Verkehrsexpertin Dorothee Martin sieht die aktuelle Rabattaktion als Chance, fordert aber auch grundlegende Verbesserungen. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß für ein Billigticket für jedermann.

 

Das Pfingstwochenende gilt als erste Bewährungsprobe für das 9-Euro-Ticket. Damit können Inhaber jeweils in den Monaten Juni, Juli und August mit dem öffentlichen Personennahverkehr durch ganz Deutschland fahren. Zu Beginn der Pfingstferien waren nach Angaben der Deutschen Bahn Regionalzüge insbesondere zu touristischen Zielen sehr stark nachgefragt. Reisende berichteten am Samstag von teils völlig überfüllten Zügen, es sei auch zu Verspätungen gekommen. Manche Bahnkunden hätten keinen Sitzplatz gefunden, aus einigen Zügen mussten Fahrgäste wieder aussteigen. Auch konnten Reisende mit Fahrrädern mancherorts nicht einsteigen, wie dpa-Reporter berichteten. Auch am Pfingstsonntag seien Regionalzüge entlang touristischer Ziele stark genutzt worden, hieß es bei der Bahn. Die Nachfrage bewege sich auf einem ähnlich hohen Niveau wie am Samstag.

Steigende Kosten bei den Unternehmen

SPD-Expertin Martin sagte, sie freue sich sehr über den großen Zuspruch für das 9-Euro-Ticket. Klar sei aber, „dass wir dauerhaft mehr Geld im ÖPNV brauchen“, betonte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion im „Handelsblatt“. In vielen Regionen sei das Angebot leider ungenügend. Gleichzeitig stiegen dieKosten auch bei den Verkehrsunternehmen.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dem Blatt, „wir brauchen keinen kurzen ÖPNV-Sommer, sondern ein flächendeckendes ÖPNV-Land“. Deshalb müsse darüber nachgedacht werden, perspektivisch ein bundesweit gültiges, einheitliches und vergünstigtes Ticket folgen zu lassen.

Über die Frage der Finanzierung sollten sich Bund und Länder vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket verständigen. Erst mit einer dauerhaften Mittelerhöhung durch Bund und Länder entstünden die Spielräume, um mehr Busse und Bahnen fahren zu lassen und auch tarifliche Angebote deutlich zu verbessern, sagte Landsberg.

Auch Verbraucherschützerinnen und – schützer äußern sich

Ähnlich äußerte sich die Interimschefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Jutta Gurkmann. „Um den ÖPNV zu stärken und Fahrgäste dauerhaft zu halten, sind konstant günstige Ticketpreise wichtig“, sagte sie. „Die Bundesregierung sollte deshalb ein Preismoratorium für Busse und Bahnen beschließen und in einen kundenfreundlichen ÖPNV und attraktive Angebote investieren.“

Gurkmann regte als zusätzliche Finanzierungsoption eine „Nutznießer-Finanzierung“ an. Dies würde bedeuten, Arbeitgeber, Einzelhändler oder Private, deren Immobilien etwa durch einen guten ÖPNV-Anschluss an Wert gewinnen, an der Finanzierung zu beteiligen.

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Die „Wirtschaftsweise“ Grimm sagte mit Blick auf die Forderung nach einem bundesweit unbegrenzt gültigen ÖPNV-Billigticket, „mit einem Angebot für alle, auch die Zahlungskräftigen, reduziert man ja nur den finanziellen Spielraum, ohne dass man große Effekte erzielendürfte“. Denkbar wäre etwa, jungen Menschen ein extrem günstiges Angebot zu machen. So gewöhnten sie sich an die Nutzung öffentlicherVerkehrssysteme, die dann mit zunehmendem Ausbau auch attraktiverwürden, sagte die Ökonomin, die auch die Bundesregierung berät.