Erlebnisse, die jedes Gewohnheitstier vom Schreibtischstuhl reißen: Mikroabenteuer warten direkt vor der Haustür. Eine beflügelte Flucht aus dem Alltag gefällig? Wir verraten 12 Ideen für Mikroabenteuer rund um Stuttgart.
Mehr als jeder dritte Deutsche träumt davon, zu einer Weltreise aufzubrechen – zumindest, wenn man einer Online-Umfrage des Reiseportals lastminute.de Glauben schenkt und dessen mögliches Eigeninteresse an reiselustiger Kundschaft außen vor lässt. Fernweh spiegelt oft den Wunsch nach Freiheit, Abenteuer und einem Ausbruch aus dem monotonen Arbeitsalltag wider. Berufliche und familiäre Verpflichtungen, finanzielle Sorgen und die Angst vor dem Ungewissen hindern jedoch die meisten Menschen daran, ihre Reisesehnsüchte zu verwirklichen.
Mikroabenteuer: „Raus und machen“
Keine Zeit, kein Geld für eine Tour nach Neuseeland, Japan und Co.? Für ein echtes Abenteuer muss man nicht unbedingt weit reisen oder tief in die Tasche greifen – es wartet vor der Haustür. Das möchte das Konzept der „Mikroabenteuer“ verdeutlichen.
Die Philosophie geht auf den britischen Globetrotter Alastair Humphrey zurück und wurde in Deutschland durch Christo Försters „Mikroabenteuer – Das Motivationsbuch“ bekannt. Der Appell: „raus und machen“. Statt von großen Expeditionen nach Alaska zu träumen, sollen Menschen Abenteuer in ihrer unmittelbaren Umgebung suchen und erleben.
Aus der Komfortzone befreien
Einen Baum hochklettern, auf einem Hügel unter freiem Himmel schlafen oder in einem Fluss schwimmen – Hauptsache, man verlässt bewusst die Komfortzone, improvisiert, lässt sich von Entdeckerneugier leiten und stellt sich spontan kleinen Herausforderungen. Darin liegt der Unterschied zu „normalen“ Ausflügen, die häufig in vertrauten Bahnen verlaufen.
Entscheidend ist weniger die Aktivität, sondern die Art, wie man sie angeht: Auch ein Waldspaziergang kann zum Mikroabenteuer werden, wenn man ihn zum Beispiel in eine Nachtwanderung oder Fossiliensuche verwandelt. Mikroabenteuer wecken das innere wissbegierige Kind aus dem Tiefschlaf. Sie zielen auf Perspektivwechsel und intensive Natur- und Körpererfahrungen ab, die Glückshormone freisetzen und für mehr Zufriedenheit mit den eigenen Lebensumständen sorgen.
Regionale Tourismusbranche profitiert
„Mikroabenteuer können auch die Identifikation mit dem eigenen Wohnort festigen“, meint Andrea Gehrlach, Marketingleiterin der Stuttgart-Marketing-GmbH. Vor allem die Tourismusbranche vor Ort profitiere von dem nachhaltigen Konzept: „Mikroabenteuer vor der Haustür stärken die regionale Wertschöpfung. Zudem weisen sie durch ihre kurze oder sogar wegfallende Anreise eine gute Umweltbilanz auf.“
Erlebnisregion Stuttgart: 12 Mikroabenteuer vor der Haustür
Mit ihrer Mischung aus Urbanität und umliegender Natur eignet sich die Erlebnisregion Stuttgart hervorragend für Mikroabenteuer. Gehrlach schlägt zum Beispiel eine Wanderung in den Morgenstunden zu einem der vielen Aussichtspunkten der Stadt vor oder eine Kanufahrt auf der Enz. Ausgehend von ihren Anregungen hat sich unsere Redaktion ins Rechercheabenteuer gestürzt und 12 Top-Ziele für Sie zusammengestellt. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Stöbern, den Mut zur Umsetzung und eine reiche Endorphin-Ernte!
1) Guten Morgen, Sonnenschein: Sonnenaufgangstour zum Birkenkopf
... zur Karlshöhe oder zum Eugenplatz: Sein bequemes Bett so früh zu verlassen, bedeutet definitiv einen Schritt aus der Komfortzone. Aber wer im Morgengrauen – begleitet von den frech lärmenden Amseln und dem frühsommerlichen Geruch nach taufeuchtem Waldboden – die heimischen Stuttgarter Gipfel erklimmt und dann mit Stullen und duftendem Kaffee aus der Thermosflasche die aufgehende Sonne beobachtet, der kann ein Hochgefühl erleben, das die Aufstehstrapazen wert ist. Geht man anschließend um neun Uhr ins Büro, muss man die Kaffeekanne in den nächsten Stunden vielleicht mehrmals füllen – wird aber auch von dem Stolz auf die eigene Beherztheit durch den Tag getragen.
