Der Rückbau vieler Windkraftanlagen steht an, wenn ab 2020 die staatliche Förderung endet. Die Entsorgung moderner Rotorblätter ist noch ungelöst. Und der Umweltminister sagt: Der Beton muss komplett raus.

Stuttgart - Für tausende Windräder in Deutschland endet demnächst die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Nach Ansicht von Fachleuten stehen dann viele Kraftwerke vor dem Aus. Denn angesichts der niedrigen Strompreise an der Börse könnten „nur wenige Anlagen wirtschaftlich weiterbetrieben werden“, befand vor einiger Zeit das Berliner Analysehaus Energy Brainpool. Da sich die Windräder nach 20 Jahren auch technisch ihrer Altersgrenze nähern, bereiten sich Politik, Forschung und Wirtschaft auf eine Rückbauwelle vor. Doch dabei sind noch etliche Fragen offen.

 

„Das wird ein Thema im großen Stil“, glaubt Andreas Glück, umwelt- und energiepolitischer Sprecher der FDP im baden-württembergischen Landtag, mit Blick auf eine Stellungnahme der Landesregierung zu einem FDP-Antrag. Darin listet diese sämtliche Windkraftanlagen im Südwesten auf, deren Förderung in den nächsten Jahren ausläuft. Ende 2020 sind es 70, ein Jahr später folgt dann die nächste Welle mit 37 Windrädern, und Ende 2022 kommen 60 weitere hinzu. Wie viele dieser Kraftwerke dann am Netz bleiben, lässt sich nicht vorhersagen. „Das hängt davon ab, wie sich der Strompreis an der Börse entwickelt und wie der Gesetzgeber künftig CO2 besteuert“, sagt Walter Witzel, ehemaliger Grünen-Abgeordneter und bis 2016 Landeschef des Bundesverbands Windenergie.

Windräder dürfen nicht ungenutzt herumstehen

Doch klar ist für ihn auch, dass sich das angesichts der Wartungs- und Betriebskosten dann für etliche Betreiber nicht mehr rechnet. Denn das sogenannte Repowering, also der Ersatz kleinerer Anlagen durch größere, bedeutet für die Investoren „Zurück auf Los“. Sie müssten also eine komplett neue Genehmigung beantragen und sich in den seit 2017 vorgeschriebenen Ausschreibungen durchsetzen – was bisher nur ganz wenigen Investoren im Land gelang. Viele Betreiber stehen also momentan vor der Entscheidung: Laufen lassen oder verkaufen? Allein der Online-Marktplatz wind-turbine.com hat mehrere tausend Anlagen im Angebot.

Das Baugesetzbuch schreibt klipp und klar vor (§ 35,5), dass ungenutzte Kraftwerke nicht ungenutzt in der Landschaft herumstehen dürfen, sondern zurückzubauen sind und Bodenversiegelungen beseitigt werden müssen. Dazu musste sich der Investor verpflichten und dies auch finanziell absichern. Rund 20 000 Euro kostet der Abbau einer 1-MW-Anlage laut Bundesverband Windenergie.

Kohlefaser statt Glasfaser

Wie das technisch funktioniert, hat vor geraumer Zeit der Verein deutscher Ingenieure (VDI) beschrieben. Sein „Zentrum für Ressourceneffizienz“ kommt zum Schluss, dass eine Gesamtanlage „zu 80 bis 90 Prozent recycelt“ werden kann. Stahl und Kupfer fänden Abnehmer, der Beton aus dem Turm könne zerkleinert und weiter verwendet werden, und die Rotorblätter dienten als Brennstoff für die Zementindustrie. Das Stuttgarter Umweltministerium befand deshalb, dass es für den Rückbau von Windkraftanlagen keiner eigenen Entsorgungskonzeption bedürfe – und schon gar keine zusätzlichen Kapazitäten.

Und doch treibt das Thema die Fachwelt um. „Die Entsorgungsfrage ist aus unserer Sicht noch nicht gelöst“, sagt Florian Sorg, Projektleiter bei der Landesagentur „Umwelttechnik BW“. Als größte Herausforderung gilt die Verwertung der Rotorblätter von neuen, großen Windkraftanlagen. Während frühere Kraftwerksgenerationen in der Regel Blätter aus glasfaserverstärkten Kunststoffen verwenden, werden heutzutage gern Verbundstoffe mit Kohlefasern (CFK) benutzt.

Doch deren Entsorgung bereitet Probleme: „Marktfähige Anwendungen für recycelte Verbundwerkstoffe aus Carbonfasern lassen weiter auf sich warten“, zieht Sorg das Resümee einer Fachtagung zu diesem Thema. In Müllverbrennungsanlagen könne man den Stoff kaum verwerten, denn die brechenden Fasern verstopften Filter und beeinträchtigten die elektronische Steuerung. Forscher suchen derzeit weltweit nach Lösungen – unter anderem am Fraunhofer Institut für Chemische Technologie in Pfinztal.

Tausende Tonnen Stahlbeton

Den FDP-Abgeordneten Andreas Glück bewegt aber noch eine weitere Frage: Was passiert mit den mehrere Meter tiefen Fundamenten, auf denen die Windräder gründen? Bis zu 3800 Tonnen Stahlbeton sind laut Umweltministerium für neuere Anlagen nötig, die zwischen 1990 und 2000 gebauten kommen mit bis zu 900 Tonnen aus. Minister Franz Untersteller beharrt darauf, dass „alle ober- und unterirdischen Anlagen und Anlagenteile einschließlich der Fundamente“ beseitigt werden.

Doch in den Verträgen, die das Land mit Windkraftinvestoren schließt, die ihre Anlagen auf staatlichen Flächen bauen, steht etwas Anderes: „Bis auf eine Tiefe von mindestens zwei Meter unter Geländeoberkante“ sei das Fundament abzutragen, heißt es dort. Letzteres wäre für Glück „mit Blick auf die Folgen für den Wald inakzeptabel“. Agrarminister Peter Hauk, der die Gestattungsverträge verantwortet, müsse deshalb darin Klarheit schaffen, was das Land von den Windmüllern erwartet.