Abfallwirtschaft Gelber Sack: Wie viel wird wirklich verbrannt?

Mehr als die Hälfte des Inhaltes der Gelben Säcke wird verbrannt – dennoch lohnt sich das Trennen. Foto: dp/Patrick Pleul

Viele Menschen glauben, dass sich das Sammeln und Sortieren von Joghurtbechern und Milchtüten nicht lohne, weil das Meiste am Ende gar nicht recycelt werde. Doch wie so oft ist die Wirklichkeit viel komplexer.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Der Gelbe Sack, oder wie es korrekt heißt: das Duale System, hat bei vielen Bürgern keinen guten Ruf. Zu viel werde verbrannt, zu viel werde exportiert, hört man gerüchteweise gerne. Was ist dran an diesen Vorwürfen?

 

Wie viel Plastikmüll fällt an?

Über das Duale System wurden laut einer Studie des Öko-Instituts in Freiburg im Jahr 2020 bundesweit rund 2,25 Millionen Tonnen an Leichtverpackungen aus dem Gelben Sack oder der Gelben Tonne gesammelt. Diese Verpackungen bestehen meist aus Plastik oder Mischstoffen. Rund die Hälfte gelangt in Sortieranlagen zum Recyceln. Aber wegen des hohen Ausschusses werden laut Öko-Institut am Ende nur 35 Prozent wirklich stofflich verwertet. Das Umweltbundesamt geht aufgrund einer neuen Berechnungsmethode, die die EU vorschreibt, von 50 Prozent aus. Offizielle Zahlen lagen und liegen immer höher. Meist entstehen Parkbänke, Mülltonnen oder Farbeimer aus dem Rezyklat, selten neue Verpackungen.

Wie hoch ist die Recyclingquote bei anderen Stoffen?

Auch Papier, Glas und Metall zählen zum Dualen System. Die Recyclingquote liegt bei allen nach EU-Rechnung bei 80 Prozent oder mehr. In diesen Bereichen funktioniert die Verwertung also gut.

Wie viel landet in Müllverbrennungsanlagen?

Von den Kunststoffen und Verbundstoffen wird am Ende also die Hälfte oder mehr verbrannt. Das findet vor allem in Zementwerken statt, nur zu einem Viertel in Müllverbrennungsanlagen. Laut Felix Mayer, der beim Öko-Institut an der genannten Studie mitgearbeitet hat, kann zumindest die Energie aus dem Müll in den Zementwerken zu 100 Prozent genutzt werden, der Einsatz von Gas oder Kohle werde verringert. Verbrennen sei besser als Deponieren.

Warum wird die Recyclingquote bei Kunststoff nicht gesteigert?

Während Glas oder Metall sehr reine Stoffe sind, bestehen Verpackungen aus verschiedenen Kunststoffen. Zudem kombinieren die Hersteller oft Kunststoff mit Metall oder Papier. Weiter sind viele Folien zu verschmutzt. Selbst in neuwertigen Sortieranlagen bleiben deshalb große Mengen an sogenannten Mischstoffen und Sortierresten übrig. Katharina Istel vom Nabu-Bundesverband betont: „Technisch könnte man schon lange viel mehr recyceln – leider ist es oft für die Firmen wirtschaftlich nicht attraktiv.“

Wie könnte man besser verwerten?

Am besten wäre es, wenn die Hersteller bei Verpackungen ganz auf Plastik verzichteten. Katharina Istel fordert, dass zumindest reine Kunststoffsorten verwendet werden. Mittlerweile wird auch mit einer chemischen Nutzung der Verpackungen experimentiert – dabei werden diese quasi chemisch in den Rohstoff Öl zurückverwandelt. In Walldürn entsteht derzeit Europas größte Anlage. Experten halten auch die flächendeckende Einführung von Wertstofftonnen für wichtig: Dort können alle Rohstoffe entsorgt werden, also auch Pflanzenkübel oder ein Bobbycar, auch wenn kein Label des Dualen Systems vorhanden ist. Laut dem Umweltministerium gibt es solche Wertstofftonnen im Südwesten für sechs Land- und Stadtkreise.

Was tut die Politik?

Die Europäische Union steht kurz davor, eine neue Abfallverordnung zu erlassen. Danach sollen ab 2030 nur noch Verpackungen erlaubt sein, die vollständig recycelbar sind. Zudem muss in jeder Plastikverpackung ein Anteil von mindestens 30 Prozent an recyceltem Kunststoff enthalten sein. Das Gesetz könnte ein Durchbruch werden. Derzeit sei der Recyclingmarkt aber wegen hoher Energiekosten eingebrochen, sagt Felix Mayer; zudem überschwemme China den Markt mit günstigem neuen Kunststoff.

Wie funktioniert das Duale System?

Das Duale System wurde 1991 eingeführt, derzeit sind deutschlandweit zehn private Unternehmen am Start, darunter der bekannte Grüne Punkt. Hersteller von Produkten (beziehungsweise am Ende die Kunden) bezahlen an diese Unternehmen einen Betrag für die korrekte Entsorgung. Gesammelt wird gemeinsam, danach erhält jede Firma ihren Anteil und verwertet diesen in eigener Regie. Die Zementwerke und Wiederverwerter erhalten teils von den Unternehmen des Dualen Systems sogar Geld, damit sie den Müll abnehmen.

Gibt es Probleme?

Das System funktioniere, aber es müsse kontrolliert werden, sagt Steffen Becker vom Umweltministerium in Stuttgart. So habe es 2014 eine Finanzierungskrise der Dualen Systeme gegeben. 2018 habe sich eine Insolvenz ereignet. Das Land Baden-Württemberg hat jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Sieg errungen – es kann nun Sicherheitsleistungen erheben für den Fall, dass ein Betreiber ausfällt. Umweltministerin Thekla Walker (Grüne): „Diese Sicherheitsleistung verhindert, dass die Bürger am Ende doppelt zahlen müssten.“

Was ist dran an den Gerüchten illegaler Müllexporte?

Nach offiziellen Zahlen werden je nach Abfallgut 15 bis 27 Prozent exportiert. Etwa der Investigativfilm „Die Recycling-Lüge“ des NDR legt nahe, dass dieser Müll teils unter freiem Himmel verbrannt oder in die Flüsse gekippt wird. Teils gebe es mafiöse Strukturen. Viele Länder, etwa China, haben dem Import aber einen Riegel vorgeschoben. Nur 0,1 Prozent werde jetzt in Länder außerhalb der EU gebracht, betont Steffen Becker. Istel glaubt auch, dass es im Müll-Business Kriminelle gibt: „Aber es ist nicht fair, die ganze Branche zu diskreditieren – da tut sich auch sehr viel Positives.“

Was kann der Einzelne tun?

Wichtig sei, nur zulässige Stoffe in den Gelben Sack zu werfen, betont Felix Mayer. Denn je niedriger die Fehlwürfe, um so mehr kann auch verwertet werden. Er fordert aber deutlich mehr Berater und Aufklärung – teilweise sei für den Bürger schwer zu erkennen, was in den Gelben Sack darf und was nicht. Die Klassikerfrage, ob man den Joghurtbecher waschen müsse, beantwortet Katharina Istel vom Nabu eindeutig: Für die Sortieranlage spiele es keine Rolle, ob noch etwas Joghurt am Plastik klebt. Sie bittet die Bürger darum, weiter zu trennen, denn nur über das Duale System könne überhaupt recycelt werden. Was im Restmüll lande, sei unwiederbringlich verloren. „Der Gelbe Sack ist nicht für die Katz“, so die Müllexpertin.

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