Abfall-Chaos ungelöst Ludwigsburg leert Mülltonnen selbst
Die Technischen Dienste Ludwigsburg machen den Job der Entsorger mit, um Abfallberge abzubauen. Die Rattengefahr ist unterdessen noch nicht groß – was sich ändern könnte.
Die Technischen Dienste Ludwigsburg machen den Job der Entsorger mit, um Abfallberge abzubauen. Die Rattengefahr ist unterdessen noch nicht groß – was sich ändern könnte.
Kreis Ludwigsburg - Mit den Ratten, sagt Siegfried Schier, sei es nicht wie mit den Menschen. Soziale Belange, Kita-Platz-Aussichten, der Klimaschutz und Wertegebilde spielen da eher keine Rolle. „Wenn genug zu fressen da ist, pflanzen sie sich fort“, so der Vorsitzende Südwest des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes, der eine entsprechende Firma in Flein (Kreis Heilbronn) betreibt. „Da sind sie wenig zurückhaltend.“ Genug zu fressen auch über ihre üblichen Nahrungsquellen hinaus – meist sind sie in der Kanalisation aktiv – finden die Nagetiere prinzipiell derzeit in den Kommunen im Landkreis.
Zwar sind für dieses Wochenende Leerungen angekündigt, um „Reklamationen nachzufahren“, auch sind Sondertouren des Entsorgers Alba unterwegs. Doch noch immer quellen vielerorts Tonnen über, Säcke liegen herum. „Ein Zeitpunkt, wann sich die Abfuhren normalisieren, kann derzeit nicht seriös abgeschätzt werden“, heißt es von der Abfallverwertungsgesellschaft des Kreises (AVL). „Wir sehen, dass sich die Situation sukzessive entspannt.“ Ein Normalbetrieb werde sicherlich nicht nächste Woche erreicht, sondern noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dass die Rattenpopulation zunimmt, das befürchtet mancher Bürger, man ist ja in und um Ludwigsburg ohnehin hoch verärgert, dass seit dem Entsorgerwechsel im Landkreis die Müllabfuhr nicht rund läuft. „Unvorstellbar – ein Fünf-Gänge-Menü für Ratten ist aufgetischt“, schreibt ein Leser und schickt gleich ein Foto mit, ein anderer, nicht minder ironisch, meint: „Super für Ratten und andere Schädlinge.“ Wie groß die Gefahr wirklich ist?
Der Experte zeichnet ein differenziertes Bild. Müll, zumal wenn er lange liegt und zugänglich ist, kann die Schädlinge anlocken, betont Schier. Dass nun zeitnah Nager-Schwärme über die Straßen Ludwigsburgs sausen, befürchtet er nicht. Aber: „Die Tiere können sich vermehren, wenn das Nahrungsangebot groß bleibt.“ Dann würden sie auch im Stadtbild sichtbarer und man sehe sie hier und da herumhuschen. Einzelne Ratten könnten sich in Gebäude verirren und dort Schäden anrichten. Und ja, sie seien auch Krankheitsüberträger, koten gerne überall hin. „Das hygienische Moment ist nicht zu vernachlässigen.“ Was gut ist aus Sicht des Schädlingsbekämpfers: Noch ist es kalt draußen. „Aber wenn es wärmer wird, der Geruch des Mülls zunimmt, lockt das weitere Schädlinge an.“ Die Städte bewerten das Thema unterschiedlich. Dramatisch ist das Bild nicht. Aber: „Dass wir keine Hinweise aufgrund des Mülls verzeichnen, liegt mit Sicherheit an der kalten Jahreszeit“, so Ludwigsburgs Sprecher Peter Spear.
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„Bei wärmeren Temperaturen hätten wir wahrscheinlich größere Probleme.“ Aktuelle Beschwerden seien nicht eingegangen, aber man gehe im Zweifel jeder eingehenden Meldung nach, reagiere nach Bedarf“, heißt es aus dem Kornwestheimer Rathaus. Klar ist: Einzelne Bereiche, in denen die Nager aktiv sind und auch einen echten Ratten-Hotspot gibt es in Kornwestheim. Das bestätigen die Stadtwerke, die im Rahmen der Betriebsführung für die Schädlingsbekämpfung in den Kanälen zuständig sind – diese Spots gab es aber auch schon vor den aktuellen Müllbergen. Dem Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter sind noch keine Ratten begegnet. Aber: „In Steinheim war es auch nicht so krass mit dem Müll, wir hatten vielleicht mehr Glück als andere“, so Winterhalter. Auch in Marbach wurden keine Schädlinge gesichtet, zumal die Müll-Beschwerden nachgelassen haben, so Christine Schläfle, stellvertretende Ordnungsamtsleiterin. Grundsätzlich, räumt sie ein, „können Müllablagerungen Ungeziefer anziehen“.
Übrigens: In Ludwigsburg hat sich dieser Tage die Stadt selbst des Müll-Problems mit angenommen, obwohl es nicht ihr Job ist. Mitarbeiter der Technischen Dienste (TDL), die sonst etwa Straßen kehren und den Winterdienst erledigen, haben in Hoheneck und Oßweil sowie in der Innenstadt Müll abgeholt von Bürgern, die sich beschwert haben. „Unsere TDL haben unterstützt, obwohl das weder ihre Aufgabe ist, noch sie entsprechend ausgerüstet sind“, so Spear. Das sei eine außerordentliche Hilfeleistung in einer sehr schwierigen Situation.