2) Atemlos durch die Nacht – bis nach Ludwigsburg, Marbach oder Tübingen
Wer nicht im Büro erwartet wird, startet eine nächtliche Fahrradtour und fährt mit der langsam aufgehenden Sonne zum Beispiel ins hundeschöne Leonberg (Dauer: 1:15 Stunden), ins barocke Ludwigsburg (1:15), ins fachwerkliche Bietigheim-Bissingen (1:45), in Schillers Geburtsstadt Marbach am Neckar (1:30), ins historische Herrenberg (2:15), altehrwürdige Tübingen (2:30), spätgotische Bad Urach (3:09) oder bis ins breit gefächerte Karlsruhe (4:45) und geht morgens herzhaft frühstücken.
3) Nacht-und Nebelaktion starten: Sonnenuntergangstour durch den Pfaffenwald
Ein Motto, das Feierwütige nicht für sich allein gepachtet haben. Sobald wir den müden Punkt mit der bewährten Kaffeethermoskanne überwunden haben, sind unsere Sinne nachts geschärfter und jede Kleinigkeit erhält unsere volle Aufmerksamkeit. Nächtliche Partygespräche arten oft in intensive und geheime Offenbarungen aus. Die besten Geheimnisse bekommt man bekanntlich von einem Vögelchen gezwitschert – wer sich während einer Nachtwanderung auf die nächtlichen Tiergeräusche fokussiert, dem dürfte einiges zu Ohren kommen.
In Stuttgart bieten sich beispielsweise der Pfaffenwald und der Rotwildpark im Westen, das untere Feuerbachtal im Norden, der Eichenhain im Süden oder das Wandergebiet Waldau bei Degerloch für einen Naturausflug im Dunkeln an. Eine Übersichtskarte mit Waldgebieten in Stuttgart findet sich auf der Internetseite der Stadt Stuttgart.
4) Besonders Betten in Nachbars Garten – oder im Trekking-Camp
Nach all den nächtlichen Erlebnissen auf dem Birkenkopf muss man auch mal zur Ruhe kommen dürfen. Auch das Schlafen kann zu einem spannenden Abenteuer werden: Warum nicht zu den Wurzeln zurückkehren und unter freiem Himmel die Isomatte auf dem Balkon oder im eigenen Garten ausrollen? Oder seine Zelte bei Fremden in der Nachbarschaft aufschlagen? Auf 1nitetent.com stellen Menschen ihre Grundstücke zum Zelten zur Verfügung – praktisch zum Outdoorf-Couchsurfing.
Wildzelten ist in Deutschland nicht erlaubt. Aber nahe Stuttgart gibt es beispielsweise im Nordschwarzwald einige Trekking-Camps wie das Camp Kniebis, die nur zu Fuß zu erreichen sind. Dort erwarten das fleißige Fußvolk einige Zeltstellplätze, Feuerstellen, Toilettenhäuschen – und ein beeindruckender Blick in die Sterne. Auf dem Hofgut Hopfenburg in Munsingen, etwa eine Auto- oder Zugstunde von Stuttgart entfernt, kann man ab 67 Euro pro Nacht in einem Zirkuswagen oder einer Jurte übernachten. Wer gerne den Überblick behält, kann im Baumhaushotel Natur-Resort Tripsdrill (rund eine Auto- oder Zugstunde von Stuttgart) ab 100 Euro in luftiger Höhe logieren.
5) Planlos los
Das berauschende Gefühl von Abenteuer wird oft durch spontane Eingebungen oder Überraschungsmomente ausgelöst. Dafür kann es schon ausreichen, von der eigenen Haustür aus loszulaufen und unterwegs jede Weggabelung zu würfeln, bis man keine Lust mehr hat. Dann wartet die Herausforderung: Wer findet ohne Maps und Co. zurück nach Hause?
Fortgeschrittene Mikroabenteurer können das Spiel am Bahnhof starten, jeden Zug samt Ausstieg per Zufallsprinzip auserwählen und später ohne digitale Hilfsmittel auf eigene Faust zurückfinden – oder aus eigenem Antrieb, wenn man das Fahrrad mitnimmt.
Aus Neugier entstehen oft spannende Erlebnisse. Wer weiß schon, wo der heimische Bachlauf entspringt? Warum nicht die heimischen Bachläufe wie den Buberlesbach, Fangelsbach oder Feuerbach von der Quelle bis zur Mündung verfolgen? Wer Skurrilitäten schätzt, kann den Stuttgarter Stadtplan nach seltsamen Straßennamen abscannen und schauen, was sich dahinter verbirgt. Haben die Menschen im Ablacher Weg außergewöhnlich viel Spaß? Wie märchenhaft sieht es im Aladinweg aus, wie schusselig geht es im Hoppla-Weg zu und wer ist in den Himmel gekommen?
