Sie sind außerordentlich schwierig, diese Koalitionsverhandlungen. Die künftigen Koalitionäre schenken sich nichts. So macht auf einmal der vermeintlich kleinste gemeinsame Nenner Karriere. Der Bürokratieabbau rückt in den Vordergrund. Den wollen alle, er kostet nix – selten war das Fenster für eine Staatsreform weiter offen. Und doch wird sich auch hier herausstellen, dass der auf den ersten Blick leichteste Konsens am Ende den meisten Ärger machen wird.
Es kommt oft vor, dass gewesene Chefs noch nach Jahren am besten wissen, wie man den Laden ruckzuck flott macht. Dass zwei ehemalige Bundesminister, eine frühere Medienmanagerin und ein Verfassungsgerichtschef a.D. im Chor von der Seitenlinie hereinrufen, ist allerdings ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist, dass der wahrscheinliche künftige Kanzler Friedrich Merz das Quartett und seine „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ so notorisch lobt, dass man auf den Gedanken kommen könnte, er meint es ernst.
Budget ist Macht, und Macht teilt man nicht.
Die Vorschläge von Peer Steinbrück, Thomas de Maizière, Julia Jäkel und Andreas Voßkuhle sind gut. Und doch ist es nicht hämisch zu fragen, warum das Quartett in seiner aktiven Zeit zur Verwirklichung solcher Pläne wenig beigetragen hat. Die Antwort liegt in der politischen Logik. Bürokratieabbau ist nicht leicht zu haben. Er ist mühsam. Er ist teuer. Er hat mächtige Gegner.
Denn irgendwas ist immer. Die Angriffe gegen Europa, die Milliardenschulden, die Migration, Zölle, Wehrpflicht, eine Sozialreform: Schon jetzt türmen sich die Aufgaben im Eingangskorb künftiger Minister und Ministerinnen.
Auch die Gutwilligste wird merken, dass Aktualität den Plan schlägt. Zuerst wird ein solches ressortübergreifendes Vorhaben zur Chefsache mit Büro im Kanzleramt. Dann wird eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet. Die tagt ein paar Mal, verliert die Lust. Man verlegt das Büro ins Justizministerium und vergisst es. Denn: Eine Staatsreform hat in Wahrheit vor allem mächtige Gegner, die sich in den eigenen Reihen tummeln. Wer gerade ein Ministerium ergattert hat, gibt nicht freiwillig ganze Bereiche her. Budget ist Macht, und Macht teilt man nicht.
Der Widerstand verfügt über gewaltige Ressourcen.
Dazu kommt: Bürokratie, Regeln und Vorschriften sind vielleicht für die Industrie ein Jobkiller. Für Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater ist das anders.
Man muss nur einmal auf die Firmenschilder an den neu errichteten Passivenergie-Bürogebäuden neben den großen Bahnhöfen in Deutschland achten. An den Stockwerken kann man nachzählen, wie viele Arbeitsstellen etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die Entwaldungsrichtlinie oder die Compliancezeitvorschriften schon geschaffen haben. Der außerparlamentarische Widerstand gegen eine Staatsreform verfügt damit über gewaltige Ressourcen.
Bürger und Bürgerinnen seien normalerweise gutwillig und gesetzestreu, sagt die Initiative. Der Staat solle das endlich mal respektieren und sich um die kümmern, die die Regeln brechen. Die anderen sollten zum Beispiel eher pauschal besteuert werden, Unternehmen sollen weniger berichten und nachweisen müssen.
Ein Bierdeckel mit 1000 Seiten
Dafür wäre Friedrich Merz eigentlich der richtige Kanzler. Als Finanzexperte seiner Partei machte er sich einst das Vorhaben zu eigen, die Steuererklärung so weit zu vereinfachen, dass sie auf einen Bierdeckel passt. Eine Stiftung und viele Professoren arbeiteten anschließend ein paar Jahre daran, ein einfaches und transparentes Steuerrecht zu entwerfen. Das Ergebnis: ein Bierdeckel mit 1000 Seiten.
Das macht die Vorschläge nicht schlecht, es diskreditiert die Autoren und die Autorin der Initiative kein bisschen. Es zeigt nur die Beschränkungen, denen aktive Politiker unterliegen. Sie könnten sich als hartnäckiger erweisen als der Streit um das Ehegattensplitting und die Unternehmensteuerreform.
Die künftige Koalition vor einer Blamage retten wird die Initiative nicht.