Die „Münchner Abendzeitung“ steht vor dem Aus. Geht es nach dem finanziell ausgebluteten AZ-Verleger Johannes Friedmann, sieht die Situation düster aus. Nur ein Investor kann das berühmte Boulevardblatt retten.

München - Egal ob links-liberal oder konservativ, ob lokaler Boulevard oder überregionaler Anspruch, Tageszeitung oder Nachrichtenagentur, der deutsche Journalismus speziell in tagesaktueller gedruckter Form darbt vielfach. Die Misere macht an keiner Grenze halt, wie in letzter Zeit die Pleiten von „Frankfurter Rundschau“ (FR), „Financial Times Deutschland“ (FTD) und dapd sowie nun der „Münchner Abendzeitung“ (AZ) belegen. Die AZ ist eine starke Marke und feste Größe im deutschen Boulevardjournalismus, findet der vorläufige und sich optimistisch gebende Insolvenzverwalter Axel Bierbach. Das Bild, das der finanziell ausgeblutete AZ-Verleger Johannes Friedmann malt, ist dagegen düster, aber nach Lage der Dinge leider auch realistischer.

 

„Trotz aller Sanierungsbemühungen ist die Perspektive der AZ hoffnungslos“, resigniert er in einem Interview. Gegeben hat er es nicht der AZ, sondern der „Süddeutschen“, an deren Verlag seine Familie ebenfalls zu knapp 19 Prozent beteiligt ist. Friedmann hat den Verfall seiner AZ hautnah miterlebt, die sinkenden Anzeigenerlöse und bröckelnden Auflagen, die alles erdrosselnden Druckkosten. Dazu kommen mit fünf täglich in München erscheinenden Zeitungen nahezu Berliner Verhältnisse und das bei nicht einmal halber Bevölkerungszahl. Seit Jahren waren Preiserhöhungen jeder Art für die AZ deshalb konkurrenzbedingt ein Ding der Unmöglichkeit.

Ein Mix aus Boulevard und Intellekt

Überraschend kommt die Pleite der „Abendzeitung“ für niemanden, der noch Zeitungen liest. Zwar wird sie jetzt vielfach als Münchner Institution gerühmt in einem Atemzug mit Hofbräuhaus und Frauenkirche, aber um das Hohelied auf die AZ noch aus eigenem Erleben nachvollziehen zu können, muss man schon einige Jahre auf dem Buckel haben.

Es gab eine Zeit, in der die AZ mit rund 300 000 Exemplaren das auflagenstärkste Blatt der Stadt war. In den siebziger Jahren ist das gewesen. Damals galten die AZ-Kontakte als die besten aller Münchner Zeitungen. Ihr Feuilleton war legendär, ein seit damals wohl bundesweit nicht mehr erreichter Mix aus Boulevard und Intellekt. Mit der AZ unter dem Arm konnte man sich sehen lassen. Diese Art der Boulevardzeitung musste man nicht verstecken.

Dann kamen Lokalfernsehen und Internet, eine fatale Abwärtsspirale aus Anzeigenverlust und Stellenabbau. Es gab zwischenzeitlich und vor dem heutigen Arno Makowsky auch ein paar Chefredakteure, die die Stadt nicht kannten – fatal für eine Zeitung, die einmal so nah am Puls der Isarmetropole und ihrer Bussi-Gesellschaft war wie lange keine andere. Die AZ beschäftigte einst Deutschlands führenden Klatschkolumnisten Michael Graeter, den der Regisseur Helmut Dietl in seiner TV-Kultserie „Kir Royal“ als den Reporter Baby Schimmerlos verewigt hat und damit gleich die ganze AZ. Ihr reales Image prägten die legendäre Filmkritikerin Ponkie und der Edelkolumnist Sigi Sommer. Für sie geschrieben haben einmal die späteren Chefs von „Stern“ und „Welt“, Michael Jürgs und Jan-Eric Peters, ferner der Chefredakteur des „Handelsblatts“, Hans-Jürgen Jakobs.

Kommt die Rettung von einem Münchner Verleger?

Das alles ist Historie. Geklatscht wird heute per Facebook und Twitter. Vorbei sind die Zeiten des intellektuellen Boulevards, bilanziert Friedmann bitter. Was eine Zeitung wie die AZ ausmacht, sei heute durch das Internet weitgehend bedeutungslos geworden. Alle Hoffnungen ruhen nun auf einem Investor. „Ich kenne nur keinen“, sagt Friedmann. Er hat die vergangenen zehn Jahren vergeblich gesucht, wobei dazu das Kartellrecht im Wege stand. Insofern könnte die Pleite eine letzte Chance bergen. Denn sie bietet die Möglichkeit, Kartellzwänge im Zuge einer Sanierungsfusion zu umgehen wie zuletzt im Fall von FR und FAZ. Als AZ-Retter käme theoretisch der Münchner Verleger Dirk Ippen infrage. Unter ihm erscheint an der Isar die  Boulevard-Konkurrenz „tz“ und der „Münchner Merkur“. Bislang ist öffentlich zwar nicht bekannt, dass Ippen interessiert wäre, aber das muss selbst in einer Zeitungsstadt wie München nicht viel heißen.