Am Stuttgarter Hauptbahnhof gibt es am Samstag bei der Verbindung nach Karlsruhe Gedränge. Wie das zweite Wochenende, an dem Reisen mit dem 9-Euro-Ticket möglich sind, anlief, erfahren Sie hier.

Stuttgarter Hauptbahnhof, Samstagvormittag. Auf dem Bahnsteig an Gleis 11 geht nichts mehr. Alle warten auf den Interregio-Express (IRE) von und nach Karlsruhe. 45 Minuten Verspätung werden angezeigt. Die Stimmung ist bei manchen auf dem Bahnsteig durchaus gereizt.

 

„Bitte treten sie hinter die Linie zurück“ – das Sicherheitspersonal wiederholt die Aufforderung gefühlt alle 30 Sekunden und balanciert selbst zwischen Linie und Bahnsteigkante entlang, die ganze Strecke entsprechend der erwarteten Zuglänge einmal rauf und wieder runter. Erst wenn dieser Mindestsicherheitsabstand eingehalten wird, kann der von manchen schon seit fast einer Stunde ersehnte Zug einfahren. Es gibt zwar auch regelmäßig Intercity-Verbindungen nach Karlsruhe – aber da gilt das 9-Euro-Ticket nicht.

Der Andrang bei den Zügen nach Karlsruhe ist groß

Die Karlsruhe-Verbindung ist an diesem Samstag des zweiten Pfingstferienwochenendes das große Sorgenkind im Stuttgarter Hauptbahnhof. Ein, zwei frühere Züge seien völlig überfüllt gewesen, ist vom Info-Personal der Bahn zu erfahren, niemand hätte mehr mit gekonnt, Radfahrer schon gar nicht. Und so habe sich die Menschenmenge an Gleis 11 angesammelt. Auch jetzt würden vermutlich nicht alle in den Zug passen, mutmaßt einer der Bahn-Mitarbeiter, die Reisenden immer wieder geduldig und freundlich die Situation erklären. Nicht alle Auskunftsuchenden sind auch nur ansatzweise ähnlich freundlich, manche geben den Bahnmitarbeitern die Schuld, beschimpfen sie sogar. Eine harte Schule für einen Auszubildenden, der das aushalten muss.

Für die meisten in der Menge auf dem Bahnsteig müsste eigentlich problemlos nachvollziehbar sein, dass sie erst dann in den Zug kommen, wenn die drinnen draußen sind. Aber kaum ist der IRE in Sicht, drücken viele schon wieder über die erwähnte Linie, kaum steht der Zug und öffnen sich die Türen, spielen einige Grundvoraussetzungen für ein halbwegs vernünftiges menschlichen Miteinander offenbar keine Rolle mehr. Auch wiederholte deutlich verstehbare Durchsagen „Bitte lassen Sie erst die Fahrgäste aussteigen“ werden unvermindert nach drinnen schiebend und drängend ignoriert. „Da ist sich jeder selbst der nächste“, kommentiert eine der Bahnmitarbeiterinnen das Geschehen resignierend und genervt.

Fahrradfahrer haben derzeit oft das Nachsehen

Es gibt aber auch gelassene Ausnahmen in der Menge. Konrad Penkala zum Beispiel. Der Sindelfinger nutzt zwar auch das 9-Euro-Ticket, fährt aber auch sonst regelmäßig Bahn – um Rad zu fahren. Er will in kompletter Sportmontur samt Rennrad nach Karlsruhe, um von dort rund 70 Kilometer mit dem Rad nach Bietigheim zu fahren und von dort mit der S-Bahn zurück. Er will pünktlich zum Länderspiel am Abend wieder zuhause sein. Penkala ist Tourguide beim ADFC, Radfahren ist für ihn also fast Alltag. Er macht der Bahn keinen Vorwurf, eher der Politik, die einfach nicht bedacht habe, was passiert, wenn plötzlich viel mehr Menschen als bisher günstig Bahn fahren wollten. Sollte er mit seinem Rad nicht in den IRE nach Karlsruhe kommen, hat er sich schon eine Alternative überlegt. „Dann fahr ich mit dem Rad runter an den Neckar und mach meine Tour dort neckaraufwärts.“

Die Situation an Gleis 11 ist an diesem Samstagvormittag die Ausnahme im Stuttgarter Hauptbahnhof, sonst geht es relativ ruhig zu, kein Vergleich zu dem Dauergedränge am Pfingstwochenende. „Die meisten sind ja schon im Urlaub“, sagt ein anderer Bahnmitarbeiter am Fernbahnsteig 16 lachend. Er rechnet an dem Tag erst um die Mittagszeit mit größerem Andrang, wenn die Besucher des ersten Rammstein-Konzerts auf dem Wasen vielleicht nach durchgefeierter Nacht wieder nach Hause fahren wollen und die Besucher des zweiten Konzerts ankommen.

Gute Planung hilft nicht immer

Relativ gute gelaunt ist auch eine Gruppe von Freunden und Bekannten aus Neckarsulm – obwohl sie eigentlich Grund für schlechtere Stimmung hätte. Der Ausflug nach Rottweil war schon länger geplant, sie wären auch ohne 9-Euro-Ticket sowieso mit der Bahn gefahren. Die Sitzplätze im Intercity auf der Gäubahnstrecke - auf der das 9-Euro-Ticket ja gilt - waren reserviert, die Stadtführung gebucht, auch die Fahrt auf die Aussichtsplattform des TK Elevator Testturms. Aber dann kam der Zug von Neckarsulm nach Stuttgart nicht.

So verpassten sie in Stuttgart den geplanten Anschlusszug und die ganzen Planungen waren erst einmal dahin. „Aber wir ärgern uns nicht“, sagt einer aus der Gruppe. „Jetzt gehen wir erst einmal einen Kaffee trinken, bevor der nächste Zug nach Rottweil fährt. Haben Sie einen Tipp für uns?“ Und schon zieht die Gruppe lachend weiter – und freut sich trotzdem auf ihren Ausflug. So entspannt-flexible Reisende würde sich so mancher Bahnmitarbeiter in 9-Euro-Ticket-Zeiten und auch sonst öfter wünschen.

Das 9-Euro-Ticket gibt es für die Monate Juni, Juli und August. Damit kann man jeweils einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen, egal ob Busse, ÖPNV oder Bahnen. Die Tickets können unter anderem über die DB-Navigator-App oder auch über die Apps der örtlichen Verkehrsverbünde (VVS, SSB), über das Internet oder an den Schaltern und Geschäftsstellen erworben werden.