Die Chefin der Kunsthalle Baden-Baden wird bei der nächsten Kunstbiennale in Venedig den Deutschen Pavillon kuratieren. Wird er wieder zertrümmert werden?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Das Votum fiel einstimmig: Çağla Ilk wird Kuratorin des Deutschen Pavillons bei der Kunstbiennale in Venedig im nächsten Jahr. Sie leitet derzeit gemeinsam mit Misal Adnan Yildiz die Kunsthalle Baden-Baden. Das in Stuttgart ansässige Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa) koordiniert und organisiert den künstlerischen Beitrag im Deutschen Pavillon und hat bei der Wahl der Kuratorin nun erstmals eine Fachjury eingesetzt, in der Vertreter aus dem Kunst- und Ausstellungsbetrieb, der Villa Romana und dem Auswärtigen Amt saßen. Damit wollte man dem Verfahren „mehr Transparenz und Fairness verleihen“, wie die Ifa-Generalsekretärin Gitte Zschoch sagt.

 

Kritisch mit der Geschichte auseinandersetzen

Çağla Ilk wurde in Istanbul geboren und hat Architektur studiert – zunächst in Istanbul und dann in Berlin, wo sie seither lebt. Sie war mehrere Jahre als Dramaturgin am Berliner Maxim-Gorki-Theater tätig und dort unter anderem für die interdisziplinäre Kunstausstellung Berliner Herbstsalon zuständig. Der deutsche Pavillon, sagte Ilk nach ihrer Ernennung, sei ein geeigneter Ort, um eine „von nationalstaatlichem Denken geprägte Lebensweise zu hinterfragen und neue Formen des Zusammenlebens zu entwickeln“ – da er kritisch für die deutsche Geschichte stehe. Seit Jahrzehnten arbeiten sich Künstlerinnen und Künstler an dem im Nationalsozialismus entstandenen Bau ab, um der internationalen Kunstwelt zu zeigen, dass der „Nazipavillon“ nicht mehr das heutige Deutschland repräsentiert. Immer wieder wurde dem Gebäude von den Künstlerinnen und Künstlern handfest zugesetzt: 1993 zertrümmerte Hans Haacke den Marmorboden, 2017 ließ Anne Imhof ihn einzäunen und von Dobermännern bewachen. Im vergangenen Jahr hat die Künstlerin Maria Eichhorn von einem Restaurator dann Putzschichten von den Wänden abtragen lassen.

Der „Nazipavillon“ provoziert handfeste Eingriffe

Sie ist zwischen den Sparten unterwegs

Angaben, wer den Pavillon im nächsten Jahr künstlerisch bespielen wird, machte Çağla Ilk noch nicht, verriet aber, dass es ihr ein Anliegen sei, „die gesellschaftsverändernden Potenziale von Kunst zu nutzen“. Sie arbeitet häufig zwischen den Sparten und verbindet bildende Kunst mit Architektur, Sound, Theater und Performance. So veranstalteten sie und Misal Adnan Yildiz als neue Direktoren der Kunsthalle Baden-Baden zur Eröffnung ein Performance-Programm mit Regie-Studierenden oder auch computerbasierte Projekte. Derzeit werden dort zwei Videoarbeiten der südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz gezeigt.