Vor 95 Jahren haben die Siedler am Eisenbahnhalt Rutesheim beschlossen das Wohngebiet Silberberg zu nennen. Heute ist es ein Leonberger Stadtteil mit selbstbewussten Bürgern.

Der Grundstein für den heutigen Leonberger Stadtteil Silberberg wurde im Jahr 1921 gelegt, als hier das erste Gebäude (heute Elsterweg 16) gebaut wurde. Außerdem gab es noch die Wohnung des Vorstands des Eisenbahnhalts Rutesheim, das Erholungsheim Jugendsiedlung „Gut Ruh am See“ der Arbeiterwohlfahrt, die Gärtnerei Friedrich Haug (1921-1957) und das Gasthaus und später auch Lebensmittelgeschäft „Zum Waldeck“.

 

Nach und nach haben sich weitere Siedler in dem Gebiet an der Eisenbahn zwischen Eltingen, Rutesheim und Renningen niedergelassen, denn die gute Anbindung machte es möglich, schnell Arbeitsplätze zu erreichen.

Im Jahr 1929, also vor 95 Jahren, entschied sich die damalige „Gesamtkolonie“ für den gemeinsamen Namen Silberberg. Die Siedlung gehörte zur Gemeinde Eltingen. Hier hielt sich die Bereitschaft in die Wasser- und Stromversorgung und den Bau von Wegen zu investieren in Grenzen. Die Häuser waren nur spärlich angeschlossen, ausgefallene Pumpen waren an der Tagesordnung. Noch schlimmer war es im Winter, denn immer wieder froren die Wasserleitungen zu. Zum Glück gab es eine Quelle am Wasserbach, doch die lag mehr als einen Kilometer entfernt, sodass das Wasserholen recht mühsam gewesen ist.

Gesellschaftlicher Mittelpunkt war das Gasthaus

Da war ja noch der Nachbarort Rutesheim. Doch der hatte selbst kaum Quellen und erhebliche Probleme mit der Wasserversorgung. Deshalb war die Gemeinde 1922 dem Zweckverband Renninger Wasserversorgungsgruppe beigetreten, der im Jahre 1907 von den Gemeinden Renningen und Malmsheim gegründet wurde. Unterstützung für den Silberberg wäre mit der Eingemeindung nach Rutesheim verknüpft gewesen. In den 1930er-Jahren versuchten die Silberberger Siedler eine Eingemeindung nach Eltingen zu erreichen. Dies wurde hinfällig, als Eltingen selbst im Jahre 1938 nach Leonberg eingemeindet wurde.

Das Gasthaus und Lebensmittelgeschäft „Zum Waldeck“ /Einholz

Der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens im Silberberg war über viele Jahre das Gasthaus Waldeck. Es war der kulturelle Mittelpunkt der Siedlung, denn bereits in den 1930er-Jahren war hier eine Gesangsgruppe aktiv und es fanden Theateraufführungen statt. Im Gasthaus wurde gewählt und Versammlungen wurden abgehalten, Gottesdienste und Taufen fanden hier statt. Da musste die Wirtin gelegentlich lautstarke Gäste auch mal ermahnen: „Send au ruig, nebedra isch Kirch“. Auch das Café Sautter lud zum Verweilen ein. Die erste große Autobahn Deutschlands von München über Stuttgart nach Karlsruhe, die heutige A 8, verlief ab der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre zwischen Silberberg und Rutesheim.

Nach dem Krieg mit den Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen in Deutschland ging es mit der Besiedelung des Silberbergs rasch aufwärts. Die einst auf Renninger Gemarkung liegenden Gebäude kamen nach einer Grenzkorrektur nach Leonberg. Die Grenzen zwischen Rutesheim und Leonberg blieben unverändert. Aber hier entstand in den 1950er-Jahren als neuer Nachbar die Rutesheimer Heuwegsiedlung. Mit der wurden viele Wege gemeinsam gegangen, wie 1968 als der Kindergarten und die Thomaskirche entstanden.

Noch attraktiver wurde es für Silberberg 1978, als der S-Bahn-Verkehr aufgenommen wurde. Das bedeutete das Ende des Bahnübergangs mit der Schranke. Die Stadt Leonberg wollte eine Überführung über die Bahngleise. Doch dagegen machte sich der 1963 gegründete Bürgerverein Silberberg stark, sammelte knapp 5000 Unterschriften aus der Bürgerschaft und so bekam Silberberg eine Unterführung.

Heute ist von der bewegten Geschichte der Besiedlung nichts mehr zu sehen. Foto: Simon Granville

Der Bürgerverein war angetreten um die Belange des Stadtteils zu wahren und zu vertreten. So verwundert es nicht, dass seine erste Forderung bei der Gründung die Kanalisierung des Wasserbachs war, in den die Abwässer und noch Schlimmeres aus der Heuweg-Siedlung geleitet wurden. Der Verein trat für den Ausbau der Straßen, der Beleuchtung und für eine Schule und einen Kindergarten ein. Bis auf die Schule wurde alles umgesetzt.

Auch gegen die sogenannte Bodenseeautobahn, die zwischen Gärtringen und dem Leonberger Dreieck (damals als Autobahndreieck Stuttgart bezeichnet) direkt geführt werden sollte, was auch Silberberg tangiert hätte, opponierte der Verein 1965. Bald gehörte er zum gesellschaftlichen Leben des Stadtteils, 1966 fand das erste traditionelle Lichterfest statt, 1972 wurde mit dem Bau des Vereinsheims als Treffpunkt begonnen. Zwei Jahre später bildete sich die Tennisgruppe, die einen Tennisplatz mit Flutlicht in Eigenregie errichtete.

Hasenställe werden zu Garagen

Eng mit der Entwicklung des Silberberg ist der Rutesheimer Stadtteil Heuweg verbunden. Auf dieser Gemarkung stand früher ein Christbaumwäldle der Gemeinde Rutesheim. Immer wieder gab es Überlegungen, nördlich des Eisenbahnhaltepunkts Rutesheim eine Wohnsiedlung zu errichten. Doch es fehlte an Geld für Investitionen und Erschließungen. 1951 wurde es konkret als mit der Württembergischen Landsiedlung eine „Nebenerwerbssiedlung“ geplant wurde, sodass 1952 insgesamt 18 Siedlerstellen genehmigt wurden. 1953 wurden die ersten Häuser bezogen - jeder Erwerber musste eine Parzelle nachweisen, die er landwirtschaftlich nutzt. Jeder hatte einen Stall für Hasen oder Hühner – dieser wurde jedoch bald zur Garage. Das Obergeschoss musste zu einem gebundenen Mietpreis vermietet werden.

Die ersten „Siedler“ hatten es nicht leicht: Die Straßenbeleuchtung fehlte, es gab keine befestigten Straßen. In der Bushaltestelle wurden die Gummistiefel abgestellt und bevor man morgens zum Bus oder zur Bahn ging, die Schuhe gewechselt. Abends standen die Gummistiefel wieder bereit und die „guten“ Schuhe wanderten in die Tasche. Es gab zwei Lebensmittelgeschäfte, das der Familie Ilchmann im Sonnenrain und das der Familie Schenk „Am Heuweg“ sowie den Metzger „Schiessle“. Auch eine Poststelle kam hinzu sowie Filialen der hiesigen Banken. Die Menschen gingen in die Gaststätten „Heuwegstüble“ und „Schönblick“ und natürlich auch ins „Waldeck“ im Silberberg. Aber das ist alles schon lange Geschichte.