Pfandringe sollten Stuttgarter Flaschensammlern die Suche erleichtern. Doch das Experiment stößt auf immer mehr Kritik. Am 26. Juli endet die Testphase, danach wird es die Pfandringe wohl nicht mehr geben.

Stuttgart - Lothar muss sich beeilen. Früher hat er seine Runde über die Theodor-Heuss-Straße gemächlicher gedreht, heute hat er Angst, dass er zu spät kommt. Zu spät, um sich eine der leeren Pfandflaschen aus dem Ring um den Mülleimer herauszunehmen. „Neulich war ich zu spät. Da hab ich gesehen, wie ein Schüler sich noch eine der Flaschen geschnappt hat“, sagt er grimmig. Die Pfandringe, die seit Ende Februar an neun Mülleimern in Stuttgart angebracht sind, sind für viele mehr Fluch als Segen.

 

Dabei war die Idee eigentlich gut gemeint. Durch die Ringe aus Stahl sollte den Flaschensammlern das unwürdige Wühlen im Müll erspart bleiben. „Menschen mit unterschiedlichsten sozialen Hintergründen sammeln Pfandflaschen, um sich ein Zubrot zu verdienen. Dafür müssen sie in die Mülleimer greifen, in denen sich neben Speiseresten auch Scherben oder Tüten mit Hundekot befinden können“, erläuterte damals der Kölner Jung-Designer Paul Ketz seine Idee. Durch den Pfandring könnten Passanten ihr Leergut guten Gewissens abstellen – und Pfandsammler müssten nicht unwürdig in die Mülleimer greifen. In Bamberg wurden damals die ersten Ringe installiert.

Die Betroffenen mögen das Projekt nicht

Auch der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft (AWS) ließ sich nach langem Zögern vom Stuttgarter Start-up WeWant überzeugen und hängte schließlich in der Hackstraße, Ostendstraße, Breiten Straße, Nadlerstraße, Schlossstraße, Hasenbergstraße sowie zweimal in der Theodor-Heuss-Straße Pfandringe um die Eimer. Für Lothar eine unnötige Aktion. Er lebt seit rund drei Jahren auf der Straße. Scham empfände er schon lange nicht mehr. Für ihn ist das Pfand einsammeln vielmehr eine wichtige Einnahmequelle. „Besser als herumzusitzen“, sagt er trotzig. Seinen Greifarm hat er dabei immer bei sich. Könnte ja sein, dass doch jemand seine Pfandflasche aus Gewohnheit in den Eimer geworfen hat. Im Müll nach Flaschen fischen, findet er nicht schlimm. Im Gegenteil. Früher sei ihm wenigstens keiner in die Quere gekommen, sagt er noch, bevor er weiterzieht. Längst hat er seine Runde erweitert und steuert vor allem die Mülleimer ohne Pfandring an.

Auch die AWS sieht die Pfandringe mittlerweile kritisch. „Die Papierkörbe sind zum Teil stärker verdreckt. Statt Pfandflaschen werden auch Gläser, Kaffeebecher, Papiertüten vom Bäcker oder benutzte Taschentücher in die Ringe geklemmt. Andere stellen ihre Flaschen lose auf dem Deckel des Mülleimers ab“, sagt Annette Hasselwander, die Pressesprecherin der AWS.

Die Müllabfuhr verzeichnet mehr Glasscherben als zuvor

Die Männer der Müllabfuhr bemängelten zudem, dass viel Dreck und zerbrochenes Glas auch rund um die Mülleimer läge. Dies erschwere die Leerung. Hasselwander schätzt die Mehrkosten für die Leerung und Säuberungen der speziellen Eimer mit Ring auf rund 1685 Euro. Für die Pfandringe an den neun Standorten investierte man zu Beginn 5000 Euro.

„Unsere Mitarbeiter haben sich nun beschwert, dass die Pfandringe erheblich mehr Aufwand verursachen würden, da die Leerung der Papierkörbe länger dauert, der Platz um die Behälter mehr verunreinigt ist und mehr Glasbruch beseitigt werden muss“, fügt sie hinzu.

Bis zum 26. Juli dauert die Testphase noch an. Danach wird Gemeinderat darüber entscheiden, ob sie bleiben oder abgehängt werden. Bis dahin dokumentieren AWS und WeWant ihr Projekt, um es der Öffentlichkeit nach den fünf Monaten vorzustellen. Lothar hat sich seine Meinung schon gemacht. Er hofft, dass die Ringe wieder verschwinden.