6) Neue Sportarten probieren
Die immer gleiche Joggingrunde könnte man schon im Schlaf laufen, auf YouTube klickt man immer auf dasselbe Kraft-Work-out und wer als Kind Tennis gespielt hat, wechselt selten zu Squash: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Dabei kann das Ausprobieren neuer Bewegungsabläufe der Sportmotivation neue Impulse geben, andere Muskelgruppen stärken und neben dem Körper auch das Gehirn trainieren.
Warum nicht mal Yoga im Park ausprobieren, Tanzen lernen, Wanderausritte in die Schwäbische Alb unternehmen oder dem Internettrend Bouldern hinterherklettern?
7) Outdoor-Dinner nach Feierabend
Klar, eine Einladung zum Essen nach Feierabend ins neue Restaurant um die Ecke ist ganz nett. Aber wer hat sich schon mal zu einem Outdoor-Dinner am Max-Eyth-See verabredet, bei dem Pfannkuchen über der Feuerstelle gebraten wurden?
8) Mal kurz abtauchen: Höhlentour durch die Falkensteiner Höhle
Die Schwäbische Alb ist so löchrig wie ein Schweizer Käse und daher reich an Höhlen. Eine davon: Die mit dem BaWü-Outdoor-Award ausgezeichnete Falkensteiner Höhle bei Bad Urach. Sie ist die einzige Wasser führende Höhle Deutschlands, die Besucher betreten dürfen. Doch der Gang durch die bizarre Unterwelt ist kein Spaziergang: Ausgerüstet mit Neoprenanzug, Helm und Stirnlampe watet man mit einem ausgebildeten Höhlenführer durch brusttiefes Wasser, klettert über Felsabstürze oder taucht sogar einmal kurz ab.
9) Abseilen und Flussbettwandern im Murgtal
Stuttgarter Wasserratten, die den Adrenalinkick suchen und die Falkensteiner Höhle bereits in- und auswendig kennen, können sich ins Auto setzen und in einer Stunde und 45 Minuten bis zur Murgtalarena fahren. Dort lockt eine Flussbettwandertour samt Abseilerlebnis aus 15 Metern Höhe. Die sportliche Wanderung lässt sich auch mit Soft-Rafting kombinieren.
10) Treiben lassen oder gegen die Strömung paddeln: Kanutour auf der Enz
Sich vom Leben treiben lassen, den Moment genießen und dem Alltagsstress davon paddeln: Das klappt wunderbar bei einer Kanutour auf der Enz. Wer die Herausforderung sucht, paddelt gegen die Strömung. Vom Stuttgarter Hauptbahnhof geht es mit der S5 in 20 Minuten nach Bietigheim-Bissingen und von dort in 15 Minuten zu Fuß zum dortigen Viadukt. An Ort und Stelle wartet ein Bootsverleih und Dschungelbuch-Atmosphäre auf wasseraffine Mikro-Abenteurerinnen und Abenteurer.
11) Urwalderleben: Cross-Wandertour „Albtal.Abenteuer.Track“
Dschungelbuchatmosphäre verspricht auch Deutschlands erste Cross-Wandertour „Albtal.Abenteuer.Track“ bei Bad Herrenalb, rund anderthalb Autostunden von Stuttgart entfernt. Die 24-Kilometer lange Strecke mit 1000 Höhenmetern ist zeitweise mehr ein Kraxeln als Laufen: Ein grün bemoostes Baumstamm-Mikado versperrt den Weg, der Trampelpfad ist kaum mehr auszumachen und das dichte Unterholz droht, seine abenteuerlustigen Gäste zu verschlingen. Die Natur hat hier klar Vorrang, Wandernde werden nur geduldet: Der Wald soll sich in einem wissenschaftlichen Experiment ungestört zum „Urwald von morgen“ entwickeln.
12) Lost Places: Nervenkitzel und Stadtgeschichte erleben
Eine alte Bettenfedernfabrik, ein ehemaliges Offizierskasino, Gewächshaus oder Bunkerhotel: Die Region Stuttgart ist voll von geheimnisvollen Orten, rätselhaften Ruinen, und vergessenen Gebäuden. Eine Erkundungstour durch alte Gemäuer weckt Neugier und Nervenkitzel und bietet definitiv andere Einblicke in die Stadtgeschichte, als eine alltägliche Städtetour. Vorsicht vor einsturzgefährdeten Plätzen – ein Mikroabenteuer lebt schließlich davon, dass man danach unversehrt in den Alltag zurückkehrt.
Abenteuer-Spielregeln
Für die Mikroabenteuer gibt es einige Spielregeln zu beachten, zum Beispiel:
- Sicherheit: Wetterbedingungen und Geländebeschaffenheit checken, jemanden über die Route informieren und auf verdächtige Personen achten.
- Nachhaltigkeit: Keinen Müll hinterlassen, Wege nicht verlassen und keine Tiere stören.